Pflaumenregen

So langsam fühlt sich dieses merkwürdige Zwischenstadium nach dem Lockdown und vor einem Ende der Corona-Krise halbwegs gewohnt an.

Der Schulalltag für die Kinder funktioniert sehr gut und sie genießen es, mit ihren Freunden und Lehrern zusammen zu sein und jede mögliche Minute draußen zu verbringen. Die kleine Dame geht mit ihrer Klasse jeden Tag mindestens einmal in den Park, der kleine Bube setzt mit seiner Gruppe und viel Hingabe den Innenhof der Schule mit dem Gartenschlauch unter Wasser. Und sich.
Benni arbeitet die meiste Zeit nach wie vor zu Hause, jetzt aber deutlich entspannter und ungestörter.

Und ich, ich gehe auch wieder in die Schule. Ich mache endlich meinen lange gebuchten und erwarteten Intensivsprachkurs. Vier Tage die Woche habe ich zwei Stunden Unterricht und weil es in der Klasse neben mir nur einen weiteren Wahnsinnigen gibt, haben wir quasi Privatunterricht, was wirklich effizient ist. Das und die Tatsache, dass wir jeden Tag nicht nur Hausaufgaben machen müssen sondern auch noch einen Test schreiben. Wir haben zwei Japanischlehrerinnen, eine für einen der vier Tage, die andere für die drei übrigen.
Nummer 1 ist die sehr entspannte, humorvolle Emiko-san, die in ihrem vergangenen Leben schon Tauchlehrerin auf den Fidschi-Inseln und Sprachlehrerin in der Slowakei war. Abe-san ist die Lehrerin, mit der wir am meisten Zeit verbringen und die ich nur Sensei nenne, wenn ich Benni von ihr erzähle. Sensei heißt Lehrer auf Japanisch und Abe-san hat sehr viel von meiner Vorstellung einer japanischen Lehrerin. Sie ist streng, fokussiert und überrascht gerne mit Sätzen wie „Oh, I don‘t know this comedian, I do not have a television“, „I don‘t drink!“, beides sehr energisch ausgesprochen oder „How do you manage to find your way with the trains, yesterday I had to travel to Ōsaki and I got completely lost. I come from the countryside, I get confused here.“ Dazu muss man sagen, Ōsaki ist drei Stationen von meiner Station entfernt, also super zentral und leicht zu finden. Sensei ist speziell, aber nicht auf eine negative Art. Ich lerne viel von ihr und habe sie gerne als Lehrerin, sie ist nur völlig anders als Emiko-san. Emiko ist übrigens ein Vorname und Abe ein Nachname, also schon in der Ansprache beginnen die Unterschiede.

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Schulbank

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Auch die Korrektur kann kawaii – Bärchen sagt, das habe ich gut gemacht

Naja, jedenfalls bin ich jetzt wieder Schülerin und muss echt ackern. Da ich den ersten Intensivkurs übersprungen habe, weil ich ja schon eine Weile Japanisch lerne, wird Hiragana, das erste der beiden „einfachen“ Schriftsysteme schon vorausgesetzt, gerne aber abgefragt. Zusätzlich lernen wir jetzt Katakana, also das Zeichensystem, mit dem vor allem Fremdwörter oder ausländische Namen geschrieben werden.

Ein neuer Name

Das Schöne ist, im Japanischen werden auch die Fremdwörter nicht einfach übernommen, sondern so umgelautet, dass sie zwar ausgesprochen ähnlich klingen wie das Original, aber in unsere Augen abenteuerlich geschrieben aussehen (wenn man sie in Romaji, also unser Schriftsystem, überträgt). Beispiel gefällig? Der Sky Tree, ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt, heißt スカイツリー (sukaitsurī – bitte laut aussprechen…).
Die größte Offenbarung für mich aber ist mein Name! Als ich nach Japan kam, wurde mir mein Name wie folgt aufgeschrieben: シモネ (shimone, weil es interessanterweise zwar die Laute sa, se, so und su gibt, nicht aber si, das wird automatisch zu shi). So heiße ich also schon seit elf Monaten Shimone. Man gewöhnt sich an alles. Bis Sensei mal richtig hinhörte und feststellte, dass ich meinen Namen anders ausspreche. Und, Überraschung, weil Katakana ja für fremde Wörter gemacht wurde, gibt es auch Zusatzlaute, die mit ein paar Hilfszeichen gebildet werden, so auch ein ズィ(zui = zi = ausgesprochen als unser si). Hier wird ein großes zu von einem kleinen i begleitet und damit ein neuer Laut gebildet. Ich heiße also gar nicht シモネ, ich heiße ズィモネ. Ich bin entzückt!

Pikachu gratuliert

Entzückt war auch die kleine Dame, als sie dieser Tage ihren heiß ersehnten fünften Geburtstag feiern durfte. Dank Corona gab es zwar keinen Kindergeburtstag mit ihren Freunden am Nachmittag, aber wir haben uns aus den bereits geöffneten Möglichkeiten etwas anderes ausgesucht. Nach großem Geburtstagsfrühstück und anschließendem Ehrentag im Kindergarten ging es gleich weiter nach Nihonbashi ins Pokémon-Café. In Japan sind Themen-Cafés sehr beliebt und neben Tieren in Pet-Cafés vor allen Dingen Serienfiguren gewidmet. Um Pokémon kommt man in Tokio kaum herum, so kannten die kleine Dame und der Bube Pikachu und seine Freunde gut genug, um tellergroße Augen zu bekommen beim Anblick des bunten Cafés. Wie es sich für ein echtes Themen-Café gehört, waren auch das Essen und die Getränke quietschebunt. Zur Feier des Tages durften eine Pikachu- und eine Hitokage-Tasse mit nach Hause, aus denen seitdem andächtig Tee und Kakao getrunken wird.

So sieht Social-Distancing übrigens im Pokémon-Café aus:

Social Distancing

Niedliche Platzhalter

Tsyuyu

Wir können theoretisch also wieder rausgehen. Sonne genießen und so. Ging auch kurz gut und war fantastisch, dann kam tsuyu, die Regenzeit. Etwa einen Monat lang regnet es jetzt fast jeden Tag, mehr oder weniger ununterbrochen. Und das bei Temperaturen zwischen 20 und 27 Grad, Dampfsauna pur. Letztes Jahr sind wir in den letzten Tagen der Regenzeit angekommen, ab hier kennen wir uns also quasi aus klimatisch.

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Große kleine Regenfans

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Begeisterung in Grenzen

Die Kinder sind gut ausgerüstet mit Regenjacke , Gummistiefeln und stecken auf dem Weg zum Bus trocken unter den Regenabdeckungen der Kindersitze. Ich versuche mit Regenjacke oder -poncho und Gummistiefeln, aber eben ohne Sitzabdeckung das meiste abzuhalten, was so leidlich gelingt auf dem Rad. Für eine Regenhose ist es mir dann aber wirklich zu warm, dann werde ich lieber vom Regen nass, als vom Schweiß. Das kommt noch früh genug wieder.

Durch die Massen an Menschen zu navigieren – ohnehin schon eine Herausforderung – wird durch die Regenschirmthematik auf die Spitze getrieben. Ich fühle mich bisweilen wie in einem alten Jump‘n‘Run Spiel, wenn ich den bunten Kreisen ausweiche, die vor mir oder gerne auch urplötzlich von der Seite auftauchen.

Die Kanji für Regenzeit setzen sich übrigens aus Regen und…es darf gerne geraten werden…einer Pflaume zusammen! Niemand? Wenn noch jemand daran gezweifelt hat, wie schwer die japanische Schrift inklusive der bedeutungstragenden Kanji ist, der Pflaumenregen ist ein schönes Beispiel. Klar, wenn Pflaumenzeit ist und es zusätzlich noch regnet, ist Regenzeit. Easy.

Pflaume

Pflaumenzeit

Auf Rüsselsuche

Sonntag hat Tsuyu mal eine Pause eingelegt und wir gleich mit. Wir haben das schöne Wetter genutzt, um Tokio mal kurz den Rücken zu kehren und sind ins benachbarte Yokohama gefahren.
Yokohama ist nach Einwohnerzahl die zweitgrößte Stadt Japans und Hauptstadt der Präfektur Kanagawa. Nur eine halbe Stunde Bahnfahrt entfernt und Standort der Deutschen Schule, ist es zudem ein beliebter Wohnort für Deutsche, die in Tokio oder Umgebung arbeiten.

Wir haben unseren Tag in China Town beginnen lassen, das größte Mini-China in Japan, und haben uns den Rest des Tages am Wasser rumgetrieben. Yokohama hat eine wirklich schöne Promenade. Das historische Fracht- und Passagierfest Hikawa Maru haben wir uns für den nächsten Besuch aufgehoben, da der Bube exakt davor in seinen Mittagsschlaf entschwunden ist.

Der Yamashita Park direkt an der Promenade war dann ein zu guter Platz für ein Picknick. Im Land der Konbinis ist es auch kein Hindernis, wenn man einfach nichts picknickartiges eingepackt hat: große Plane als Picknickdecke inklusive Heringe zum Festmachen für umgerechnet weniger als 3€, eine umfangreiche Auswahl an Sandwiches, Reisbällchen, Joghurts, Knabbersachen, kalten und warmen Getränken etc. – alles vorrätig für eine Pause.
Weiter am Wasser entlang sind wir bis zum Zō no hana Park gekommen. Zō ist der Elefant und hana ist die Nase, also im Wesentlichen Elefantenrüsselpark. Ursprünglich gab es an dieser Stelle des Ufers Dammkonstruktionen, die Elefantenrüsseln ähnelten, die heute allerdings nicht mehr da sind. Leider ist auch die große neuere Elefantenrüsselstatue, die wir gesucht hatten, nicht mehr da. Der Park verliert also scheinbar ganz gerne mal seine Nasen.

Nach einem Tag mit strahlendem Sonnenschein, kündigten sich im Nasenpark dann wieder die dunklen Wolken der Pflaumenzeit an, also ließen wir es für unseren ersten Yokohama-Trip dann mal gut sein.

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Reiselust

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Tor zu China

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Zuckererdbeeren

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New normal?

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Die Hikawa Maru

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Auslauf an der Promenade

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Konbini geht immer

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Doch noch ein Elefantenrüssel

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Straßenstreuner

Ich wurde neulich gefragt, wie es wohl jenseits der ausgewählten Bilder so in Tokio aussieht.

Ich habe mich schon so an die Stadt und ihr Erscheinungsbild gewöhnt, dass ich erst einmal überlegen musste, ob es so anders als in Deutschland ist. Ich empfinde es ja abseits der bunten Vierteln wie Shinjuku oder Roppongi als erfrischend normal und unaufgeregt und habe zum Abschluss mal ein paar ganz alltägliche Straßenbilder von meinen Wegen angehängt.

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Hier hält der Schulbus

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Der Tokyo Tower ist allgegenwärtig in Minato-ku

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Restaurant in Azabu-Jūban

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Gemütliche Einkaufsstraßen von Azabu

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Seitenstraße in Ginza

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Die Fußgängerampeln zeigen rote/grüne Punkte an und zählen runter bis sie die Farbe wechseln, bei z.T. sehr großen Straßen eine echte Hilfe zum Einschätzen, ob man es wohl noch schaffen könnte

Fahrrad

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Fahrradparkhaus in Azabu-Jūban, wild parken ist verboten, Räder werden abgeschleppt

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Das Rad kommt in Fahrradständer mit Schloss, die automatisch verriegeln…

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..und erst wieder entsperren, wenn am Parkautomat bezahlt wurde

Autos

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Parkraum für Autos ist knapp

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Platz zum Abbiegen auch, dafür gibt es Drehscheiben, die das Auto in die richtige Position zum Ein- und Ausfahren bringen

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Straßen werden gerne gestapelt

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Unter einem Straßenstapel

Bahn

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Ticket Gates

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Viele Bahnsteige sind sehr gut mit Absperrungen gesichert

New normal auf Japanisch

Die japanische Regierung hat letzte Woche Montag kinkū jitai sengen no kaijo bekannt gegeben, die offizielle Aufhebung des Notstands, dann auch für die letzten verbleibenden Präfekturen inklusive Tokio.

Wie andere Länder auch, zieht Japan anlässlich der Lockerungen Bilanz: 17.000 registrierte Fälle von Infektionen und 850 Todesfälle. Es ist kein Geheimnis, dass ungeachtet zahlreicher Empfehlungen und Warnungen japanischer und internationaler Experten vergleichsweise wenige Tests durchgeführt wurden und werden. Wie aussagekräftig also die erste Zahl ist, sei dahingestellt. Allerdings spricht die im weltweiten Vergleich geringe Zahl an Todesfällen sehr dafür, dass Japan entweder sehr viel Glück hatte oder sehr viel richtig gemacht hat hat. Oder beides.

Als einflussreiche Faktoren für diese Entwicklung werden immer wieder das Gesundheitssystem, die effektive Lokalisierung von Clustern im Anfangszeitraum und die allgemeine Neigung der Japaner zu einem gesunden Lebensstil genannt.
Die Maßnahmen des Lockdowns waren zwar nicht gesetzlich bindend, haben aber dennoch zu einem deutlichen Rückgang der Besucherströme in Restaurants, Cafés, öffentlichen Anlagen, Büros und in der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs geführt. Auch, was die unkomplizierte und bereitwillige Nutzung von Masken angeht, sind sich immer mehr Experten einig, dass dieser Umstand Japan im Kampf gegen Corona bisher sehr geholfen hat.

Die japanische Regierung hat sich zur Bewertung vor Aufhebung des Notstands für ein 3-Kriterien-System entschieden, dass die einzelnen Präfekturen erfüllen mussten: ein Verhältnis von Neuinfektionen pro Woche von weniger als 0,5 pro 100.000 Personen, die Stabilität des Gesundheitssystems unter Einbeziehung von verfügbaren Krankenhausbetten und Anzahl der Personen mit schweren Symptomen sowie die Fähigkeit Infektionen zu überwachen, z.B. durch Testverfahren.
„The Japanese model has demonstrated its strenght“, fasst Premieminister Abe zusammen.

Übrigens eine völlig andere Wortwahl, als die von Jens Spahn in einem Artikel in der Japan Times: „[…] it makes us humble, rather than overconfident“ sagt er in Bezug auf Deutschlands Sicht auf den – von der internationalen Presse wiederholt gelobten – Umgang mit dem Virus.

International Media

Blick von außen

Mal ganz abgesehen von der Corona-Krise ist es für mich hier am anderen Ende der Welt sehr aufschlussreich über die Geschehnisse in Deutschland auch mal aus internationaler Sicht zu lesen. Klar hätte ich das auch früher haben können, ich habe die internationalen Medien aber nie oder wenn, nur zufällig, genutzt, um mich über deutsche Zusammenhänge zu informieren. Und aktuell, ganz speziell im Falle einer so großen weltweiten Krise, ist es neben der deutschen Berichterstattung, mit all ihren Facetten und oftmals ermüdenden Details wie dem Unmut der Deutschen Masken zu tragen oder Massendemonstrationen gegen Corona-Maßnahmen, auch einfach mal schön zu lesen, dass Deutschland eine ganze Menge richtig gemacht zu haben scheint. Und, um nochmal auf die Wortwahl zurückzukommen, ohne Kriegsmetaphern zu wählen sondern statt dessen das Miteinander und eine gemeinsame Verantwortung in den Fokus zu stellen.

Zurück ins Neue

Aber wieder zu Japan. Was bedeutet nun die Aufhebung des Notstands für den Alltag hier? Was ist dieses ‚new normal’ in Japan?

Auf Japanisch ist es zunächst einmal korona jidai no aratana nichijō. Korona jidai bezeichnet hier die Era des Coronavirus und aratana nichijō bedeutet in etwa ‚neu jeden Tag‘.
In der Praxis heißt das erstmal, dass die Geschäfte und Kaufhäuser wieder geöffnet haben und die etablierten Social Distancing Maßnahmen beibehalten werden, also Masken tragen, Abstand halten, Hände waschen etc. Veranstaltungen werden nach und nach wieder zugelassen von wenigen Teilnehmern bis zu Großveranstaltungen, je nach Verlauf. Auch in Japan ist klar, dass es eine Rückkehr zum „Vorher“ erstmal nicht geben wird. Jede Präfektur will in einem 3-stufigen Prozess die Maßnahmen lockern, seit diesem Montag befinden wir uns in Stufe 2, in der bis auf große Entertainmenteinrichtungen oder Großveranstaltungen soweit wieder alles in Betrieb ist, wenn auch mit Einschränkungen.

Gaijin in Japan

Welche Maßnahmen richtig sind und zu welcher Zeit, sie durchgeführt werden sollten, ist sicherlich weltweit eine anspruchsvolle Entscheidung und schwer einzuschätzen und zu bewerten. Eine bestimmte Entscheidung der japanischen Regierung gibt mir als Gaijin, also Ausländer in Japan, allerdings sehr zu denken: als einziges Land der G7 verhindern die Einreisebeschränkungen Japans seit April eine Einreise von Ausländern, auch wenn sie Einwohner des Landes sind, so wie wir, oder sogar mit einem Japaner oder einer Japanerin verheiratet sind. Seit Wochen betrifft diese Regelung mehr und mehr in Japan lebende Ausländer, die aus vielen Gründen in anderen Ländern festsitzen und keine Möglichkeit haben in ihr Zuhause, in ihren Job und zu ihren Familien und Freunden zurückzukehren. Für uns heißt das: müssten wir etwa aufgrund eines Notfalls in der Familie das Land verlassen, könnten wir auf unbestimmte Zeit nicht an unseren Wohnort zurückkehren. Zwar gibt es offiziell die Möglichkeit, eine Sondererlaubnis zu beantragen, aber keine Voraussetzungen oder Garantien dafür.

Auch wenn mir bewusst ist, dass Japan mit einem sehr geringen Ausländeranteil von knapp 2% in vielen Fällen noch mit vielen Vorbehalten gegenüber Ausländern bis hin zu unverhohlenem Rassismus zu kämpfen hat, ist mir persönlich bisher nichts dergleichen begegnet. Außer den alltäglichen Blicken, die eine 1,78 Meter große, blonde Frau nunmal zwischen im Schnitt 1,70 Meter großen Japanern und 1,58 Meter großen Japanerinnen hervorruft, gibt es bisher zum Glück keine blöden Erfahrungen und das darf auch gerne so bleiben. Allerdings leben auch über 20% der Ausländer in Japan hier in Tokio und ganz besonders in Minato-ku, unserem Stadtteil, so dass wir hier nicht ganz so ungewohnt erscheinen wie im restlichen Land. Umso mehr finde ich diese von der Regierung angeordnete, klar diskriminierende Einreisebeschränkung, die in Japan lebende Ausländer in zum Teil existenzbedrohende Situationen bringt, sehr besorgniserregend.

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Endlich wieder raus, da ist Bahnfahren schon ein Erlebnis

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Glaube, der Affe braucht auch eine Maske

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Runter mit der Wolle

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Social Distancing beim Einkauf

93 Tage später

Seit Montag sind die Kinder nach 93 Tagen zu Hause wieder in der Schule. Die kleine Dame war so aufgeregt, dass sie die Wochenenden ab sofort am liebsten abschaffen wollte und senkrecht im Bett saß, sobald ich um 6.30 Uhr die Zimmertür geöffnet hatte. Der kleine Bube war noch etwas skeptisch: „Bus? Ich bleibe hier!“ Er fand es dann aber doch auch super und ist am Dienstag gleich mit Schwung Richtung Fahrrad und Bus aufgebrochen.

Aus Deutschland lese und höre ich immer wieder, wie schwer die Betreuungssituation sich für die Familien gestaltet. Noch lange nicht alle Einrichtungen sind geöffnet, viele nur teilweise und an echten Konzepten mangelt es oft noch.

Was das angeht, haben wir es mit unserer internationalen Schule sehr gut getroffen. Das gesamte Team hat sehr viel Arbeit in die Ausarbeitung eines Hygienekonzeptes gesteckt, das allen Beteiligten eine möglich sichere und gleichzeitig unbeschwerte Betreuungszeit ermöglichen soll. Die Kinder tragen ab sofort im Innenbereich Masken, dürfen aber eine Pause davon machen, wenn sie wollen. Sie spielen nicht so unmittelbar und eng miteinander wie gewohnt und erhalten beispielsweise eigene Beutel mit Stiften, Schere, Kleber etc., so dass häufig genutzte Utensilien nicht ständig hin und hergereicht werden müssen. Stündlich werden währen des Schultages die Flächen gereinigt und desinfiziert, jeden Tag erfolgt eine professionelle Komplettreinigung der Schule und Eltern können bis auf weiteres die Schule nicht betreten sondern müssen in getrennten Bereichen vor dem Gebäude warten. Bei allen Kindern wird jeden Morgen Fieber gemessen, bei einer Temperatur von mehr als 37,5 Grad Celsius können sie nicht teilnehmen.

Die Einhaltung aller Maßnahmen im normalen Schulalltag ist viel Arbeit für alle Lehrer und Mitarbeiter, die sich zusätzlich alle bereit erklärt haben, das Schuljahr um vier Wochen zu verlängern, um den Kindern jetzt noch insgesamt sechs Wochen Schulalltag zu ermöglichen.

Sofern kein Kind krank wird und sich die Situation nicht wieder verschlechtert, kann ich so vielleicht noch einen Monat meinen Intensivsprachkurs machen, Benni kann einen halben Tag ohne Gewusel arbeiten und die Kinder können endlich wieder ein Stück weit Normalität genießen und ihre Freunde sehen.

Wie lange das möglich sein wird, wird sich noch zeigen. Aktuell steigen die Infektionszahlen in Tokio wieder an, ein Grund das Warnsystem der Stadt zu aktivieren: neben einer Pressemitteilung soll die Beleuchtung der Rainbow-Bridge und des Tokyo Government Buildings in Rot alle Tokioter daran erinnern, sich an die Verhaltensrichtlinien zu halten und vorsichtig zu sein.

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Auf Käferjagd

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Das Jagdrevier

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Stadtautobahn und Straße übereinander – hier wird gestapelt, was geht

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Noch mehr Käfer?

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Der BMX Parcours für Olympia – es wäre so schön gewesen

 

Lockdown-Alltag

So. Lockdown Teil 2. Nach fast sechs Wochen Teilschließungen, wurde ab dem 8. April auch in Japan der Notstand für zunächst acht Präfekturen beschlossen, allen voran aufgrund der Infektionszahlen natürlich Tokio. Zehn Tage später wurde der State of Emergency bis zum 6. Mai auf ganz Japan ausgeweitet und jetzt noch einmal verlängert bis Ende Mai. Die jeweiligen Gesetzgebungen für einen Notstand variieren weltweit stark. In Japan bedeutet es neben der Ausweitung der Schließungen auf alle Geschäfte und Einrichtungen, die nicht unbedingt erforderlich sind, und einigen zusätzlichen Befugnissen, dass die Regierung die Bevölkerung auffordern darf, zu Hause zu bleiben. Auffordern im Sinne von dringlich darauf hinweisen. Die Befolgung dieser Aufforderung kann auch kontrolliert werden. Mehr aber auch nicht, es gibt keine rechtliche Grundlage, um die Nichteinhaltung der Aufforderung unter Strafe zu stellen.

In der Realität heißt das, dass man dennoch viele Menschen auf den Spielplätzen und in den Parks sieht, sofern sie nicht geschlossen sind. Auch viele private Kindergärten sind weiterhin geöffnet und ausgelastet. Wenn man bedenkt, dass genug Unternehmen immer noch kein Homeoffice anbieten oder es zwar anbieten, aber nicht wirklich unterstützen, ist es allerdings verständlich, dass arbeitende Eltern keine Alternativen sehen, als die geöffneten Kindergärten weiter zu nutzen.

Keine Angst vor Masken

Eine Sache, die hier in Japan sicherlich eine große Rolle sowohl für die Entwicklung der Zahlen, als auch für den Umgang mit Social Distancing spielen, ist die grundsätzliche Handhabung von Hygiene-Maßnahmen. Masken wurden hier schon lange getragen, als viele Nationen noch müde darüber gelächelt haben. Nach zehn Monaten in einem Land, in dem Masken aus Rücksicht vor anderen völlig normal sind, auch bei einer gewöhnlichen Erkältung, bin ich manchmal sprachlos, wenn ich lese, dass Menschen sich ihrer Grundrechte und jeglicher Möglichkeiten ihren Gefühlsausdruck kund zu tun beraubt fühlen, weil sie nun für eine Weile Masken tragen sollen.
Händeschütteln ist in Japan ohnehin kein Thema, man verbeugt sich freundlich zur Begrüßung. Desinfektionsmittel wurden schon vor Corona in den Eingangsbereichen vieler Restaurants und Geschäfte bereitgestellt. Und es gilt ein besonders vorsichtiger Umgang mit Schuhen. In einer üblichen japanischen Wohnung ist der Eingangsbereich extra abgesetzt, entweder durch eine Stufe oder wie bei uns durch Fliesen. In dieser Zone werden die Schuhe ausgezogen und kein Bereich der restlichen Wohnung wird jemals damit betreten. In manchen Fällen gibt es noch unterschiedliche Hausschuhe für Wohnbereiche und Toilette. All diese Gewohnheiten sind sicherlich sehr hilfreich im Kampf gegen Corona, allerdings tragen sie aktuell vielleicht auch ein Stück weit dazu bei, dass ein trügerisches Sicherheitsgefühl entsteht und Social Distancing nicht immer ganz so ernst genommen wird. Auf der anderen Seite scheint das nicht nur hier in Japan ein Problem zu sein.

Insgesamt aber fällt es in einer so großen und vor allen Dingen dicht besiedelten Stadt wie Tokio deutlich auf, wenn viele Menschen zu Hause bleiben. Es ist sehr ungewohnt die zeitweise leeren Straßen und Bahnen zu sehen, wo sonst Menschen dicht an dicht zusammen stehen und gehen. Im großen und ganzen werden die Maßnahmen also eingehalten, aber es wird sich zeigen, ob das reichen wird.

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Kaum zu glauben – leere Bahnen mitten in Tokio

Nest-Geschehen

Für uns hat gerade die elfte Woche der Schulschließungen begonnen und seit fünf Wochen haben wir täglich Online-Meetings mit den beiden Klassen der Kinder. Die Lehrer geben sich sehr viel Mühe, die Kinder zu beschäftigen und ihnen einfach wieder ein Stück Alltag mit ihren Freunden und Betreuern zu bieten. Das ist eine echte Bereicherung und macht beiden viel Spaß.

Online Learning

Kindergarten online

Unser Tagesablauf ist nun vor allem vormittags mehr oder weniger durchgetaktet. Um 9.30 Uhr, nachdem bereits gespielt, gefrühstückt und die Wohnung zum ersten Mal verwüstet wurde, findet die Session für den kleinen Buben statt, die kleine Dame ist selbstredend auch in der kleinen Gruppe voll mit dabei. Das Morgenlied wird gesungen, das Wetter diskutiert (ja, das Wetter ist schon in sehr frühen Jahren ein Thema) und dann wird je nach Wochentag eine halbe Stunde zusammen Snack-Time gemacht, getanzt und gesungen, gespielt gebastelt oder Geschichten gelauscht. Sehr beliebt war hier die Sensorik-Flasche, die die Kinder gemeinsam an ihren Bildschirmen mit Perlen, Spielzeugen, Pfeifenreinigern oder was sonst gerade greifbar und klein genug war, befüllt haben und anschließend mit Wasser auffüllen durften. Tagelang wurde danach noch geschüttelt und gestaunt.

Um 10.45 Uhr ist Session-Time mit der Gruppe der kleinen Dame. Auch hier wird gesungen, gespielt und gebastelt, aber schon die fortgeschrittene Version mit Zahlen, Buchstaben und anderen Lerninhalten. Ich bin jedes Mal begeistert, was die Gruppe schon alles aufnimmt und in Windeseile begreift. Schön, das mal live beobachten zu können, statt nur, wie sonst, Bruchstücke davon erzählt zu bekommen.

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Basteln mit der Klasse

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Schüttelspaß

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Gemeinsame Sandwich-Session

Um 11.15 Uhr beginnt die von mir eingeführte „Erik-Zeit“. Erik ist der Moderator des ZDF-Lernfernsehens PUR+, der den Kindern so lange etwas über wilde Tiere, Fallschirmspringen, Extremtauchen, Farben usw. erzählt, bis ich mal in Ruhe eine Runde Sport gemacht habe.

Steffi online

Wie so vieles im Moment, findet auch der Sport für mich dank Gymondo online statt. So hopse und springe ich über meine Matte im Schlafzimmer und einmal die Woche gibt es sogar ein ganz besonderes Highlight für mich: Steffi! Wer oder was ist Steffi? Nicht nur ist Steffi eine großartige und liebenswerte Persönlichkeit, sie ist auch die Trainerin, die ich jedem nur wünschen kann. Sie hat sich mit ihrem Programm Mami & mini auf Fitnesskurse nach der Geburt spezialisiert, zu deren Einstiegsversionen man die Babys mitbringen kann. Nach der Geburt der kleinen Dame war das ein großer Glücksfall für mich, da ich zu den üblicherweise abends angebotenen Sportprogrammen für Mamas ohne die Babys nicht teilnehmen konnte mit Bennis Arbeitsrhythmus. Seitdem habe ich mich sowohl mit der kleinen Dame als auch mit dem kleinen Buben durch so viele von Steffis Kursen wie möglich geturnt, konnte aber leider das nachfolgende Bootcamp nie nutzen, weil auch das ohne Kinder statt findet. Aaaaaaaber jetzt! Um die vielen Mamas im Lockdown abzuholen, hatte Steffi die grandiose Idee, ihre Kurse jetzt online anzubieten und so habe ich sogar aus Tokio die Möglichkeit endlich mal wieder mitzumachen. Ein dickes Danke dafür!

Nach der Sporteinheit des Tages und der danach dringend nötigen Dusche im Schnelldurchlauf ist sowas von Mittagspause angesagt. Der kleine Bube schläft selig eine ordentliche Runde, die kleine Dame ist froh, dass sie mal ungestört mit ihren Bereichen des Tablets schalten und walten darf und ich schaffe meistens noch einen schnellen Einkauf, bevor ich auf der Couch kollabiere, bevor der Nachmittag wieder mit seinem geballten Chaos Fahrt aufnimmt: „Mama, schau, wir haben eure Klamotten zum Verkleiden genommen!“, „Mama, hier ist es total nass, er [der kleine Bube] hat die Wasserflasche selbst aufbekommen – toll, oder?!“, „Ich spiele lieber in eurem Schlafzimmer, in unseren Zimmern liegt überall was auf dem Boden.“, „Mama, wir sollen doch nicht mit den Stiften an die Wand malen, oder?“…

Rausgehen ist eine Herausforderung, nicht nur, weil man hier erstmal Wege finden muss, die nicht voller anderer Eltern mit Kindern sind, denen auch die Bude auf den Kopf gestellt wird, sondern auch, weil ich jedes Mal das Gefühl habe, einen Sack Flöhe Gassi zu führen. Da werden wie wild Pflanzen gepflückt (und zu Hause liebevoll ins Wasser gestellt), Enten, Katzen, Hunde, Raupen und Käfer bestaunt, entgegengesetzte Richtungen gleichzeitig erkundet und Laufgeschwindigkeiten erheblich variiert. Von den Ampeln und dem Erlernen ihrer Grundregeln für die Zweijährigen unter uns will ich gar nicht anfangen.

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Unser Lieblingsweg

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Ein Team

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Päuschen mit Aussicht

Nach Abendessen und gefühlten Stunden des Aufräumens bleibt mir nicht mehr viel Zeit, bis ich kapituliere und selbst schlafen gehe. So viel zum Alltag im Lockdown. Auf ein Neues morgen!

Der Wahnsinn im Bild

Kunst im Vorbeigehen

Jegliche Sightseeing-Aktivität muss leider auf bessere Zeiten warten, aber ich habe wenigstens die „25 Porticos: The Color and its Reflexions“ auf Odaiba mal schnell festgehalten, ein Kunstwerk von Daniel Buren, an dem ich oft vorbeikomme. Ein klitzekleines Stückchen Tokio-Tourismus, den ich sehr vermisse.

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25 Porticos von Daniel Buren (1996)

Kitsch und Kultur

Diese Woche war ich in Souvenirlaune und habe mir allerhand Kitsch und Touristenkrams angeschaut. Erstens bin ich dabei die Adventskalender für die Kinder vorzubereiten und die werden dieses Jahr japanisch-kitschig. Zweitens fliegen wir bald nach Hause und da werden Freunde und Familie nicht ganz verschont bleiben, was schöne und schräge Mitbringsel angeht. Und drittens gibt es einfach so viele kleine und große Absurditäten und Schätze zu entdecken, dass das einfach ab und an mal sein muss.

Falsche Straße

Ich hatte von der Nakamise-dori in Asakusa gelesen. Eine Einkaufsstraße, die zwischen dem Kaminari-mon, dem so genannten Donnertor, bis zum Sensō-ji-Schrein verläuft und mit den angrenzenden Straßen als eines der ältesten Geschäfts- und Unterhaltungsviertel Japans gilt.

Kamari-mon

Kamari-mon, das Donnertor

Nakamise-dori

Tief einatmen und durch

Sensō-ji

Sensō-ji, Tokios ältester Tempel

Ich wollte touristisch, ich bekam Touristen. In Massen. Und jede Menge Stände mit überwiegend echt hässlichen Souvenirs und einer Menge an kulinarischen Mitbringseln. Mein Jagdfieber nach Souvenirs war auf den ersten Metern schon abgeklungen und ich kämpfte mich nur noch der Vollständigkeit halber und um des Schreins Willen bis zum Ende der Nakamise durch.

Praktischerweise liegt in unmittelbarer Nähe die Kappabashi-Straße, die mir ja einige Zeit zuvor sehr gut gefallen hatte. Ich brauchte ohnehin noch ein paar Kleinigkeiten aus der Küchenstadt, also passte das zur Versöhnung dann ganz gut.

Richtige Straße

Ein sehr viel besseres Ziel, obwohl es nicht, wie in Asakusa, eine echte Geschichte vorzuweisen hat, ist der Shoutengai in den Tokyo Decks auf Odaiba. Diese künstliche Einkaufsstraße soll eine Hommage an das Tokio der 60er Jahre sein und beherbergt entsprechend viel Retrokrams. Alte Spiele und Spielautomaten können ausprobiert werden, es gibt Aufführungen wie Papiertheater, man kann ein Geisterhaus besichtigen (Ja nee, ist klar!) oder sich durch die Souvenirläden wühlen. Und hier gibt es auch die Art Kitsch, die ich entweder so schräg finde, dass sie schon wieder gut ist, oder die einfach gleich voll meinen Geschmack trifft.

Shoutengai

Eingang ins Retro-Kitsch-Land Shoutengai

Socken

OH DOCH!

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Maneki-Neko in Miniatur mit Glöckchen

Roll-Ele

Bube und Dame lieben ihn hier!

Vollen Durchblick

Eine vernünftige Sache stand auch noch auf meiner To-Do-Liste: Ich brauchte eine neue Zweitbrille. Der Bube hatte meine Brille etwas zu oft in die Finger bekommen und ich hatte Angst, dass sie es nicht mehr lange macht. Und da ich ja inzwischen ohne Brille zunehmend aufgeschmissen bin, wenn ich etwas lesen will oder muss, machte mich der Gedanke etwas unruhig, zum Glück kaufen die Japaner gerne mal eine neue Brille und nicht das eine Gestell für‘s halbe Leben. So gibt es dann auch genug Geschäfte, die wirklich günstige Angebote haben. Zum Beispiel JINS. Womit sie mich dann restlos begeistert haben: ich konnte mein Gestell aussuchen, die Stärke mitteilen, den Augenabstand messen lassen und einen Matcha-Latte trinken gehen. Dann war die neue Brille fertig und abholbereit. Nix mit, wir melden uns, wenn sie fertig ist. Geht natürlich nur mit Standardgläsern, aber die habe ich praktischerweise. Eine Dreiviertelstunde und umgerechnet etwa 65€ (!) später, hatte ich meine neue Brille.

Brille

So schnell kann‘s gehen

Aber so richtig war es das noch nicht in Sachen farbenfrohe Unnötigkeiten. Es war ja nun Halloween letzte Woche und auch in Japan entkommt man dem gruseligen Spuk nicht mehr, wenn man Kinder hat. Die Halloween-Parade der Schule mit Trick-or-Treat-Ausflug im Spielpark rief. Allerdings rief sie zu Bubes Mittagsschlafzeit, so dass Benni für diese Zeit Homeoffice machte, während ich mit der kleinen Dame – ihreszeichens eine kleine Hexe – zur Schule radelte. Nach einer kleinen Country-Dancing-Aufführung im Klassenraum (urkomisch, wie da Hexen mit Pokémons oder Prinzessinnen mit Doraemons tanzten), ging es raus in den Park, wo die Treats eingesammelt werden konnten. Die kleine Dame und ich genossen ein bisschen entspannte Zweisamkeit, da ist auch Halloween recht.

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Die Parade – im Hintergrund der Gegensatz aus kleinen Wohnvierteln zwischen den großen Hochhäusern der Roppongi Hills

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Trick or Treat!

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Treat!

Den Sonntag hatten wir trotz schönsten Wetters irgendwie zu Hause verbummelt, so dass uns dann irgendwann nachmittags die Decke auf den Kopf und die Kinder auf die Nerven fielen. Also raus. Draußen wurde es schon langsam dunkel und leider machen viele Einrichtungen schon um 17.00 Uhr zu, aber es war mal wieder ein Feiertag. Tag der Kultur – wie passend zu unserer Suche nach Zerstreuung. Und an Feiertagen haben dann wiederum viele Museen etc. länger auf. So auch das Miraikan, das National Museum of Emerging Science and Innovation.

In einem futuristisch wirkenden Gebäude warten die neusten Technologien und zukunftsweisende Erkenntnisse. Für Bube und Dame noch etwas zu hoch, aber trotzdem auf ganz eigene Art und Weise interessant, wetzten wir also von einem kleinkindinteressanten Punkt zum nächsten, konnten aber im Vorbeigehen ein paar Sachen erspähen. So zum Beispiel eine große Kugelbahnanlage, die Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Tsunamis simulierte. Oder die begehbare Wohneinheit einer Raumstation, inklusive Toilette (mit Haltegriffen, Sauger für – naja – das Geschäft und Gummihandschuhen). Sehr beeindruckend und hübsch anzusehen ist vor allem die große Kugel, auf die effektvoll die sich drehende Erde projiziert wird.

Globe

Einmal um die Erde herum und unten drunter durch

Achja, und da der Feiertag auf einen Sonntag fiel, kam wieder meine sehr lieb gewonnene japanische Handhabung zum Tragen: Montag war ersatzfrei. Japan hat mir also einen Feiertag zum Geburtstag geschenkt.

どうもありがとうございます

Vielen Dank

 

 

Wasser wieder anders

Kaiser Naruhito hat in einer feierlichen Zeremonie den Thron bestiegen und nach der offiziellen Ablöse seines Vaters im Mai nun auch die traditionellen Schritte vollzogen, die sein Amt mit sich bringt. Für uns hieß das in erster Linie Zeit zu viert, denn die Thronbesteigung ist ein nationaler Feiertag. Dem Wetter war wohl nicht so zum Feiern zumute, jedenfalls gab es eine Menge Wasser von oben. Dementsprechend fielen für uns ausschweifende Outdoor-Aktivitäten flach, auf lange Fahrerei hatten wir keine Lust, also musste etwas Überdachtes in der Nähe aufgetrieben werden. Tokio wäre nicht Tokio, wenn diese Anforderungen nicht leicht zu erfüllen wären, in diesem Fall mit dem Tokyo Water and Science Museum in Kōtō.

Tokyo Water Science Museum

Wasser marsch!

Die städtischen Wasserwerke betreiben das kostenfreie Water Museum über einer lokalen Pumpstation, die ebenfalls besichtigt werden kann. Auf drei Stockwerken zeigt die Ausstellung, wo das Wasser herkommt, wie es in die Städte gelangt und welche Verwendung es dort findet.

Wir waren erst eine Stunde vor Ende der Öffnungszeiten da, hatten dafür aber das Museum fast für uns. So konnte der Bube im Film über den Wasserkreislauf, der an drei Wände und die Decke projiziert wurde, nach Herzenslust Wassertropfen hinterherrennen oder laut seine Begeisterung kund tun. Die kleine Dame war besonders beeindruckt von der Seifenstation. Hier konnte man sich auf eine Plattform stellen und mit einer Kette einen mit seifengetränktem Stoff umwickelten Ring um einen herum nach oben ziehen und so ganze Seifenwände errichten. Wir standen also quasi in einer großen Seifenblase. Auch das große Wasserbecken mit Wasserpistolen, unter dem die Kinder durchkrabbeln konnten, um in der Mitte in Glaskuppeln wieder aufzutauchen, sorgte für viel Freude.

Über das Wasser – ins Wasser

Das Wasser-Museum sollte nicht die letzte Ausstellung der Woche bleiben. Wer meinen Beitrag Von Insel zu Insel gelesen hat, der weiß schon, dass mich die digitalen, bildgewaltigen Welten des teamLab restlos begeistert haben. Im Gegensatz zu der dauerhaften Borderless-Ausstellung, die wir im August besucht haben, gibt es noch eine etwas kleinere, temporäre Version, die teamLab Planets. Mit Kindern und ein bisschen Abenteuerlust, ist die Planets nochmal besser als ihre große Schwester.

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Gleich am Eingang wird man gebeten, die Schuhe auszuziehen, seine Sachen in einen Spind zu schließen und seine Kinder an die Hand zu nehmen, bevor man sich auf den Weg in einen langen dunklen Tunnel macht. Der Sinn dieser Anweisungen erklärt sich schnell von selbst: Wasser. Wie nach einem sehr sauberen, wohltemperierten Wasserrohrbruch, ist ein Teil des Ganges knöcheltief mit Wasser gefüllt, so dass man auch den dann folgenden Aufstieg stetig im Wasser meistern muss. Im Anschluss wird man japanisch-höflich mit Handtüchern begrüßt und weiter geht‘s: in einen Raum, der komplett aus einem Kissen als Boden besteht. Ähnlich wie diese übergroßen Sitzkissen, die mit kleinen Kügelchen gefüllt sind, besteht einfach der ganze Untergrund dieses Raumes aus einem solchen Kissen, in das dann auch noch Hügel und Vertiefungen eingebracht wurden. Ich kann nicht behaupten, dass ich besonders grazil ans andere Ende gekommen bin, aber zum Glück war es hier so dunkel, dass fotografieren eh keinen Sinn machte. Ich habe mehrere Techniken ausprobiert und dachte an einer Stelle sogar, ich könnte mich einfach durchrollen. Was soll ich sagen? Konnte ich nicht. Ich habe mich genau einmal vom Bauch auf den Rücken gerollt, dann lag ich da und musste mich mühsam wieder aus der weichen Vertiefung wühlen. Bube und Dame sind weit leichtfüßiger über das Hindernis gekommen. Aber Spaß hatten wir alle.

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Bube zögert noch

Typisch teamLab folgte dann wieder was für‘s Auge. In einem riesigen Raum mit verspiegeltem Boden hingen Tausende von glitzernden Lichterschnüren, die kontinuierlich die Farben wechselten. Atemberaubend. Ehrlich wahr, einfach nur schön.

Im nächsten Abschnitt wurde ich gebeten, die kleine Dame auf den Arm zu nehmen. Sie ist 4! Kennt sich jemand mit dem Stolz und dem Altersbewusstsein einer Vierjährigen aus? Jepp. Ein entsprechend indignierter Blick traf mich auch, als ich sie brav hochnahm und ihr zuflüsterte, dass ich sie wieder runterlassen würde, wenn keiner guckt. Der Bube parkte, seit ihm die Spiegel auf dem Boden doch etwas zu unheimlich wurden, eh auf Bennis Arm. Wieder Wasser im Gang, immer mehr Wasser. Dann ein ganzer Raum kniehoch mit milchigem Wasser gefüllt, auf das Lichter und Fische projiziert wurden, die um uns herum schwammen. Nicht nur die kleine Dame wollte SOFORT runter, auch der Bube war jetzt nicht mehr zu bremsen. Keine Ahnung, wie das andere Eltern machen, unsere Kinder blieben auf gar keinen Fall auf dem Arm. Hätte ich auch nicht gemacht. Wir hatten also alle Hände voll zu tun, jeweils wenigstens einen Teil Kind an der Hand zu behalten. Die Klamotten waren verloren, aber Wechselklamotten sind immer am Start und warteten im Spind, bin ja schon eine Weile Mutter und einigermaßen lernfähig. Wer mal versuchen will, ein Kind festzuhalten, dass einen digitalen Fisch durch einen halbdunklen Raum voller Wasser jagt: teamLab Planets. Hat geklappt, hat Spaß gemacht, hält man aber nicht ewig durch.

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Auf Fischfang

Der nächste Raum war gefüllt mit riesigen Ballons, die erneut die Farben wechselten. Die kannten wir zwar schon aus der Borderless-Ausstellung, dort durfte man sie allerdings nicht anfassen. Hier konnten die Kinder sie durch die Gegend schieben und schubsen, was sie sich natürlich nicht entgehen ließen. Dem Buben schienen hier die Spiegel am Boden auch plötzlich nichts mehr auszumachen. Im letzten Raum konnten wir uns auf den Boden legen und die bunte Blumenprojektion auf allen Wänden, Decke und Boden um uns herum bestaunen. Wie betrunken torkelten wir anschließend zum Ausgang. Der erste, der uns besuchen kommt, wird hier reingeschleppt und vermutlich alle nach ihm auch.

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Katzen versus Cosplayer

Am Sonntag waren wir mal wieder in Ikebukuro, dem Viertel, in dem wir schon einmal waren, als wir den Sky Circus besucht haben. Damals war allerdings nicht Halloween-Woche… Ikebukuro ist bekannt für seine Cos-Player-Szene und bietet auch schon im Normalbetrieb die ein oder andere bunte Gestalt, aber im Moment kann man sich kaum retten vor kostümierten Massen. Nach der märchenhaften teamLab-Welt, war das dann eher alptraumartig überfüllt und anstrengend. So beschränkten wir uns auch auf die Programmpunkte, die wir vorher mal so lose angerissen hatten und retteten uns ins Nekobukuro, ein Katzencafé. Benni und ich waren ja schon vor ein paar Wochen im Mocha in Harajuku. Dort sind allerdings keine Kinder im Alter von Bube und Dame zugelassen. Im Nekobukuro schon, soweit man aufpasst, dass sie die Katzen nicht ärgern. Die Kinder waren froh, Cosplayer gegen Katzen eintauschen zu können. Wir auch.

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Ansonsten habe ich diese Woche zum ersten Mal wirklich ein Auto vermisst. Ich fahre ja sehr gerne Auto, aber fehlen tut es mir im Alltag hier nicht. Alle Wege lassen sich sehr gut zu Fuß, mit der Bahn oder dem Rad zurücklegen. Außer es regnet in Strömen. Bis zwei Kinder und ich selbst wetterfest verpackt und in die Regenabdeckungen auf dem Fahrrad gebastelt sind – die gibt es natürlich nur für Bube und Dame – vergeht eine Menge Zeit und nachmittags in Regenklamotten gewickelt mit Schirm dazu am Straßenrand zu stehen und auf den Kindergartenbus zu warten, ist auch nur so semi-gut. Reine Luxusprobleme, aber ja, in solchen Momenten fehlt mir mein Landleben mit Auto.

Regen-Ich

Singing in the rain. Nicht.

 

Der ganz normale Wahnsinn

Jetzt ist auch in Tokio so langsam der Sommer vorbei. Hagibis hat noch ein wenig Hitze hinter sich hergezogen, aber danach haben sich die Temperaturen eher so zwischen 15 und 22 Grad bewegt. Mein europäisch geeichtes internes Jahreszeitenmessgerät ist etwas besänftigt.

Wenn es nicht gerade Hunden und Katzen regnet, sind wir draußen, sonst tobt in der Wohnung das Irrenhaus. Der Bube ist in dem bezaubernden Alter angekommen, indem er einfach nur Unsinn macht. Und zwar Big Time. Letzte Woche etwa war Bake Sale im Kindergarten. Diese netten Zusammenkünfte, für die jeder etwas backt und mitbringt, das dann verkauft wird, um Geld in die Community Kasse zu bringen, mit der dann wieder andere nette Events der Kindergarteneltern organisiert werden. Und natürlich hilft auch jeder bei Aufbau, Abbau, Verkauf, Unterhaltungsprogramm etc. Ein Riesenspaß also. Nicht. Jedenfalls nicht mit einem kranken Buben, der dadurch noch motziger, als eh schon durch die Welt wackelt und jeden Backversuch zum Wettlauf gegen die Zeit werden lässt. Abgesehen davon, hatte ich erwähnt, was ein in japanischen Küchen üblicher Backofen ist? Eine Mikrowellen-Backofen-Kombination, in die ein Backblech ungefähr so groß wie ein DIN-A-4 Papier reinpasst. Anleitung natürlich komplett auf Japanisch. Yay. Achja, und die Zutaten wollen hier auch erstmal aufgetrieben sein. Und ich habe zwei Kinder in zwei Kindergartengruppen, also gleich zwei unterschiedliche Sachen zu backen.

Mein Vorlauf für den Bake Sale bestand also schonmal darin, nach Azabu-Jūban in den internationalen Supermarkt zu radeln, wo ich dann auch Backpulver etc. bekommen habe. Dann weiter, ein Handrührgerät auftreiben. Auch geschafft. Zwei Tage nach dem Bake Sale  stand dann zusätzlich noch der Kindergartenausflug an: Sweet Potatoe Digging. Also ein Ausflug raus aufs Feld, um Süßkartoffeln auszubuddeln. Dazu sollten wir Schaufeln, Handschuhe und eine Picknickdecke mitbringen. Überraschenderweise nicht unbedingt die Artikel, die ich mit in unsere Kisten aus Deutschland gepackt hatte, also musste ich auch diese noch aufspüren und erradeln. Ich war also schon so semi-begeistert von den ganzen Vorbereitungen, hatte mich aber brav für alles eintragen lassen. Meine Arbeitsschicht im Kuchenverkauf musste ich dann allerdings wieder absagen, mit verrotztem Kleinkind nicht machbar. Das Backen mit den eingeschränkten Möglichkeiten und dem Buben als zusätzliche Herausforderung war dann auch eher so nahe an der Katastrophe. Ein optisches Highlight waren die entstandenen Muffins dann auch nicht, aber die kleine Dame durfte einfach ganz viele Zuckerperlen und Schokostreusel zum Verzieren einsetzen.

Zwei gegen Eine

Die Veranstaltung an sich war tatsächlich schön gemacht, es gab Spiele für die Kinder, den Backwarenverkauf, Apfelsaft aus Flaschen mit Strohhalm und Popcorn. Bube und Dame wollten natürlich am liebsten ALLES ausprobieren, also rannte ich erstmal dem Buben mit seiner Apfelsaftflasche hinterher, der noch nicht wirklich zuverlässig den für den Saft vorgesehenen Weg Flasche-Strohhalm-Mund-Magen befolgt. Die Dame wollte ein Einhorn-Klebetattoo, der Bube zum Angelspiel am Planschbecken, die anderen Mamas Small-Talk. Gefühlt waren meine Arme und Beine in mindestens sechs Richtungen getrennt voneinander unterwegs und je ein Auge schielte nach einem Kind. Ende vom Lied war ein nasser Bube, der lieber direkt mit dem Arm bis zum Ellbogen im Planschbecken hing, als die Angeln zu benutzen, aber glücklich zwei Plastikfische und einen aufblasbaren Donald Duck als Trophäen mitnehmen durfte. Die Dame hatte ihr Einhorn auf dem Arm und das gewünschte Popcorn war zusammen mit den liebevoll in rotes Dekostroh gebetteten Cookies, die wir erstanden hatten, sicher im Fahrradkorb verschwunden für zu Hause. Ich war schweißgebadet, aber kurz der Ansicht, dass es doch irgendwie läuft. Ha-ha.

Zuhause angekommen, wurde das Popcorn verlangt, also Schüssel raus, das bepuderzuckerte Popcorn rein und den Mini-Löwen zum Fraß vorgeworfen. Kurze kostbare Zeit, um die Schuhe, Jacken und Taschen im Flur aufzuräumen. Zurück ins Wohnzimmer. Ins WEISSE Wohnzimmer! Der Bube hatte mittlerweile einfach jedes einzelne Popcorn aus der Schüssel im Raum verteilt und den Puderzucker auf den Tisch geleert. Als ich reinkam, fand ich ihn mit beiden Händen im Puderzucker bei einer Art Couchtischmassage und die kleine Dame auf dem Boden kniend, friedlich das Popcorn vom Boden essend. Atmen. Notdürftig sauber machen. Ruhig bleiben. Das geschafft, kam ich in den Flur und fand den Buben dabei vor, wie er das rote Dekostroh der Cookies, die er gefunden haben musste, überall in Flur und Schlafzimmer verteilte. Plus Kekskrümel, denn dabei wurden natürlich mit Entzücken auch die Cookies vernichtet. ATMEN. Notdürftig sauber machen. RUHIG BLEIBEN. Danach fand ich beide in Bubes Zimmer, in dem der gesamte Inhalt des Kleiderschranks verteilt worden war. Überall Hosen, Pullis, Bodys. ATMEN. MEHR ATMEN. Raum verlassen.

So geht es im Moment jeden Tag. Der Bube klettert hinter den Fernsehen und versucht, ihn umzuwerfen, sitzt auf Tischen, flutet das Bad oder wirft mit Gegenständen oder Essen. Dazwischen bekommt er entzückende kleine bis große Wutanfälle.

Das Potatoe Digging wurde dann übrigens wetterbedingt abgesagt und das Einhorn-Tattoo gefiel schon am Abend nicht mehr und sollte sofort entfernt werden. Es ist so schön, wenn sich der ganze Aufwand lohnt…

Süßkartoffel-Ersatz

Für den Ausflug auf den Kartoffelacker hatte Benni sich extra einen halben Tag frei gehalten und die kleine Dame war maßlos enttäuscht, dass sie nun nicht die neue Schaufel einsetzen konnte, also musste ein Ersatzprogramm her. Das LEGO Discovery Center, einen kleinen Spielpark in der Nähe, hatten wir bisher gemieden, da am Wochenende an jeder Attraktion lange Schlangen zu erwarten waren. Dafür sind wir noch nicht japanisch genug, noch stresst uns langes Anstehen. Aber es wird langsam besser.

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LEGO oder was es mal werden könnte

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Tokyo Tower aus Plastik

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Beladung eines Containerschiffes für Profis

Ein freier Freitagvormittag schien hingegen mehr als geeignet und wir konnten tatsächlich einfach durchmarschieren und nach Herzenslust ausprobieren, was uns gefiel. Die Kinder konnten die Entstehung eines LEGO-Steins vom Plastikpulver bis zum fertigen Klötzchen verfolgen, ihr Gewicht in LEGO-Steinen herausfinden, mit Laserpistolen auf LEGO-Männchen schießen (?!?), Karussell fahren, auf riesige LEGO-Tiere klettern und Tokio als LEGO-Modell bestaunen und zum Teil sogar steuern. Das war dann auch tatsächlich das erste Mal, dass uns hier in Tokio Godzilla begegnete, als er auf Knopfdruck hinter einem Hochhaus auftauchte. Im anschließenden Shop mussten auch wir Großen uns dann beherrschen, um nicht das eine oder andere Set mitzunehmen. LEGO ist ja aus meiner Sicht für Erwachsene schon so wie Haribo…

Auszeit

Nach einer Woche voller Kleinkind-Unsinn und Rotz- und Motzanfällen war es dann am Samstag echt mal an der Zeit für mich, das Nest alleine zu verlassen. Ich machte mich auf nach Toyosu, dem nördlichsten Ende der Yurikamome Linie, unserer Verbindung nach Odaiba, und bummelte ein bisschen durch die LaLaport-Mall an der Promenade.

Toyosu Promenade

A propos Auszeit, in Japan versteht man etwas von Wellness für zu Hause. Es gibt eine wirklich beeindruckende Auswahl an Kosmetik, Badezusätzen oder Tuchmasken fürs Gesicht. Aber nicht einfach langweilig in Weiß, hier wird auch gleich ein bisschen Unterhaltung zusätzlich geboten: die Auswahl reicht von Geisha-Gesichtern über Kabuki-Motive bis hin zu Tiergesichtern. Großartig! Kabuki ist ein traditionelles japanisches Theater aus der Edo-Zeit, indem die Darsteller Kumadori auftragen, Schminke auf weißem Untergrund, Rot für den Helden, Blau für den Schurken.

 

 

Herbstanfang

あき

Aki, das heißt Herbst. Ich kann den japanischen Herbst schreiben und aussprechen, sogar feiern kann ich ihn, denn wir hatten extra einen Feiertag für den Herbstanfang. Nur sehen und fühlen kann ich ihn so gar nicht. Es sind 29 Grad, das ist für mich immer noch Sommer, egal wie tief die Sonne steht, wann sie untergeht und wieviel Halloween-Deko auch immer zu sehen ist. Das macht mich langsam etwas griesgrämig, denn so gut ich mit der Hitze im Sommer auch klar kam und so schön er auch war, ich liebe den Herbst. Er war schon immer meine Lieblingsjahreszeit und nach gefühlt doppelt so langem Sommer, wie jemals zuvor, wäre ich dann jetzt mehr als bereit für bunte Blätter, Wind und Temperaturen wenigstens unter 20 Grad. Ich will meinen Aki! Jetzt!

Zeit zum Spielen

Bis dahin sind wir noch im Sommermodus unterwegs, schieben aber auch immer mal wieder ein paar Indoor-Aktivitäten ein. Zum Beispiel das Museum of Contemporary Art in Kōtō, wo im Moment noch die Ausstellung „Now, it‘s time to play“ läuft. Das klang nach einem kindertauglichen Museumsbesuch und wir wurden  nicht enttäuscht. Sechs Künstler haben hier in verschiedenen Stationen Spielmöglichkeiten erschaffen, die aus der Routine führen und Kreativität von Jung und Alt anregen sollen. Wir konnten an Schrankwänden hochklettern (aber bitte nur in der untersten Reihe, wir sind hier immer noch in Japan und Sicherheit ist oberstes Gebot), durch ein kleines Labyrinth laufen, mit bunten Knöpfen werfen, unsere Schatten jagen, Masken gestalten, Türme aus Wörtern bauen, einen Parcours bewältigen, Papierflieger fliegen lassen, Bilder ausmalen und auf Betten ausruhen.

Besonders viel Spaß hatten die kleine Dame und ich bei den Masken. Nachdem der Bube Bennis Hose statt seiner Maske Pink verziert hatte, zog Letzterer es vor, mit dem Sohn ins Café zu gehen. Bei Benni hat ein Kaffee immer auch beruhigende Wirkung, wie es scheint. Die kleine Dame und ich tobten uns weiter an unseren Masken aus. Es wurde gemalt, geschnitten und geklebt bis wir zwei würdige Exemplare für die riesigen Wände des Ausstellungsraums fertig hatten und diese stolz Teil des Kunstwerks werden ließen. Zeitgenössische Kunst eben.

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Die fertigen Kunstwerke

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Raum zum Austoben

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Da! Teil der Ausstellung

Buntes Treiben

Sonntag zog es uns mal wieder nach Odaiba zum Riesenrad und Shoppen in Palette Town. Diesmal war auch der Bube mit am Start für eine Fahrt im Riesenrad, die letzte Gelegenheit in Edogawa hatte er ja verschlafen. So hoben wir also zu viert ab im pastellbunten Riesenrad und schauten uns die Nachbarschaft von oben an.

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Bunt in die Höhe

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Wo ist unser Zuhause?

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Pause im Grünen

Auf Odaiba reihen sich gleich vier Einkaufszentren direkt aneinander, so dass man hier gemütlich von einer Mall zur anderen schlendern und zwischendurch immer mal ein Päuschen auf den Promenaden machen kann. Bennis Jagd auf Sneaker endete letztlich aber mit der Feststellung, dass seine Schuhgröße in Japan eher schwierig zu bekommen sein wird.

Dafür konnten wir ein paar schräge Eindrücke sammeln. Im Tierfachgeschäft. Nicht ganz das, was es bei uns ist. Zum einen kann man in Tokio mehr oder weniger an jeder Ecke Hunde kaufen. Es gibt auch immer ein paar Katzen, aber der Fokus liegt klar auf diesen plüschigen Trethupen in jeder Rasse und Farbe. Da man diese aber frei laufend weder in Geschäfte noch in die U-Bahn oder sogar in die öffentlichen Flure und Aufzüge der Wohnhäuser mitnehmen darf, gibt es eine Vielzahl an Transportboxen und Buggys zur Auswahl. Hundebuggys. Und damit nicht genug, die kleinen Schätzchen wollen ja auch modisch auf dem neusten Stand sein, zumindest scheint das die Meinung der Besitzer zu sein, denn im Tiergeschäft gibt es mehr Klamotten für Minihunde als in manchem Laden für Menschenkleidung. Oh, und essen sollen sie ja auch ganz wie die menschlichen Begleiter, also gibt es auch die Pet Cuisine – Ehrensache. Ich war schlicht sprachlos und so richtig viel fällt mir dazu immer noch nicht ein…

Alltagsaktivitäten

Für unsere Nachmittage auf Shibaura Island haben wir inzwischen unsere kleine Promenadenrunde bis ans Ende der Insel erweitert, wo wir mit Krebsen belohnt werden, die nach Herzenslust beobachtet werden können.

Die ärztliche Versorgung haben wir gestern dann auch noch erstmalig testen müssen. Der Bube war in der Wohnung ausgerutscht und gefallen. Dabei hat er sich irgendetwas am Bein oder Fuß so verletzt, dass er erstmal nicht mehr auftreten und laufen konnte. Da wird einem dann doch mal ganz anders, wenn der fast Zweijährige einen voller Angst anschaut und „Au, aua!“ wimmert. Also ab ins Taxi mit den beiden und zu einem englischsprachigen Kinderarzt in Azabu-Jūban. Bis wir dort ankamen, ging es mit dem Laufen zum Glück wieder und der Arzt gab nach der Untersuchung Entwarnung. Jetzt wissen wir wenigstens, wohin, wenn die Kinder krank sind.

 

Von Insel zu Insel

Tokio hört nicht auf, uns zu überraschen mit seiner Vielseitigkeit. Jetzt im neuen Quartier angekommen, galt es, die nähere Umgebung zu entdecken. Hätten wir noch irgendwelche Zweifel gehabt, ob wir mit der Wohnlage richtig entschieden haben, wären sie spätestens mit dem Wochenende endgültig zerstreut worden. Wir haben Odaiba entdeckt. Wie auch Shibaura eine künstliche Insel, die mit unserer durch die Rainbow Bridge verbunden ist. Darüber gelangt man neben dem Auto oder zu Fuß im übrigen mit der Yurikamome, meiner neuen Lieblingsbahn, die ich ja schon letzte Woche entdeckt hatte.

Unser erstes Ziel auf Odaiba war die teamLab Borderless Ausstellung, die schon in Deutschland auf meiner Wunschliste stand. Diese digitale Welt, geschaffen von Technikern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, will grenzenlose Übergänge zwischen Mensch und Kunstwerk, zwischen Realität und digitalem Raum schaffen und lässt den Besucher ohne definierte Wege durch die Installationen wandern.

Zum Beispiel durch Blumenwelten, die sich rings um uns herum und mit uns als Projektionsfläche ständig veränderten. Bube und Dame jagten virtuellen Fröschen hinterher, rollten leuchtende Bälle durch den dunklen Raum, die kleine Dame bewältigte einen beleuchteten Kletterparcours und entließ ein selbst gemaltes Meerestier mit einem Hightechscanner in ein raumgroße virtuelles Aquarium und sah ihm beim Schwimmen zu. Sie hatte sich hier für einen echt flotten Fisch als Vorlage entschieden, den ich regelrecht für ein Foto jagen musste.

Im Forest of Lamps ließen wir uns verzaubern von der durch Spiegel erzeugten Unendlichkeit der bunten Leuchten. Letzteres hat der Bube verpasst, die Zeit, die wir dafür anstanden, hat er für seinen Mittagsschlaf auf Bennis Arm genutzt. Insgesamt eine sehr beeindruckende Ausstellung, die ich sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.

Forest of Lamps

Aber Odaiba hat noch mehr zu bieten. Neben gleich drei Einkaufszentren, die wir mal kurz begutachteten, gibt es hier auch einen Strand. Noch eine Art, wie man Wasser im Sommer in Tokio gewinnbringend nutzen kann: ans Meer fahren. Bisschen schräg fühlt es sich an, kurz hinter der Haustür in die Bahn zu steigen und nach einer Station am Strand wieder auszusteigen. Und dann sitzt man da und schaut den Kindern zu, die vor der Skyline Tokios durchs Wasser hopsen und sich wie zwei Minischnitzel freuen. Könnte schlechter laufen.

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Blick auf unser Zuhause (noch leicht von der Brücke bedeckt ist ein Hochhaus im Bau mit Kränen auf dem Dach, zweites Haus links davon)

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Strandtag

Morgen starten wir in die letzte Phase der Anfangszeit hier. Wir lernen die Erzieher im Kindergarten kennen. Am Mittwoch geht es für den Buben und die kleine Dame los.

Wasser ist immer eine Lösung

Es ist mal wieder heiß in Tokio. Nach ein paar Regenstunden zwischendurch, die die Stadt in eine Megasauna verwandelt haben, sind wir mittlerweile wieder bei 36 Grad angekommen. Eine sehr gute Lösung ist Wasser, in einfach jeglicher Form.

Zunächst einmal natürlich zum Trinken. Dank der überall aufgestellten Getränkeautomaten ist die Flüssigkeitsversorgung immer gesichert. Wenn man mal etwas wagen möchte, empfehle ich, sich einfach irgendein interessant aussehendes Getränk auszusuchen. Meistens ist es eine Variation von ungesüßtem Tee – mal gut, mal furchtbar – hinter manchen Knöpfen verbergen sich diverse limonaden-/saftartigen Getränke, die dafür umso mehr Zucker enthalten und an jeglichem Obst vielleicht einmal von Weitem vorbei getragen wurden. Dazu sind noch isotonische Getränke und eben Wasser mit im Spiel. Es wird nie langweilig. Ein großer Nachteil der Getränkeversorgung sind allerdings die Unmengen an Plastikmüll, die sich durch die Flaschen anhäufen. Plastik ist hier generell ein Thema, das uns immer wieder entsetzt. Hier ist einfach alles in Plastik verpackt. Gerne auch doppelt. Ich habe schon Kleidung in Plastikfolie eingeschlagen in Plastiktüten über die Ladentheke gereicht bekommen. Puh.

Wasser in allen Aggregatzuständen

Eine weitere interessante tokiotische Art Wasser bei hohen Temperaturen einzusetzen, ist der kühlende Wasserdampf, der gerne in Warte- oder Aufenthaltsbereichen im Freien über die darunter wartenden oder sich aufhaltenden Personen gepustet wird. Hat was.

Was auch immer geht ist, sich einfach am Wasser aufzuhalten. Das hat neben einer leichten tatsächlichen Kühlung auch einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Effekt mitten im Großstadtsommer. An dieser Stelle viele Grüße an meine lieben Kollegen zu Hause, die den gleichen Effekt mit unserem Büro-Keramik-Deko-Schneemann erzeugen. Einen Schneemann habe ich hier nicht auftreiben können, dafür aber den Original Weihnachtsbaum des Tokyo Midtown Einkaufszentrums von 2008. Sagen wir es mal so, Weihnachtsbäume können wir besser…

Wir haben uns dafür gleich an zwei Wasserstellen gefühlt gekühlt. Zum einen am schönen Teich im Hinokicho Park, an dem man rundum an vielen Stellen auf Felsen direkt bis ans Wasser gelangt. Ging sogar mit dem Buben, der sich nicht, wie befürchtet, sofort in den Teich gestürzt hat, sondern brav auf dem Stein saß und staunte. So erfolgreich eingeführt, wurde die Methode gleich abends noch in den Roppongi Hills angewandt, wo es sich auch im Dunkeln gut kühlen und staunen lässt.

Im Dunkeln war ich dann schließlich diese Woche auch nochmal in Shibuya unterwegs. Zwar ohne Wasser, aber auch ohne Kinder. Wir brauchten noch ein paar Sachen für die neue Wohnung, ohne die man schlecht die ersten Tage übersteht, Handtücher und Kaffeemaschine im Wesentlichen. Ja, die Kaffeemaschine braucht vor allem einer von uns besonders für das tägliche Wohlbefinden. Nachdem man Benni schon diese Woche im Büro wegen Wartungsarbeiten und Feiertagswoche die Zufuhr zum Kaffee gestrichen hatte, riskiere ich lieber keinen Fehlstart im neuen Heim. Und ich nutze gerne auch jede Gelegenheit, mal kinderfrei aus dem Haus zu kommen. Shibuya ist und bleibt beeindruckend und hätte ich nicht echt schwere Tüten geschleppt, wäre ich auch noch länger geblieben. Dank Ladenöffnungszeiten bis 22.00 oder 23.00 Uhr wäre das auch kein Problem. Ein anderes Mal.

Zurück zum Wasser. Oder in unserer letzten Variante: ins Wasser. Jedenfalls für Bube und Dame. Tokio ist voll von Splash-Waterparks für Kinder. Meistens sind das kostenfreie, auf Planschbeckenhöhe gefüllte Wasserbecken, oft mit kleinen Fontänen ausgestattet. Am Samstag fanden wir einen solchen im Freizeitparkbereich der Tokyo Dome City. Wo bei uns Achterbahnen, Stadien oder große Einkaufszentren in der Regel auf der grünen Wiese errichtet werden, stehen sie hier einfach mittendrin. Gibt ja auch keine grüne Wiese.

Tokyo Dome City vereint alle drei Einrichtungen, so dass man hier shoppen, zum Baseball gehen oder mal eben eine Runde Achterbahn fahren kann. Oder die Kinder in den Splash-Park lassen kann. Nachteil für die Eltern ist hierbei leider, dass man selbst ungewässert in der Sonne nebendran steht und versucht, einem Hitzschlag zu entgehen. Das und die Tatsache, dass der Bube auch die weiteren Attraktionen nutzen wollte – Wasserrutsche oder Schaumbad – beides aber nicht durfte weil zu klein, ließen uns das Vergnügen bald auch wieder beenden. Die Altersbegrenzungen für Kinder und Sicherheitsbestimmungen im Allgemeinen sind in Japan schon seeeeeehr vorsichtig angesetzt. Mag sein, dass wir einen sehr forschen Buben am Start haben und selbst nicht besonders ängstlich sind, was seine Ambitionen und Fähigkeiten zu klettern oder zu rutschen angeht, ich bin mir aber sehr sicher, dass er unfallfrei eine hüpfburgartige Gummirutsche, die in einem Planschbecken endet, rauf und wieder runtergekommen wäre. Oder ich erinnere an die doofe Pinguin-Bootsfahrt, die die kleine Dame mit ihren 4 Jahren nicht ohne mich absolvieren durfte. Safety First. Immer und überall, wenn man sich in Japan bewegt. An jeder noch so kleinen Baustelle finden sich zum Beispiel meist zwei ältere japanische Herrschaften, bewaffnet mit einer Art Laserschwertattrappe aus Plastik, um einen lächelnd und winkend sicher an der Absperrung vorbeiführen. Oder sie stehen an Zebrastreifen, um Autos anzuhalten und Fußgänger passieren zu lassen. A-n e-i-n-e-m Z-e-b-r-a-s-t-r-e-i-f-e-n. Es ist faszinierend. Und auch irgendwie lieb, so umsorgt zu werden. Ich frage mich, wie Besucher anderer Nationen auf die vielen Sicherheitsmaßnahmen reagieren, denn im Grunde kommen wir ja auch schon aus einem sehr sicherheitsliebenden Land. Nichts gegen Japan allerdings.

Heute haben wir gleich einen zweiten Plansch-Park ausprobiert. Shinjuku Park, in dem wir schon letzte Woche den großen Spielplatz aufgetrieben hatten, hat auch einen großen Wasserbereich, der getestet werden musste. Die Kinder waren hellauf begeistert und rannten quietschend durchs Wasser. Für ungefähr eine halbe Stunde, dann wurden alle rausgeschickt. Nach intensiver Beobachtung fanden wir auch heraus, warum: der PH-Wert des Wassers wurde genommen und die drei Blätter, die sich nach wohlgemerkt einer Stunde Öffnungszeit angesammelt hatten, wurden sorgfältig rausgefischt. Hachja, es muss alles seine Ordnung haben.

Abschied von Roppongi

Der Rest des Tages war dann für eine Tätigkeit reserviert, die uns inzwischen wirklich mächtig zum Hals raushängt: Koffer packen. Zum sage und schreibe neunten Mal seit Mitte Juni haben wir unsere Habseligkeiten in diverse Taschen und Koffer gepackt, denn morgen geht es nach Shibaura. Nach neun Wochen Vagabundenleben ziehen wir endlich in unser neues Zuhause. Yay.

Bye bye Roppongi

 

Staunen und lenken

Mountain Day und neuem Buggy sei Dank, haben wir es im zweiten Anlauf tatsächlich auch INS Nature and Science Museum geschafft. Auf dem Weg dahin hat der Bube schonmal die Schlaftauglichkeit des neuen Gefährts getestet – geht scheinbar ganz hervorragend.

Aufgrund des enormen Andrangs im Museum, haben wir es für dieses Mal beim Besuch zweier Abteilungen belassen. Das ist das Schöne an unserem Aufenthaltsstatus: wir können einfach nochmal kommen und müssen nicht in kürzester Zeit mitnehmen, was geht. Für ein besseres Verständnis der Exponate und Filme, fehlte uns insgesamt oft die englische Beschriftung, aber das geht einem Touristen in Deutschland oft sicher sehr ähnlich. Immerhin haben wir die Kinder mal Museumsluft schnuppern lassen, nachdem wir uns das Schlossmuseum in Marburg ja noch verkniffen haben. Vermutlich eignen sich Tiere, Skelette, Flugzeuge etc. auch besser zum Einstieg. Es wurde jedenfalls gestaunt, gefragt, angefasst – hier muss noch an den Grundregeln eines Museumsbesuchs gearbeitet werden – und gekämpft. Letzteres um die besten Plätze an diversen Monitoren.

Wie schon vermutet, ist uns dann tatsächlich kein Berg begegnet, um dem Feiertag die verdiente Ehre zu erweisen. Der nächste Feiertag ist der Tag zur Ehrung der Alten im September, mal sehen, ob uns das besser gelingt.

Frisur mit PS

Nachdem ich mir am Samstag schon die Nägel habe machen lassen und damit schonmal einen Haken hinter „Neues Nagelstudio meines Vertrauens finden“ setzen konnte, gingen wir heute einen weiteren Punkt auf der Liste an: „Neuen Friseur für den Buben finden“. Ich bin ja immer sehr beeindruckt, wenn Eltern ihren Kindern die Haare selbst schneiden können. Und ich habe da auch schon echt super Ergebnisse gesehen. Ich lasse allerdings selbst lieber die Finger und Scheren von Bubes Frisur. Ich bin seit meiner Jahre mit roten, pinken oder schwarzen Haare echt gut im Haarefärben, aber Schneiden, nein danke. Er kann dann zu mir kommen, wenn er gerne blaue Haare hätte.

Also Friseur auftreiben. Tokio wäre nicht Tokio, wenn nicht auch hier eine Besonderheit aufzutreiben wäre. Mit Zusso Kids haben wir nicht nur einen Friseur gefunden sondern gleich einen Unterhaltungsprogrammpunkt für beide Kinder. Hier warten keine einfachen Stühle auf die kleinen Kunden sondern man nimmt in Autos Platz, die jeweils vor den Spiegeln aufgebaut sind. Der Bube hat sich zielstrebig einen Mercedes ausgesucht und erstmal wild ins Lenkrad gegriffen. Dazu gab es noch einen Mickey Mouse Film, der praktischerweise gleich beide Kinder in seinen Bann gezogen hat. Voilá, Haarschnitt gelungen.

Eventhaarschnitt

Demnächst muss ich dann noch einen Friseur für mich finden. Ich fürchte, auf die Autos werde ich dann wohl leider verzichten müssen.