Von Insel zu Insel

Tokio hört nicht auf, uns zu überraschen mit seiner Vielseitigkeit. Jetzt im neuen Quartier angekommen, galt es, die nähere Umgebung zu entdecken. Hätten wir noch irgendwelche Zweifel gehabt, ob wir mit der Wohnlage richtig entschieden haben, wären sie spätestens mit dem Wochenende endgültig zerstreut worden. Wir haben Odaiba entdeckt. Wie auch Shibaura eine künstliche Insel, die mit unserer durch die Rainbow Bridge verbunden ist. Darüber gelangt man neben dem Auto oder zu Fuß im übrigen mit der Yurikamome, meiner neuen Lieblingsbahn, die ich ja schon letzte Woche entdeckt hatte.

Unser erstes Ziel auf Odaiba war die teamLab Borderless Ausstellung, die schon in Deutschland auf meiner Wunschliste stand. Diese digitale Welt, geschaffen von Technikern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, will grenzenlose Übergänge zwischen Mensch und Kunstwerk, zwischen Realität und digitalem Raum schaffen und lässt den Besucher ohne definierte Wege durch die Installationen wandern.

Zum Beispiel durch Blumenwelten, die sich rings um uns herum und mit uns als Projektionsfläche ständig veränderten. Bube und Dame jagten virtuellen Fröschen hinterher, rollten leuchtende Bälle durch den dunklen Raum, die kleine Dame bewältigte einen beleuchteten Kletterparcours und entließ ein selbst gemaltes Meerestier mit einem Hightechscanner in ein raumgroße virtuelles Aquarium und sah ihm beim Schwimmen zu. Sie hatte sich hier für einen echt flotten Fisch als Vorlage entschieden, den ich regelrecht für ein Foto jagen musste.

Im Forest of Lamps ließen wir uns verzaubern von der durch Spiegel erzeugten Unendlichkeit der bunten Leuchten. Letzteres hat der Bube verpasst, die Zeit, die wir dafür anstanden, hat er für seinen Mittagsschlaf auf Bennis Arm genutzt. Insgesamt eine sehr beeindruckende Ausstellung, die ich sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.

Forest of Lamps

Aber Odaiba hat noch mehr zu bieten. Neben gleich drei Einkaufszentren, die wir mal kurz begutachteten, gibt es hier auch einen Strand. Noch eine Art, wie man Wasser im Sommer in Tokio gewinnbringend nutzen kann: ans Meer fahren. Bisschen schräg fühlt es sich an, kurz hinter der Haustür in die Bahn zu steigen und nach einer Station am Strand wieder auszusteigen. Und dann sitzt man da und schaut den Kindern zu, die vor der Skyline Tokios durchs Wasser hopsen und sich wie zwei Minischnitzel freuen. Könnte schlechter laufen.

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Blick auf unser Zuhause (noch leicht von der Brücke bedeckt ist ein Hochhaus im Bau mit Kränen auf dem Dach, zweites Haus links davon)

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Strandtag

Morgen starten wir in die letzte Phase der Anfangszeit hier. Wir lernen die Erzieher im Kindergarten kennen. Am Mittwoch geht es für den Buben und die kleine Dame los.

Wasser ist immer eine Lösung

Es ist mal wieder heiß in Tokio. Nach ein paar Regenstunden zwischendurch, die die Stadt in eine Megasauna verwandelt haben, sind wir mittlerweile wieder bei 36 Grad angekommen. Eine sehr gute Lösung ist Wasser, in einfach jeglicher Form.

Zunächst einmal natürlich zum Trinken. Dank der überall aufgestellten Getränkeautomaten ist die Flüssigkeitsversorgung immer gesichert. Wenn man mal etwas wagen möchte, empfehle ich, sich einfach irgendein interessant aussehendes Getränk auszusuchen. Meistens ist es eine Variation von ungesüßtem Tee – mal gut, mal furchtbar – hinter manchen Knöpfen verbergen sich diverse limonaden-/saftartigen Getränke, die dafür umso mehr Zucker enthalten und an jeglichem Obst vielleicht einmal von Weitem vorbei getragen wurden. Dazu sind noch isotonische Getränke und eben Wasser mit im Spiel. Es wird nie langweilig. Ein großer Nachteil der Getränkeversorgung sind allerdings die Unmengen an Plastikmüll, die sich durch die Flaschen anhäufen. Plastik ist hier generell ein Thema, das uns immer wieder entsetzt. Hier ist einfach alles in Plastik verpackt. Gerne auch doppelt. Ich habe schon Kleidung in Plastikfolie eingeschlagen in Plastiktüten über die Ladentheke gereicht bekommen. Puh.

Wasser in allen Aggregatzuständen

Eine weitere interessante tokiotische Art Wasser bei hohen Temperaturen einzusetzen, ist der kühlende Wasserdampf, der gerne in Warte- oder Aufenthaltsbereichen im Freien über die darunter wartenden oder sich aufhaltenden Personen gepustet wird. Hat was.

Was auch immer geht ist, sich einfach am Wasser aufzuhalten. Das hat neben einer leichten tatsächlichen Kühlung auch einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Effekt mitten im Großstadtsommer. An dieser Stelle viele Grüße an meine lieben Kollegen zu Hause, die den gleichen Effekt mit unserem Büro-Keramik-Deko-Schneemann erzeugen. Einen Schneemann habe ich hier nicht auftreiben können, dafür aber den Original Weihnachtsbaum des Tokyo Midtown Einkaufszentrums von 2008. Sagen wir es mal so, Weihnachtsbäume können wir besser…

Wir haben uns dafür gleich an zwei Wasserstellen gefühlt gekühlt. Zum einen am schönen Teich im Hinokicho Park, an dem man rundum an vielen Stellen auf Felsen direkt bis ans Wasser gelangt. Ging sogar mit dem Buben, der sich nicht, wie befürchtet, sofort in den Teich gestürzt hat, sondern brav auf dem Stein saß und staunte. So erfolgreich eingeführt, wurde die Methode gleich abends noch in den Roppongi Hills angewandt, wo es sich auch im Dunkeln gut kühlen und staunen lässt.

Im Dunkeln war ich dann schließlich diese Woche auch nochmal in Shibuya unterwegs. Zwar ohne Wasser, aber auch ohne Kinder. Wir brauchten noch ein paar Sachen für die neue Wohnung, ohne die man schlecht die ersten Tage übersteht, Handtücher und Kaffeemaschine im Wesentlichen. Ja, die Kaffeemaschine braucht vor allem einer von uns besonders für das tägliche Wohlbefinden. Nachdem man Benni schon diese Woche im Büro wegen Wartungsarbeiten und Feiertagswoche die Zufuhr zum Kaffee gestrichen hatte, riskiere ich lieber keinen Fehlstart im neuen Heim. Und ich nutze gerne auch jede Gelegenheit, mal kinderfrei aus dem Haus zu kommen. Shibuya ist und bleibt beeindruckend und hätte ich nicht echt schwere Tüten geschleppt, wäre ich auch noch länger geblieben. Dank Ladenöffnungszeiten bis 22.00 oder 23.00 Uhr wäre das auch kein Problem. Ein anderes Mal.

Zurück zum Wasser. Oder in unserer letzten Variante: ins Wasser. Jedenfalls für Bube und Dame. Tokio ist voll von Splash-Waterparks für Kinder. Meistens sind das kostenfreie, auf Planschbeckenhöhe gefüllte Wasserbecken, oft mit kleinen Fontänen ausgestattet. Am Samstag fanden wir einen solchen im Freizeitparkbereich der Tokyo Dome City. Wo bei uns Achterbahnen, Stadien oder große Einkaufszentren in der Regel auf der grünen Wiese errichtet werden, stehen sie hier einfach mittendrin. Gibt ja auch keine grüne Wiese.

Tokyo Dome City vereint alle drei Einrichtungen, so dass man hier shoppen, zum Baseball gehen oder mal eben eine Runde Achterbahn fahren kann. Oder die Kinder in den Splash-Park lassen kann. Nachteil für die Eltern ist hierbei leider, dass man selbst ungewässert in der Sonne nebendran steht und versucht, einem Hitzschlag zu entgehen. Das und die Tatsache, dass der Bube auch die weiteren Attraktionen nutzen wollte – Wasserrutsche oder Schaumbad – beides aber nicht durfte weil zu klein, ließen uns das Vergnügen bald auch wieder beenden. Die Altersbegrenzungen für Kinder und Sicherheitsbestimmungen im Allgemeinen sind in Japan schon seeeeeehr vorsichtig angesetzt. Mag sein, dass wir einen sehr forschen Buben am Start haben und selbst nicht besonders ängstlich sind, was seine Ambitionen und Fähigkeiten zu klettern oder zu rutschen angeht, ich bin mir aber sehr sicher, dass er unfallfrei eine hüpfburgartige Gummirutsche, die in einem Planschbecken endet, rauf und wieder runtergekommen wäre. Oder ich erinnere an die doofe Pinguin-Bootsfahrt, die die kleine Dame mit ihren 4 Jahren nicht ohne mich absolvieren durfte. Safety First. Immer und überall, wenn man sich in Japan bewegt. An jeder noch so kleinen Baustelle finden sich zum Beispiel meist zwei ältere japanische Herrschaften, bewaffnet mit einer Art Laserschwertattrappe aus Plastik, um einen lächelnd und winkend sicher an der Absperrung vorbeiführen. Oder sie stehen an Zebrastreifen, um Autos anzuhalten und Fußgänger passieren zu lassen. A-n e-i-n-e-m Z-e-b-r-a-s-t-r-e-i-f-e-n. Es ist faszinierend. Und auch irgendwie lieb, so umsorgt zu werden. Ich frage mich, wie Besucher anderer Nationen auf die vielen Sicherheitsmaßnahmen reagieren, denn im Grunde kommen wir ja auch schon aus einem sehr sicherheitsliebenden Land. Nichts gegen Japan allerdings.

Heute haben wir gleich einen zweiten Plansch-Park ausprobiert. Shinjuku Park, in dem wir schon letzte Woche den großen Spielplatz aufgetrieben hatten, hat auch einen großen Wasserbereich, der getestet werden musste. Die Kinder waren hellauf begeistert und rannten quietschend durchs Wasser. Für ungefähr eine halbe Stunde, dann wurden alle rausgeschickt. Nach intensiver Beobachtung fanden wir auch heraus, warum: der PH-Wert des Wassers wurde genommen und die drei Blätter, die sich nach wohlgemerkt einer Stunde Öffnungszeit angesammelt hatten, wurden sorgfältig rausgefischt. Hachja, es muss alles seine Ordnung haben.

Abschied von Roppongi

Der Rest des Tages war dann für eine Tätigkeit reserviert, die uns inzwischen wirklich mächtig zum Hals raushängt: Koffer packen. Zum sage und schreibe neunten Mal seit Mitte Juni haben wir unsere Habseligkeiten in diverse Taschen und Koffer gepackt, denn morgen geht es nach Shibaura. Nach neun Wochen Vagabundenleben ziehen wir endlich in unser neues Zuhause. Yay.

Bye bye Roppongi

 

Stadtsommer

So langsam kommt Routine in unseren Alltag zu dritt. Die kleine Dame, der Bube und ich kennen unseren Hood jetzt einigermaßen und wissen, wo wir spielen, einkaufen, shoppen oder uns in den öffentlichen Nahverkehr stürzen können. So kommt es in Woche 3 dann auch durchaus mal zu Wiederholungstaten.

Dienstag waren wir zum Beispiel mal wieder im Robot Park. Praktisch auch deshalb, weil es an den Roppongi Hills mit zahlreichen Geschäften liegt, wo ich nach Sandalen für den Buben schauen wollte, die ich letzte Woche schon gesehen hatte. Nachdem beide Kinder hier Tag für Tag die gleichen Schuhe tragen müssen, brauchen diese bei derartiger Dauerbelastung mal eine Gelegenheit auszulüften. Frühaufsteher, also auch Eltern mit Kleinkindern, kommen hier allerdings erstmal nicht weit. Die meisten Läden öffnen zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr. Der mit den Schuhen leider erst um 11. Also erst zum Robot Park und dann shoppen. Mittlerweile wird es in Tokyo immer sonniger und wärmer, so dass wir aufpassen müssen, nicht zu lange draußen zu bleiben. Nach einer Runde Spielen erreichte ich mit zwei verschwitzten Kindern mit roten Gesichtern den Laden. Schuhe nicht in der richtigen Größe da. Hmpf. Also erstmal heim, Pause gemacht, runtergekühlt.

Kühler Hase

Nachmittags wurden wir dann doch noch fündig. Im Tokyo Midtown Komplex bei uns um die Ecke hat sich die kleine Dame in ein Paar Sandalen verliebt, die es auch in der richtigen Größe gab. Der Bube muss noch etwas warten. Dazu haben wir noch einen neuen Artikel in unser stets mitgeführtes Arsenal aufgenommen: den Hand-Ventilator!!! Man stelle sich umgehend einen Tusch vor und verkneife sich jedes Grinsen. Jawohl, ein kleiner Ventilator zum Mitnehmen. Und Hasenohren plus eine Schnur zum Umhängen hat er auch. Ist mir auch völlig egal, wie das aussieht, bei 35 Grad und einer gefühlten Luftfeuchtigkeit wie im Dampfbad ist das kleine Ding ein willkommener Helfer. Zugegebenermaßen habe ich die ersten zehn Leute, die ich damit gesehen habe, auch noch belächelt, die nächsten zehn schon nicht mehr so sehr, danach kamen dann langsam die Zweifel und ein Gefühl von „Will auch!“. Will ich auch immer noch, aber der Hase ist entweder fest in den Händen der kleinen Dame oder genauso fest im Mund des Buben (die Hasenohren). Beide wissen den erfrischenden Luftzug sehr zu schätzen.

Mittwoch war Bennis Geburtstag, auf den wir schon konspirativ hingearbeitet hatten. Unser Trip nach Ginza hatte uns in ein Geschäft geführt, das Namen auf Kanji, also in japanischen Schriftzeichen, in ein Stück Holz schnitzt. Das kleine Holzschild ist in Art eines Senjafudas gemacht, ein Schild, wie es an buddhistische Tempel angebracht wird. Ein typisches Mitbringsel für Touristen, aber sehr schön gemacht. Jetzt wollten wir für das Japan-Beginner-Set noch eine Maneki-neko, besser bekannt als Winkekatze. Einer der Legenden nach rettete die Katze Tama einem Fürsten das Leben, indem sie ihm zuwinkte, als der sich während eines Gewitters unter einem Baum unterstellte. Durch das einladende Winken lief der Fürst auf die Katze zu und entging so dem Blitz, der in den Baum einschlug. Eine Winkekatze aufzutreiben,ist in Tokio nicht besonders schwierig, fehlte nur noch ein Geburtstagskuchen. Den hatte die kleine Dame am Vortag beim Bäcker ausgesucht und er wurde dort umgehend mit einem „Happy Birthday Benjamin“ beschriftet.

Zur Feier des Tages verbrachten wir den Nachmittag zu viert im Yoyogi-Park, genauer im nord-östlichen Teil, um den Meiji-Schrein. Die Nähe zum Schrein macht den Park allerdings eher zu einem schönen Wald mit geradlinigen Hauptwegen. Essen, trinken, joggen, Grünflächen betreten – alles nicht erlaubt. Dafür war es schön, mal wieder viel Grün um uns herum zu haben und die Kinder einfach laufen lassen zu können.

 

Gewusst wie

So heiß der Sommer hier ist und so voll die Stadt auch ist, die Tokioter wissen Orte der Entspannung und Abkühlung zu schaffen. Auf unserem Heimweg durch die Grünanlagen um Tokyo Midtown kamen wir an einem Wasserkanal mit kleinen Stegen vorbei, auf denen die Menschen reihenweise saßen und ihre Füße ins Wasser streckten, über ihnen weiße Sonnensegel. Dahinter folgte eine Ansammlung von Tatami-Pavillons zum Ausruhen, eine Garden Lounge mit wunderschönen Lampions und der Digital Art Garden, einer geradezu magischen Installation mit Wasserdampf und Licht.

An dieser Stelle ist der zweite Tusch des Tages fällig: mein Mamachari ist da!!! Heute konnten wir mein heiß ersehntes, schwarzes zukünftiges Lieblingstransportmittel in Empfang nehmen und einweihen. Alles dran, was ich mir vom Fahrradmann meines Vertrauens gewünscht hatte, inklusive Handyhalterung für die Navigation durch die Großstadt. Geht doch auch mit einem wilden Mix aus Englisch und Japanisch und viel gutem Willen. Für meine sehr japanuntypische Größe haben wir beim Anpassen alles aus dem Rad rausgeholt, was möglich war. Sagen wir es mal so: ich habe schon weitaus bequemer auf Rädern gesessen, aber da hatte ich auch noch keine Kinder vorne und hinten zu kutschieren. So werde ich mich an die ungraziöse Fahrweise mit leicht ausgestellten Knien eben einfach gewöhnen müssen. Egal, wir sind endlich ein gutes Stück mobiler und die erste Fahrt zurück ins Apartment, die ich alleine mit der kleinen Dame wagte, tönte es ununterbrochen Begeisterungsrufe vom Rücksitz. Guter Start.

Mein Mamachari