Herbst in der Pipeline

Ich bin mit meiner Berichterstattung leider ordentlich ins Hintertreffen geraten und erhalte – zurecht – schon Nachrichten, was denn hier los ist. Zunächst einmal: lieben Dank für die Nachrichten, das Feedback und das Interesse an unseren Japan-Abenteuern! Ich freue mich über jede einzelne Rückmeldung sehr. Viele kleine Einblicke in unseren Alltag teile ich inzwischen auch regelmäßig auf Instagram (@simone_in_tokio) und freue mich auch hier über euch, wenn ihr Lust habt.

Mein letzter Beitrag aus dem Herbst steckte noch in der virtuellen Pipeline, daher reiche ich jetzt erst einmal diesen nach, bevor wir wieder in der winterlichen Gegenwart ankommen.

Unser Herbst hat hier in Japan mit angemessener japanischer Disziplin am 22. September mit einem Feiertag begonnen. Mit Disziplin, weil gefühlt selbst die Bäume wissen, was sich gehört und just an diesem Tag begonnen haben, die Blätter einzufärben. 
Der Herbst ist hier bis auf ein paar Regentage eine herrliche Jahreszeit. Es ist noch relativ warm, aber die Schwüle des Sommers ist verschwunden, die Luft ist klar und der Himmel oft geradezu unverschämt blau.
Unsere aktuellen Corona-Zahlen erlauben uns noch einen verhältnismäßig normalen Alltag. Anlässlich meines Geburtstags letzte Woche haben wir uns sogar ein paar Tage nach Okinawa verkrümeln können. Ein großer Luxus inmitten einer Welt, in der Reisen alles andere als selbstverständlich sind.

Okinawa ist eine japanische Präfektur mit über 150 Inseln im Ostchinesischen Meer. Miyako-jima, wo wir im Juli waren, gehört auch zu Okinawa. Diesmal ging es auf die Hauptinsel. Die Sommersaison war gerade zu Ende gegangen, so dass die großen Massen ausblieben, wir uns aber immer noch über 22-26 Grad und Sonnenschein freuen konnten. Die Insel ist wunderschön Grün, was gerade im Vergleich zu Tokio eine angenehme Abwechslung war. Nach einem Tag am Strand und im Pool durfte ein Besuch im Okinawa Churaumi Aquarium nicht fehlen. Besonders die großen Walhaie und die Riff-Mantas waren sehr beeindruckend.

Am letzten Tag hatten wir noch Zeit für eine kleine Höhlenwanderung – die erste für den kleinen Buben und die zweite für die kleine Dame (bei der ersten auf Mallorca steckte si allerdings noch als Baby in der Trage und war mäßig begeistert von der merkwürdigen Umgebung). Beide Nachwuchshöhlenforscher schritten begeistert voran und erkundeten Stalagmiten und Stalagtiten.

Jungle Love
Meine Mama hat immer gesagt, 40 sei ihr Lieblingsalter gewesen. Auf dich, Mama!

Okinawa hat übrigens kleine Wächter: die Shīsā. Sie sehen ein bisschen wie eine Kreuzung aus Löwe und Hund aus und sitzen in Pärchen an Eingängen und auf Hausdächern. Der linke Shīsā hat seinen Mund geschlossen und hält das Gute im Haus, der rechte Wächter hat seinen Mund geöffnet und vertreibt die bösen Geister.

Stadtleben

In Tokio sind wir dankbar um jede Woche, die relativ normal machbar ist. Aktuell ist auch hier eine dritte Welle deutlich zu erkennen, wir warten noch ab, ob es Änderungen geben wird.

Der Kindergarten organisiert mit viel Umsicht und Aufwand so viele Events aus den letzten Jahren wie in Zeiten von Corona noch möglich sind. Eines davon war Potatoe Digging auf einer Farm. Hier konnten die größeren Stadtkinder sich mal die Hände schmutzig machen und auf einer Süßkartoffelfarm Kartoffeln ernten. Die kleine Dame hatte einen Riesenspaß und brachte stolz ihre Beute mit nach Hause. Um sich dann plötzlich daran zu erinnern, dass sie ja eigentlich gar keine Süßkartoffeln mag. Wir haben dann Süskartoffelchips daraus gemacht, Chips gehen offenbar immer.

Halloween konnten wir in abgewandelter und reduzierter Form auch wieder feiern und da man in Japan und in der internationalen Schule umsonst nach einem Faschingsfest sucht, ist es als einzige Chance, sich zu verkleiden, sehr willkommen. So machten sich der kleine Buzz Lightyear und Jessy (beide Toy Story) völlig im Glück auf den Weg zum Spielplatz, wo es kleine Trick or Treat-Beutel gab. Und ein Schmetterling war auch dabei…

Mal wieder ein bisschen Aussicht

Nachdem wir in unserem ersten Jahr hier so ziemlich jede Aussichtsmöglichkeit genutzt haben, die wir gefunden haben, gab es erstmal eine lange Pause. Neulich war es dann aber mal wieder Zeit und wir sind mit dem Daikanransha auf Odaiba gefahren. Das bunte Riesenrad kannten wir schon, aber noch nicht im Dunkeln. Drei von uns waren hingerissen – der kleine Bube muss im letzten Jahr eine ordentliche Skepsis vor Höhen entwickelt haben (trotz Wohnung im 37. Stock). Er wäre lieber gleich wieder runter gefahren, hat aber auf Bennis Schoß und mit sparsamem Gesichtsausdruck tapfer durchgehalten.

Meine Zeit

November war ja schon immer mein liebster Monat und Herbst meine Jahreszeit. In Deutschland ist das immer schwer zu erklären mit vielen Regen- und Nebeltagen. In Tokio ist der November hingegen schlicht perfekt: fast durchweg strahlender Sonnenschein bei um die 16 Grad und klarem, blauen Himmel zusammen mit bunten Blättern. Wenn unbeschwertes Reisen irgendwann wieder möglich ist, und jemand von euch mit dem Gedanken spielt, Tokio zu besuchen (was ich ohnehin und ohne jedes Zögern dringend empfehle): kommt im November!

Ich habe den strahlend schönen Sonnenschein genutzt, um ein paar Ausflüge zu machen, die ich schon lange auf meiner Wunschliste hatte.

Die beste Aussicht, die ich beim Yoga je hatte

Lächeln und winken

Es gibt sehr viele Tempel und Schreine in Tokio, manchmal nur ganz kleine, fast unscheinbar zwischen zwei Häuser gequetscht. Einer der größeren und sehr bekannten ist der buddhistische Gōtoku-ji in Setagaya. Besser bekannt als „Maneki Neko“- oder „Winkekatzen“-Schrein, gehen verschiedene Gründungsgeschichten zurück auf die Legende der Tempelkatze Tama, die wahlweise einem Fürst das Leben gerettet hat, indem sie ihm während eines Gewitters zugewunken hat und er deshalb seine Deckung unter einem Baum rechtzeitig vor dem folgenden Blitzeinschlag verließ, oder die eine Reisegruppe einflussreicher Herrschaften durch ihr Winken zu dem Tempel brachte. In jedem Fall waren Unterstützung und Reichtum für den Tempel die Folge der Begegnung mit Tama, so dass sie heute noch als Glücksbringer verehrt wird. Auf dem wunderschönen Gelände des Gōtoku-ji sind Tausende Maneki Nekos in allen Größen aufgestellt, die Besucher mit Wünschen ausgestattet zurückgelassen haben. Ein wirklich beeindruckender Anblick.

Viele kleine Wunscherfüller an der Arbeit

Weitläufige Tempelanlage

Ein weiterer Schrein stand auch auf meiner Liste: der Nezu-jinja, der besonders für seine roten Torī vor dem Otome-Inari-jinja auf dem Gelände bekannt ist. Die meisten Bilder, die man von roten Torī in Japan sieht, stammen aus dem berühmten Fushimi Inari-taisha in Kyōto. Die des Nezu-jinja sind kleiner und nicht ganz so geläufig, aber einen Besuch mehr als wert.

Torī markieren den Übergang des Profanen zum Heiligen und stehen an vielen Eingängen zu Schreinen. Oft ist es nur ein Tor und nicht immer sind sie rot, aber ohne Frage sind sie am beeindruckendsten, wenn sie als ganzer strahlend roter Gang zum Schrein hinführen.

Otome-Inari-jinja

Pflaumenregen

So langsam fühlt sich dieses merkwürdige Zwischenstadium nach dem Lockdown und vor einem Ende der Corona-Krise halbwegs gewohnt an.

Der Schulalltag für die Kinder funktioniert sehr gut und sie genießen es, mit ihren Freunden und Lehrern zusammen zu sein und jede mögliche Minute draußen zu verbringen. Die kleine Dame geht mit ihrer Klasse jeden Tag mindestens einmal in den Park, der kleine Bube setzt mit seiner Gruppe und viel Hingabe den Innenhof der Schule mit dem Gartenschlauch unter Wasser. Und sich.
Benni arbeitet die meiste Zeit nach wie vor zu Hause, jetzt aber deutlich entspannter und ungestörter.

Und ich, ich gehe auch wieder in die Schule. Ich mache endlich meinen lange gebuchten und erwarteten Intensivsprachkurs. Vier Tage die Woche habe ich zwei Stunden Unterricht und weil es in der Klasse neben mir nur einen weiteren Wahnsinnigen gibt, haben wir quasi Privatunterricht, was wirklich effizient ist. Das und die Tatsache, dass wir jeden Tag nicht nur Hausaufgaben machen müssen sondern auch noch einen Test schreiben. Wir haben zwei Japanischlehrerinnen, eine für einen der vier Tage, die andere für die drei übrigen.
Nummer 1 ist die sehr entspannte, humorvolle Emiko-san, die in ihrem vergangenen Leben schon Tauchlehrerin auf den Fidschi-Inseln und Sprachlehrerin in der Slowakei war. Abe-san ist die Lehrerin, mit der wir am meisten Zeit verbringen und die ich nur Sensei nenne, wenn ich Benni von ihr erzähle. Sensei heißt Lehrer auf Japanisch und Abe-san hat sehr viel von meiner Vorstellung einer japanischen Lehrerin. Sie ist streng, fokussiert und überrascht gerne mit Sätzen wie „Oh, I don‘t know this comedian, I do not have a television“, „I don‘t drink!“, beides sehr energisch ausgesprochen oder „How do you manage to find your way with the trains, yesterday I had to travel to Ōsaki and I got completely lost. I come from the countryside, I get confused here.“ Dazu muss man sagen, Ōsaki ist drei Stationen von meiner Station entfernt, also super zentral und leicht zu finden. Sensei ist speziell, aber nicht auf eine negative Art. Ich lerne viel von ihr und habe sie gerne als Lehrerin, sie ist nur völlig anders als Emiko-san. Emiko ist übrigens ein Vorname und Abe ein Nachname, also schon in der Ansprache beginnen die Unterschiede.

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Schulbank

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Auch die Korrektur kann kawaii – Bärchen sagt, das habe ich gut gemacht

Naja, jedenfalls bin ich jetzt wieder Schülerin und muss echt ackern. Da ich den ersten Intensivkurs übersprungen habe, weil ich ja schon eine Weile Japanisch lerne, wird Hiragana, das erste der beiden „einfachen“ Schriftsysteme schon vorausgesetzt, gerne aber abgefragt. Zusätzlich lernen wir jetzt Katakana, also das Zeichensystem, mit dem vor allem Fremdwörter oder ausländische Namen geschrieben werden.

Ein neuer Name

Das Schöne ist, im Japanischen werden auch die Fremdwörter nicht einfach übernommen, sondern so umgelautet, dass sie zwar ausgesprochen ähnlich klingen wie das Original, aber in unsere Augen abenteuerlich geschrieben aussehen (wenn man sie in Romaji, also unser Schriftsystem, überträgt). Beispiel gefällig? Der Sky Tree, ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt, heißt スカイツリー (sukaitsurī – bitte laut aussprechen…).
Die größte Offenbarung für mich aber ist mein Name! Als ich nach Japan kam, wurde mir mein Name wie folgt aufgeschrieben: シモネ (shimone, weil es interessanterweise zwar die Laute sa, se, so und su gibt, nicht aber si, das wird automatisch zu shi). So heiße ich also schon seit elf Monaten Shimone. Man gewöhnt sich an alles. Bis Sensei mal richtig hinhörte und feststellte, dass ich meinen Namen anders ausspreche. Und, Überraschung, weil Katakana ja für fremde Wörter gemacht wurde, gibt es auch Zusatzlaute, die mit ein paar Hilfszeichen gebildet werden, so auch ein ズィ(zui = zi = ausgesprochen als unser si). Hier wird ein großes zu von einem kleinen i begleitet und damit ein neuer Laut gebildet. Ich heiße also gar nicht シモネ, ich heiße ズィモネ. Ich bin entzückt!

Pikachu gratuliert

Entzückt war auch die kleine Dame, als sie dieser Tage ihren heiß ersehnten fünften Geburtstag feiern durfte. Dank Corona gab es zwar keinen Kindergeburtstag mit ihren Freunden am Nachmittag, aber wir haben uns aus den bereits geöffneten Möglichkeiten etwas anderes ausgesucht. Nach großem Geburtstagsfrühstück und anschließendem Ehrentag im Kindergarten ging es gleich weiter nach Nihonbashi ins Pokémon-Café. In Japan sind Themen-Cafés sehr beliebt und neben Tieren in Pet-Cafés vor allen Dingen Serienfiguren gewidmet. Um Pokémon kommt man in Tokio kaum herum, so kannten die kleine Dame und der Bube Pikachu und seine Freunde gut genug, um tellergroße Augen zu bekommen beim Anblick des bunten Cafés. Wie es sich für ein echtes Themen-Café gehört, waren auch das Essen und die Getränke quietschebunt. Zur Feier des Tages durften eine Pikachu- und eine Hitokage-Tasse mit nach Hause, aus denen seitdem andächtig Tee und Kakao getrunken wird.

So sieht Social-Distancing übrigens im Pokémon-Café aus:

Social Distancing

Niedliche Platzhalter

Tsyuyu

Wir können theoretisch also wieder rausgehen. Sonne genießen und so. Ging auch kurz gut und war fantastisch, dann kam tsuyu, die Regenzeit. Etwa einen Monat lang regnet es jetzt fast jeden Tag, mehr oder weniger ununterbrochen. Und das bei Temperaturen zwischen 20 und 27 Grad, Dampfsauna pur. Letztes Jahr sind wir in den letzten Tagen der Regenzeit angekommen, ab hier kennen wir uns also quasi aus klimatisch.

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Große kleine Regenfans

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Begeisterung in Grenzen

Die Kinder sind gut ausgerüstet mit Regenjacke , Gummistiefeln und stecken auf dem Weg zum Bus trocken unter den Regenabdeckungen der Kindersitze. Ich versuche mit Regenjacke oder -poncho und Gummistiefeln, aber eben ohne Sitzabdeckung das meiste abzuhalten, was so leidlich gelingt auf dem Rad. Für eine Regenhose ist es mir dann aber wirklich zu warm, dann werde ich lieber vom Regen nass, als vom Schweiß. Das kommt noch früh genug wieder.

Durch die Massen an Menschen zu navigieren – ohnehin schon eine Herausforderung – wird durch die Regenschirmthematik auf die Spitze getrieben. Ich fühle mich bisweilen wie in einem alten Jump‘n‘Run Spiel, wenn ich den bunten Kreisen ausweiche, die vor mir oder gerne auch urplötzlich von der Seite auftauchen.

Die Kanji für Regenzeit setzen sich übrigens aus Regen und…es darf gerne geraten werden…einer Pflaume zusammen! Niemand? Wenn noch jemand daran gezweifelt hat, wie schwer die japanische Schrift inklusive der bedeutungstragenden Kanji ist, der Pflaumenregen ist ein schönes Beispiel. Klar, wenn Pflaumenzeit ist und es zusätzlich noch regnet, ist Regenzeit. Easy.

Pflaume

Pflaumenzeit

Auf Rüsselsuche

Sonntag hat Tsuyu mal eine Pause eingelegt und wir gleich mit. Wir haben das schöne Wetter genutzt, um Tokio mal kurz den Rücken zu kehren und sind ins benachbarte Yokohama gefahren.
Yokohama ist nach Einwohnerzahl die zweitgrößte Stadt Japans und Hauptstadt der Präfektur Kanagawa. Nur eine halbe Stunde Bahnfahrt entfernt und Standort der Deutschen Schule, ist es zudem ein beliebter Wohnort für Deutsche, die in Tokio oder Umgebung arbeiten.

Wir haben unseren Tag in China Town beginnen lassen, das größte Mini-China in Japan, und haben uns den Rest des Tages am Wasser rumgetrieben. Yokohama hat eine wirklich schöne Promenade. Das historische Fracht- und Passagierfest Hikawa Maru haben wir uns für den nächsten Besuch aufgehoben, da der Bube exakt davor in seinen Mittagsschlaf entschwunden ist.

Der Yamashita Park direkt an der Promenade war dann ein zu guter Platz für ein Picknick. Im Land der Konbinis ist es auch kein Hindernis, wenn man einfach nichts picknickartiges eingepackt hat: große Plane als Picknickdecke inklusive Heringe zum Festmachen für umgerechnet weniger als 3€, eine umfangreiche Auswahl an Sandwiches, Reisbällchen, Joghurts, Knabbersachen, kalten und warmen Getränken etc. – alles vorrätig für eine Pause.
Weiter am Wasser entlang sind wir bis zum Zō no hana Park gekommen. Zō ist der Elefant und hana ist die Nase, also im Wesentlichen Elefantenrüsselpark. Ursprünglich gab es an dieser Stelle des Ufers Dammkonstruktionen, die Elefantenrüsseln ähnelten, die heute allerdings nicht mehr da sind. Leider ist auch die große neuere Elefantenrüsselstatue, die wir gesucht hatten, nicht mehr da. Der Park verliert also scheinbar ganz gerne mal seine Nasen.

Nach einem Tag mit strahlendem Sonnenschein, kündigten sich im Nasenpark dann wieder die dunklen Wolken der Pflaumenzeit an, also ließen wir es für unseren ersten Yokohama-Trip dann mal gut sein.

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Reiselust

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Tor zu China

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Zuckererdbeeren

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New normal?

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Die Hikawa Maru

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Auslauf an der Promenade

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Konbini geht immer

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Doch noch ein Elefantenrüssel

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Straßenstreuner

Ich wurde neulich gefragt, wie es wohl jenseits der ausgewählten Bilder so in Tokio aussieht.

Ich habe mich schon so an die Stadt und ihr Erscheinungsbild gewöhnt, dass ich erst einmal überlegen musste, ob es so anders als in Deutschland ist. Ich empfinde es ja abseits der bunten Vierteln wie Shinjuku oder Roppongi als erfrischend normal und unaufgeregt und habe zum Abschluss mal ein paar ganz alltägliche Straßenbilder von meinen Wegen angehängt.

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Hier hält der Schulbus

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Der Tokyo Tower ist allgegenwärtig in Minato-ku

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Restaurant in Azabu-Jūban

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Gemütliche Einkaufsstraßen von Azabu

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Seitenstraße in Ginza

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Die Fußgängerampeln zeigen rote/grüne Punkte an und zählen runter bis sie die Farbe wechseln, bei z.T. sehr großen Straßen eine echte Hilfe zum Einschätzen, ob man es wohl noch schaffen könnte

Fahrrad

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Fahrradparkhaus in Azabu-Jūban, wild parken ist verboten, Räder werden abgeschleppt

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Das Rad kommt in Fahrradständer mit Schloss, die automatisch verriegeln…

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..und erst wieder entsperren, wenn am Parkautomat bezahlt wurde

Autos

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Parkraum für Autos ist knapp

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Platz zum Abbiegen auch, dafür gibt es Drehscheiben, die das Auto in die richtige Position zum Ein- und Ausfahren bringen

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Straßen werden gerne gestapelt

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Unter einem Straßenstapel

Bahn

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Ticket Gates

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Viele Bahnsteige sind sehr gut mit Absperrungen gesichert

New normal auf Japanisch

Die japanische Regierung hat letzte Woche Montag kinkū jitai sengen no kaijo bekannt gegeben, die offizielle Aufhebung des Notstands, dann auch für die letzten verbleibenden Präfekturen inklusive Tokio.

Wie andere Länder auch, zieht Japan anlässlich der Lockerungen Bilanz: 17.000 registrierte Fälle von Infektionen und 850 Todesfälle. Es ist kein Geheimnis, dass ungeachtet zahlreicher Empfehlungen und Warnungen japanischer und internationaler Experten vergleichsweise wenige Tests durchgeführt wurden und werden. Wie aussagekräftig also die erste Zahl ist, sei dahingestellt. Allerdings spricht die im weltweiten Vergleich geringe Zahl an Todesfällen sehr dafür, dass Japan entweder sehr viel Glück hatte oder sehr viel richtig gemacht hat hat. Oder beides.

Als einflussreiche Faktoren für diese Entwicklung werden immer wieder das Gesundheitssystem, die effektive Lokalisierung von Clustern im Anfangszeitraum und die allgemeine Neigung der Japaner zu einem gesunden Lebensstil genannt.
Die Maßnahmen des Lockdowns waren zwar nicht gesetzlich bindend, haben aber dennoch zu einem deutlichen Rückgang der Besucherströme in Restaurants, Cafés, öffentlichen Anlagen, Büros und in der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs geführt. Auch, was die unkomplizierte und bereitwillige Nutzung von Masken angeht, sind sich immer mehr Experten einig, dass dieser Umstand Japan im Kampf gegen Corona bisher sehr geholfen hat.

Die japanische Regierung hat sich zur Bewertung vor Aufhebung des Notstands für ein 3-Kriterien-System entschieden, dass die einzelnen Präfekturen erfüllen mussten: ein Verhältnis von Neuinfektionen pro Woche von weniger als 0,5 pro 100.000 Personen, die Stabilität des Gesundheitssystems unter Einbeziehung von verfügbaren Krankenhausbetten und Anzahl der Personen mit schweren Symptomen sowie die Fähigkeit Infektionen zu überwachen, z.B. durch Testverfahren.
„The Japanese model has demonstrated its strenght“, fasst Premieminister Abe zusammen.

Übrigens eine völlig andere Wortwahl, als die von Jens Spahn in einem Artikel in der Japan Times: „[…] it makes us humble, rather than overconfident“ sagt er in Bezug auf Deutschlands Sicht auf den – von der internationalen Presse wiederholt gelobten – Umgang mit dem Virus.

International Media

Blick von außen

Mal ganz abgesehen von der Corona-Krise ist es für mich hier am anderen Ende der Welt sehr aufschlussreich über die Geschehnisse in Deutschland auch mal aus internationaler Sicht zu lesen. Klar hätte ich das auch früher haben können, ich habe die internationalen Medien aber nie oder wenn, nur zufällig, genutzt, um mich über deutsche Zusammenhänge zu informieren. Und aktuell, ganz speziell im Falle einer so großen weltweiten Krise, ist es neben der deutschen Berichterstattung, mit all ihren Facetten und oftmals ermüdenden Details wie dem Unmut der Deutschen Masken zu tragen oder Massendemonstrationen gegen Corona-Maßnahmen, auch einfach mal schön zu lesen, dass Deutschland eine ganze Menge richtig gemacht zu haben scheint. Und, um nochmal auf die Wortwahl zurückzukommen, ohne Kriegsmetaphern zu wählen sondern statt dessen das Miteinander und eine gemeinsame Verantwortung in den Fokus zu stellen.

Zurück ins Neue

Aber wieder zu Japan. Was bedeutet nun die Aufhebung des Notstands für den Alltag hier? Was ist dieses ‚new normal’ in Japan?

Auf Japanisch ist es zunächst einmal korona jidai no aratana nichijō. Korona jidai bezeichnet hier die Era des Coronavirus und aratana nichijō bedeutet in etwa ‚neu jeden Tag‘.
In der Praxis heißt das erstmal, dass die Geschäfte und Kaufhäuser wieder geöffnet haben und die etablierten Social Distancing Maßnahmen beibehalten werden, also Masken tragen, Abstand halten, Hände waschen etc. Veranstaltungen werden nach und nach wieder zugelassen von wenigen Teilnehmern bis zu Großveranstaltungen, je nach Verlauf. Auch in Japan ist klar, dass es eine Rückkehr zum „Vorher“ erstmal nicht geben wird. Jede Präfektur will in einem 3-stufigen Prozess die Maßnahmen lockern, seit diesem Montag befinden wir uns in Stufe 2, in der bis auf große Entertainmenteinrichtungen oder Großveranstaltungen soweit wieder alles in Betrieb ist, wenn auch mit Einschränkungen.

Gaijin in Japan

Welche Maßnahmen richtig sind und zu welcher Zeit, sie durchgeführt werden sollten, ist sicherlich weltweit eine anspruchsvolle Entscheidung und schwer einzuschätzen und zu bewerten. Eine bestimmte Entscheidung der japanischen Regierung gibt mir als Gaijin, also Ausländer in Japan, allerdings sehr zu denken: als einziges Land der G7 verhindern die Einreisebeschränkungen Japans seit April eine Einreise von Ausländern, auch wenn sie Einwohner des Landes sind, so wie wir, oder sogar mit einem Japaner oder einer Japanerin verheiratet sind. Seit Wochen betrifft diese Regelung mehr und mehr in Japan lebende Ausländer, die aus vielen Gründen in anderen Ländern festsitzen und keine Möglichkeit haben in ihr Zuhause, in ihren Job und zu ihren Familien und Freunden zurückzukehren. Für uns heißt das: müssten wir etwa aufgrund eines Notfalls in der Familie das Land verlassen, könnten wir auf unbestimmte Zeit nicht an unseren Wohnort zurückkehren. Zwar gibt es offiziell die Möglichkeit, eine Sondererlaubnis zu beantragen, aber keine Voraussetzungen oder Garantien dafür.

Auch wenn mir bewusst ist, dass Japan mit einem sehr geringen Ausländeranteil von knapp 2% in vielen Fällen noch mit vielen Vorbehalten gegenüber Ausländern bis hin zu unverhohlenem Rassismus zu kämpfen hat, ist mir persönlich bisher nichts dergleichen begegnet. Außer den alltäglichen Blicken, die eine 1,78 Meter große, blonde Frau nunmal zwischen im Schnitt 1,70 Meter großen Japanern und 1,58 Meter großen Japanerinnen hervorruft, gibt es bisher zum Glück keine blöden Erfahrungen und das darf auch gerne so bleiben. Allerdings leben auch über 20% der Ausländer in Japan hier in Tokio und ganz besonders in Minato-ku, unserem Stadtteil, so dass wir hier nicht ganz so ungewohnt erscheinen wie im restlichen Land. Umso mehr finde ich diese von der Regierung angeordnete, klar diskriminierende Einreisebeschränkung, die in Japan lebende Ausländer in zum Teil existenzbedrohende Situationen bringt, sehr besorgniserregend.

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Endlich wieder raus, da ist Bahnfahren schon ein Erlebnis

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Glaube, der Affe braucht auch eine Maske

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Runter mit der Wolle

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Social Distancing beim Einkauf

93 Tage später

Seit Montag sind die Kinder nach 93 Tagen zu Hause wieder in der Schule. Die kleine Dame war so aufgeregt, dass sie die Wochenenden ab sofort am liebsten abschaffen wollte und senkrecht im Bett saß, sobald ich um 6.30 Uhr die Zimmertür geöffnet hatte. Der kleine Bube war noch etwas skeptisch: „Bus? Ich bleibe hier!“ Er fand es dann aber doch auch super und ist am Dienstag gleich mit Schwung Richtung Fahrrad und Bus aufgebrochen.

Aus Deutschland lese und höre ich immer wieder, wie schwer die Betreuungssituation sich für die Familien gestaltet. Noch lange nicht alle Einrichtungen sind geöffnet, viele nur teilweise und an echten Konzepten mangelt es oft noch.

Was das angeht, haben wir es mit unserer internationalen Schule sehr gut getroffen. Das gesamte Team hat sehr viel Arbeit in die Ausarbeitung eines Hygienekonzeptes gesteckt, das allen Beteiligten eine möglich sichere und gleichzeitig unbeschwerte Betreuungszeit ermöglichen soll. Die Kinder tragen ab sofort im Innenbereich Masken, dürfen aber eine Pause davon machen, wenn sie wollen. Sie spielen nicht so unmittelbar und eng miteinander wie gewohnt und erhalten beispielsweise eigene Beutel mit Stiften, Schere, Kleber etc., so dass häufig genutzte Utensilien nicht ständig hin und hergereicht werden müssen. Stündlich werden währen des Schultages die Flächen gereinigt und desinfiziert, jeden Tag erfolgt eine professionelle Komplettreinigung der Schule und Eltern können bis auf weiteres die Schule nicht betreten sondern müssen in getrennten Bereichen vor dem Gebäude warten. Bei allen Kindern wird jeden Morgen Fieber gemessen, bei einer Temperatur von mehr als 37,5 Grad Celsius können sie nicht teilnehmen.

Die Einhaltung aller Maßnahmen im normalen Schulalltag ist viel Arbeit für alle Lehrer und Mitarbeiter, die sich zusätzlich alle bereit erklärt haben, das Schuljahr um vier Wochen zu verlängern, um den Kindern jetzt noch insgesamt sechs Wochen Schulalltag zu ermöglichen.

Sofern kein Kind krank wird und sich die Situation nicht wieder verschlechtert, kann ich so vielleicht noch einen Monat meinen Intensivsprachkurs machen, Benni kann einen halben Tag ohne Gewusel arbeiten und die Kinder können endlich wieder ein Stück weit Normalität genießen und ihre Freunde sehen.

Wie lange das möglich sein wird, wird sich noch zeigen. Aktuell steigen die Infektionszahlen in Tokio wieder an, ein Grund das Warnsystem der Stadt zu aktivieren: neben einer Pressemitteilung soll die Beleuchtung der Rainbow-Bridge und des Tokyo Government Buildings in Rot alle Tokioter daran erinnern, sich an die Verhaltensrichtlinien zu halten und vorsichtig zu sein.

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Auf Käferjagd

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Das Jagdrevier

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Stadtautobahn und Straße übereinander – hier wird gestapelt, was geht

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Noch mehr Käfer?

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Der BMX Parcours für Olympia – es wäre so schön gewesen

 

Lockdown-Alltag

So. Lockdown Teil 2. Nach fast sechs Wochen Teilschließungen, wurde ab dem 8. April auch in Japan der Notstand für zunächst acht Präfekturen beschlossen, allen voran aufgrund der Infektionszahlen natürlich Tokio. Zehn Tage später wurde der State of Emergency bis zum 6. Mai auf ganz Japan ausgeweitet und jetzt noch einmal verlängert bis Ende Mai. Die jeweiligen Gesetzgebungen für einen Notstand variieren weltweit stark. In Japan bedeutet es neben der Ausweitung der Schließungen auf alle Geschäfte und Einrichtungen, die nicht unbedingt erforderlich sind, und einigen zusätzlichen Befugnissen, dass die Regierung die Bevölkerung auffordern darf, zu Hause zu bleiben. Auffordern im Sinne von dringlich darauf hinweisen. Die Befolgung dieser Aufforderung kann auch kontrolliert werden. Mehr aber auch nicht, es gibt keine rechtliche Grundlage, um die Nichteinhaltung der Aufforderung unter Strafe zu stellen.

In der Realität heißt das, dass man dennoch viele Menschen auf den Spielplätzen und in den Parks sieht, sofern sie nicht geschlossen sind. Auch viele private Kindergärten sind weiterhin geöffnet und ausgelastet. Wenn man bedenkt, dass genug Unternehmen immer noch kein Homeoffice anbieten oder es zwar anbieten, aber nicht wirklich unterstützen, ist es allerdings verständlich, dass arbeitende Eltern keine Alternativen sehen, als die geöffneten Kindergärten weiter zu nutzen.

Keine Angst vor Masken

Eine Sache, die hier in Japan sicherlich eine große Rolle sowohl für die Entwicklung der Zahlen, als auch für den Umgang mit Social Distancing spielen, ist die grundsätzliche Handhabung von Hygiene-Maßnahmen. Masken wurden hier schon lange getragen, als viele Nationen noch müde darüber gelächelt haben. Nach zehn Monaten in einem Land, in dem Masken aus Rücksicht vor anderen völlig normal sind, auch bei einer gewöhnlichen Erkältung, bin ich manchmal sprachlos, wenn ich lese, dass Menschen sich ihrer Grundrechte und jeglicher Möglichkeiten ihren Gefühlsausdruck kund zu tun beraubt fühlen, weil sie nun für eine Weile Masken tragen sollen.
Händeschütteln ist in Japan ohnehin kein Thema, man verbeugt sich freundlich zur Begrüßung. Desinfektionsmittel wurden schon vor Corona in den Eingangsbereichen vieler Restaurants und Geschäfte bereitgestellt. Und es gilt ein besonders vorsichtiger Umgang mit Schuhen. In einer üblichen japanischen Wohnung ist der Eingangsbereich extra abgesetzt, entweder durch eine Stufe oder wie bei uns durch Fliesen. In dieser Zone werden die Schuhe ausgezogen und kein Bereich der restlichen Wohnung wird jemals damit betreten. In manchen Fällen gibt es noch unterschiedliche Hausschuhe für Wohnbereiche und Toilette. All diese Gewohnheiten sind sicherlich sehr hilfreich im Kampf gegen Corona, allerdings tragen sie aktuell vielleicht auch ein Stück weit dazu bei, dass ein trügerisches Sicherheitsgefühl entsteht und Social Distancing nicht immer ganz so ernst genommen wird. Auf der anderen Seite scheint das nicht nur hier in Japan ein Problem zu sein.

Insgesamt aber fällt es in einer so großen und vor allen Dingen dicht besiedelten Stadt wie Tokio deutlich auf, wenn viele Menschen zu Hause bleiben. Es ist sehr ungewohnt die zeitweise leeren Straßen und Bahnen zu sehen, wo sonst Menschen dicht an dicht zusammen stehen und gehen. Im großen und ganzen werden die Maßnahmen also eingehalten, aber es wird sich zeigen, ob das reichen wird.

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Kaum zu glauben – leere Bahnen mitten in Tokio

Nest-Geschehen

Für uns hat gerade die elfte Woche der Schulschließungen begonnen und seit fünf Wochen haben wir täglich Online-Meetings mit den beiden Klassen der Kinder. Die Lehrer geben sich sehr viel Mühe, die Kinder zu beschäftigen und ihnen einfach wieder ein Stück Alltag mit ihren Freunden und Betreuern zu bieten. Das ist eine echte Bereicherung und macht beiden viel Spaß.

Online Learning

Kindergarten online

Unser Tagesablauf ist nun vor allem vormittags mehr oder weniger durchgetaktet. Um 9.30 Uhr, nachdem bereits gespielt, gefrühstückt und die Wohnung zum ersten Mal verwüstet wurde, findet die Session für den kleinen Buben statt, die kleine Dame ist selbstredend auch in der kleinen Gruppe voll mit dabei. Das Morgenlied wird gesungen, das Wetter diskutiert (ja, das Wetter ist schon in sehr frühen Jahren ein Thema) und dann wird je nach Wochentag eine halbe Stunde zusammen Snack-Time gemacht, getanzt und gesungen, gespielt gebastelt oder Geschichten gelauscht. Sehr beliebt war hier die Sensorik-Flasche, die die Kinder gemeinsam an ihren Bildschirmen mit Perlen, Spielzeugen, Pfeifenreinigern oder was sonst gerade greifbar und klein genug war, befüllt haben und anschließend mit Wasser auffüllen durften. Tagelang wurde danach noch geschüttelt und gestaunt.

Um 10.45 Uhr ist Session-Time mit der Gruppe der kleinen Dame. Auch hier wird gesungen, gespielt und gebastelt, aber schon die fortgeschrittene Version mit Zahlen, Buchstaben und anderen Lerninhalten. Ich bin jedes Mal begeistert, was die Gruppe schon alles aufnimmt und in Windeseile begreift. Schön, das mal live beobachten zu können, statt nur, wie sonst, Bruchstücke davon erzählt zu bekommen.

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Basteln mit der Klasse

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Schüttelspaß

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Gemeinsame Sandwich-Session

Um 11.15 Uhr beginnt die von mir eingeführte „Erik-Zeit“. Erik ist der Moderator des ZDF-Lernfernsehens PUR+, der den Kindern so lange etwas über wilde Tiere, Fallschirmspringen, Extremtauchen, Farben usw. erzählt, bis ich mal in Ruhe eine Runde Sport gemacht habe.

Steffi online

Wie so vieles im Moment, findet auch der Sport für mich dank Gymondo online statt. So hopse und springe ich über meine Matte im Schlafzimmer und einmal die Woche gibt es sogar ein ganz besonderes Highlight für mich: Steffi! Wer oder was ist Steffi? Nicht nur ist Steffi eine großartige und liebenswerte Persönlichkeit, sie ist auch die Trainerin, die ich jedem nur wünschen kann. Sie hat sich mit ihrem Programm Mami & mini auf Fitnesskurse nach der Geburt spezialisiert, zu deren Einstiegsversionen man die Babys mitbringen kann. Nach der Geburt der kleinen Dame war das ein großer Glücksfall für mich, da ich zu den üblicherweise abends angebotenen Sportprogrammen für Mamas ohne die Babys nicht teilnehmen konnte mit Bennis Arbeitsrhythmus. Seitdem habe ich mich sowohl mit der kleinen Dame als auch mit dem kleinen Buben durch so viele von Steffis Kursen wie möglich geturnt, konnte aber leider das nachfolgende Bootcamp nie nutzen, weil auch das ohne Kinder statt findet. Aaaaaaaber jetzt! Um die vielen Mamas im Lockdown abzuholen, hatte Steffi die grandiose Idee, ihre Kurse jetzt online anzubieten und so habe ich sogar aus Tokio die Möglichkeit endlich mal wieder mitzumachen. Ein dickes Danke dafür!

Nach der Sporteinheit des Tages und der danach dringend nötigen Dusche im Schnelldurchlauf ist sowas von Mittagspause angesagt. Der kleine Bube schläft selig eine ordentliche Runde, die kleine Dame ist froh, dass sie mal ungestört mit ihren Bereichen des Tablets schalten und walten darf und ich schaffe meistens noch einen schnellen Einkauf, bevor ich auf der Couch kollabiere, bevor der Nachmittag wieder mit seinem geballten Chaos Fahrt aufnimmt: „Mama, schau, wir haben eure Klamotten zum Verkleiden genommen!“, „Mama, hier ist es total nass, er [der kleine Bube] hat die Wasserflasche selbst aufbekommen – toll, oder?!“, „Ich spiele lieber in eurem Schlafzimmer, in unseren Zimmern liegt überall was auf dem Boden.“, „Mama, wir sollen doch nicht mit den Stiften an die Wand malen, oder?“…

Rausgehen ist eine Herausforderung, nicht nur, weil man hier erstmal Wege finden muss, die nicht voller anderer Eltern mit Kindern sind, denen auch die Bude auf den Kopf gestellt wird, sondern auch, weil ich jedes Mal das Gefühl habe, einen Sack Flöhe Gassi zu führen. Da werden wie wild Pflanzen gepflückt (und zu Hause liebevoll ins Wasser gestellt), Enten, Katzen, Hunde, Raupen und Käfer bestaunt, entgegengesetzte Richtungen gleichzeitig erkundet und Laufgeschwindigkeiten erheblich variiert. Von den Ampeln und dem Erlernen ihrer Grundregeln für die Zweijährigen unter uns will ich gar nicht anfangen.

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Unser Lieblingsweg

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Ein Team

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Päuschen mit Aussicht

Nach Abendessen und gefühlten Stunden des Aufräumens bleibt mir nicht mehr viel Zeit, bis ich kapituliere und selbst schlafen gehe. So viel zum Alltag im Lockdown. Auf ein Neues morgen!

Der Wahnsinn im Bild

Kunst im Vorbeigehen

Jegliche Sightseeing-Aktivität muss leider auf bessere Zeiten warten, aber ich habe wenigstens die „25 Porticos: The Color and its Reflexions“ auf Odaiba mal schnell festgehalten, ein Kunstwerk von Daniel Buren, an dem ich oft vorbeikomme. Ein klitzekleines Stückchen Tokio-Tourismus, den ich sehr vermisse.

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25 Porticos von Daniel Buren (1996)

Nachholbedarf

So. Ich bin so lange nicht zum Schreiben gekommen, dass ich wohl offiziell sagen kann: ich bin angekommen. Angekommen im ganz normalen Alltag in Tokio. Meine Vormittage sind mit Erkundungstouren, Einkäufen, Hausarbeit, Kursen und ab und zu inzwischen sogar mit Treffen mit einer anderen Mama gefüllt. Nächsten Monat mache ich dann noch einen Intensivsprachkurs 4 Tage die Woche, da wird es morgens noch voller. Meine Nachmittage gehören meinen unerschrockenen Nachwuchsexpats. Wenn dann ab 20.30 Uhr wieder Ruhe einkehrt, schaffe ich meistens noch etwa 10% von den geplanten Tätigkeiten, dann ist Schicht im Schacht. Nicht, dass das in Deutschland anders war. Ganz normaler Alltagswahnsinn in immer gewohnterer Umgebung also.

Was aber hatte besagte Umgebung in den letzten Wochen so zu bieten für uns? Nach einem wirklich schönen Weihnachtsurlaub in Deutschland, sind wir am 31.12. nachmittags wieder in Tokio gelandet. Nach einem Einkauf und dem üblichen Auspack-Wahnsinn wurde noch ausgiebig mit allen Weihnachtsgeschenken aus Deutschland gespielt, die endlich alle aus ihren diversen Taschen und Koffern befreit waren und voll und ganz zur Verfügung standen. Wer jetzt glaubt, es gab dann noch das große Silvesterfeuerwerk wenigstens für die größeren Familienmitglieder – keine Chance. Aus gleich zwei sehr entscheidenden Gründen. Nummer 1: Wir haben tief und fest geschlafen. Nummer 2: In Japan gibt es üblicherweise kein Silvesterfeuerwerk. Es wird im Gegenteil eher ruhig im Kreis der Familie gefeiert und das Neue Jahr wird am nächsten Tag mit dem Besuch eines Schreins begrüßt. Den Teil mit der Ruhe und der Familie haben wir also tadellos japanisch gemeistert. Die letzten freien Tage haben wir den Jetlag von der Leine gelassen und es außer einem Abend zu zweit in Ginza und einem Ausflug nach Odaiba alle zusammen seeeehr langsam angehen lassen. Frohes Neues Jahr der Ratte!

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Die Rainbow-Bridge hat sich hübsch gemacht für unsere Rückkehr

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Kunst von Klaus Haapaniemi in einem von Ginzas Einkaufstentren

Spielerischer Auftakt

Wieder halbwegs in den normalen Wochenablauf gestartet, haben wir uns als erstes neues Ausflugsziel des Jahres das Spielzeugmuseum In Shinjuku ausgesucht. Anders als im Spielzeugmuseum in München, darf hier allerdings nach Herzenslust mit allen Exponaten gespielt werden. Lernspielzeug, traditionelles japanisches Spielzeug, Holzspielzeug, Musikinstrumente, Motorikspielzeug, es gab viel zu entdecken.

Schnitzeljagd durch Tokio

Kommen wir zu einer sehr kreativen Idee der U-Bahngesellschaft Tokyo Metro – Achtung, wir betreten ein wenig Nerd-Land! Wer kennt Escape-Games? Räume, in denen mehrere Spieler versuchen Rätsel zu lösen, Codes und Schlösser zu knacken und mit ganz unterschiedlichen Rahmenhandlungen kleine Geschichten durchzuspielen, die alle am Ende dazu führen sollen, den Raum als Sieger wieder verlassen zu können. Liebt man oder hasst man, schätze ich. Ich finde sie großartig. Ich mag schon die Brettspielvariante für zu Hause, aber die echten Spiele umso mehr. Benni und ich haben uns letztes Jahr schon durch Frankfurts, Dubrovniks und Wiens Escape Rooms gepuzzelt, was das Zeug hält. Da es aber nicht wirklich eine kleinkindtaugliche Freizeitbeschäftigung ist, kommen wir nicht so oft dazu. Hier in Tokio haben wir noch nicht mal danach gesucht bisher.

Nun habe ich aber dank Tokyo Metro einen unterhaltsamen Ersatz gefunden: the Underground Mysteries (jetzt bitte Trommelwirbel vorstellen). Jedes Jahr im Herbst erscheint eine neue Ausgabe des Live-Rätsels. Man kauft sich an einer der Stationen ein Spieleset und erhält ein Täschchen mit Heft, Stift und mehreren Umschlägen oder anderen Gegenständen, die man noch nicht näher untersuchen darf. Dann geht es los: das Heft leitet durch das Spiel, das einen zu verschiedenen Bahn-Stationen der Tokyo Metro führt, welche man vorher jeweils erst errätseln muss. Dann muss man ein oder meist mehrere Rätsel an dem erratenen Ort lösen und weiter geht’s. Es ist also eine Mischung aus Schnitzeljagd und Escape-Game. So bin ich schon durch Kōtō gestreunert, um Bildern auf dem Bürgersteig zu folgen. Oder mysteriösen Handabdrücken in Hibiya auf den Grund gegangen. Zur jeweiligen Station gibt es dann noch Tipps und Informationen zur Umgebung wie zu Museen, Cafés, Restaurants, Parks etc., die es sich lohnt anzusehen. So führt einen das Spiel durch Tokyo und konzentriert sich dabei auf die nicht so bekannten Seiten der Stadt, die man damit auch mal kennen lernt. Unterwegs habe ich schon viele andere Rätsellöser mit dem Heft in der Hand gesehen, es scheint sowohl Tokiotern als auch Touristen gleichermaßen Spaß zu machen.

Leider werde ich das Spiel diese Saison nicht mehr abschließen können, da es Ende Februar beendet wird und inklusive der ganzen Bahnstrecken wirklich Zeit kostet. Nächstes Mal fange ich gleich im Oktober damit an.

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Rätselmaterialien

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Auf Bildersuche

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Handabdrücken auf der Spur (Denkt noch jemand an Han Solo?!)

Roboterkarneval

Neben Pet-Cafés, psychedelisch bunten Einkaufsstraßen oder Monster-Café ist auch das Robot Restaurant in Shinjuku ein beliebtes Ziel für Touristen und ein weiteres Beispiel für abgedrehtes japanisches Unterhaltungsprogramm. Es war ohnehin mal wieder an der Zeit für ein bisschen Irrsinn, da traf es sich ganz gut, dass Bennis Chef zu einem Teamevent mit Anhang einlud: Besuch des Robot Restaurants mit anschließendem Abendessem in einem Shabu-Shabu Restaurant. Wer sich jetzt fragt, wieso es zwei Restaurants hintereinander sein müssen, dem sei versichert, dass das Robot Restaurant streng genommen weder mit Robotern noch mit einem Restaurant viel gemeinsam hat. Man kann zwar ein paar fragwürdige Chickenteile oder Popcorn ordern und jede Menge zum Großteil ferngesteuerte Maschinen bewundern, das war es aber auch mit dem kulinarischen oder roboterartigen Anteil. Dafür wird eine völlig abgedrehte 90-minütige Show geboten, die mich abwechselnd amüsiert und befremdet hat und insgesamt etwas ratlos zusehen ließ. Auf riesigen fahrbaren Aufbauten tanzen und bekämpfen sich Helden und Unholde in einem großen Spektakel aus Musik, Lasershow und Schauspielkunst. Ein bisschen wie eine Mischungs aus Karnevalsumzug und skurrilem Theater. Helau!

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Danach ging es dann wie geplant noch zum Essen. Shabu-Shabu ähnelt unserem Fondue. Sehr dünn geschnittenes Fleisch und Gemüse wird am Tisch in kochendem Sud gegart und anschließend in Soße gedipt. Sehr lecker und ein schöner Abschluss des Abends.

Raus aus Tokio

Im Februar durften wir auch mit Adrian unseren ersten Gast in Tokio willkommen heißen. Adrian und ich kennen uns schon seit dem Kindergarten (also inzwischen erschreckend lang) und ich habe mich sehr über seinen Besuch gefreut. Vieles habe ich mit ihm noch ein zweites Mal gesehen, aber es bot sich so auch an, Tokio mal hinter uns zu lassen und etwas Neues zu machen.

Kamakura ist nur etwa eine Stunde mit dem Zug entfernt von Tokio und war vom 12. bis 14. Jahrhundert Regierungssitz Japans. Von den vielen vorhandenen Sehenswürdigkeiten haben wir uns vor allem die Tempel Hōkuku-ji und Kōtoku-in ausgesucht. Ersterer ist bekannt für seinen wunderschön angelegten Bambuswald, der Kōtoku-in für seinen Daibutsu, einen riesigen, über 13 Meter hohen bronzenen Buddha aus dem 13. Jahrhundert. Kamakura ist ein willkommener Kontrast zu Tokio und auf jeden Fall einen Besuch wert.

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Bambuswald des Hōkoku-ji

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Daibutsu

Neue Perspektive

Mit Adrian war ich auch noch einmal auf dem Tokyo Tower, der bei gutem Wetter aber immer etwas hermacht, auch wenn er mittlerweile so etwas wie der alte Herr der Aussichtspunkte ist. Was ich noch nicht wusste: man kann ab dem Main Deck auch die Treppe nach oben nehmen. Oder man macht es wie wir und nimmt sie einfach auf dem Rückweg nach unten und hat während des Abstiegs diesen Teil des Turms ganz für sich alleine.

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Sammlerstücke

Schon letztes Jahr hatte ich von Nagomi Visit gehört, einer Organsiation, die Japaner und Ausländer buchstäblich an einen Tisch bringt. An den Tisch der japanischen Gastgeber um genau zu sein. Beide Seiten können sich registrieren, um für die jeweilige Gegend ein passendes Treffen entweder zum Mittag- oder Abendessen zu vereinbaren. Dann trifft man sich an der nächstgelegenen U-Bahnstation und wird von den Gastgebern in ihre Wohnung begleitet, wo ein hausgemachtes Essen und kultureller Austausch warten. Ich fand die Idee sehr schön und hatte es schon auf meiner To-Do-Liste, als Adrian auch vorschlug, Nagomi Visit auszuprobieren.

So vereinbarten wir ein Treffen mit einem Pärchen aus dem Stadtteil Ōsaki und wurden sehr herzlich empfangen und bekocht. Izumi und ihr Mann, dessen Name mir schändlicherweise entfallen ist, waren bestens vorbereitet, schließlich waren wir schon die 41. Besucherrunde, die sie zu Gast hatten. So war der Selfie-Stick für das Gruppenfoto schon fertig in Position installiert, die Menükarten vorbereitet und das Gästealbum bereit gelegt. Ein bisschen wurden wir das Gefühl nicht los, wie lebendige Trophäen in das Sammelalbum der ausländischen Gäste eingefügt zu werden, aber alles auf eine sehr liebenswerte Art. Man ist ja auch nicht alle Tag ein Exot.

Izumis Mann hatte sich vorab extra die Mühe gemacht, unsere Namen auf Kanji zu übersetzen und Visitenkarten mit den einzelnen Bedeutungen vorbereitet. Die Übersetzung in Kanji ist streng genommen rückwärts, da jedes Kanji in der Regel eine eigene Bedeutung hat und dementsprechend Worte und Sätze gebildet werden. Da unsere Namen keine Bedeutung haben, bzw. diese für einen Japaner nicht ohne weiteres auszumachen sind, hat unser Gastgeber die Kanji nach ihren Lauten zusammengesetzt, so wie man es in Hiragana und Katakana tun würde. Simone setzt sich nach dieser Methode aus den Kanji für Baum, Knospe und Geräusch zusammen. Gestatten: Baumknospengeräusch.

Unsere schicken neuen Namen hat er dann noch genutzt, um uns Shodō, also die Kunst der Kalligrafie, vorzuführen. Danach durften wir uns auch selbst mit dem Pinsel versuchen. Sehr interessant und eine schöne Idee, um uns japanische Traditionen näher zu bringen. Satt, zufrieden und reich beschenkt mit unseren Visitenkarten, einem Tengui (japanisches Tuch, das als Geschenkverpackung, Geschirrtuch, Tischläufer oder ähnliches verwendet werden kann), einer Brosche und unserer Shodō-Kunst wurden wir schließlich verabschiedet.

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Shodō

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Mein Versuch

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Reich beschenkt

Ein paar Worte zu COVID-19

Neben allen schönen und alltäglichen Dingen, die uns hier begegnen, betrifft uns natürlich, wie den Rest der Welt auch, das Coronavirus. Aktuell gibt es 870 gemeldete Fälle einer Erkrankung in Japan, 709 davon stehen in Zusammenhang mit den Erkrankungsfällen auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess. Letzteres darf man nicht außer Acht lassen, um die Beunruhigung vorerst nicht zu groß werden zu lassen.
Japans Gesundheitsministerium reagiert aktuell mit folgenden Verhaltensempfehlungen:

  • mit Erkältungsanzeichen zu Hause bleiben und Besuche in Krankenhäusern unterlassen
  • große Menschenmassen vermeiden
  • häufiges und gründliches Händewaschen
  • beim Niesen Mund und Nase bedecken

Zusätzlich empfiehlt die Regierung allen Arbeitgebern, ihren Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen, gestaffelte Arbeitszeiten zu erlauben, um die Rush-Hour in Zügen zu vermeiden, und sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit Erkältungssymptomen Krankheitstage nehmen können.

Masken und Handdesinfektionsmittel sind ausverkauft, was zum Teil zu kreativen DIY-Lösungen aus selbstgenähten oder zusammengetackerten Papiertüchern/Kaffeefiltern etc. führt. Was ihre Masken angeht, werden Japaner wohl an einem wunden Punkt getroffen, wenn es hierbei zu Lieferengpässen kommt. Experten weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass eine gründliche Handhygiene sehr viel effektiver ist, als das Tragen von Gesichtsmasken. Masken helfen allerdings, sich gerade unterwegs nicht ins Gesicht zu fassen und damit Krankheitserreger zu verteilen. Solange wir noch Masken im Haus haben, benutze ich sie daher für Fahrten mit der Bahn, achte aber vor allen Dingen bei uns allen auf häufiges Händewaschen.

Abgesehen davon verfolgen wir aufmerksam die Berichterstattung und versuchen, uns nicht unnötig zu beunruhigen.

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Jede Menge Lichter

Jetzt leben wir seit fünf Monaten in Tokio und haben die wichtigsten Schritte in einen funktionierenden Alltag gemeistert. Was wir aber noch nicht geschafft hatten, war abends zu zweit auszugehen. Die Einladung zum bōnenkai des Kindergartens war dann ein willkommener Grund, das zu ändern. Bōnenkai ist eine japanische Jahresabschlussparty, zu der gerne viel getrunken wird. Im Prinzip die Entsprechung unserer Weihnachtsfeier im Kollegenkreis. Nachdem die Kinder sich im Kindergarten gut eingefunden haben und englischsprachige Betreuung inzwischen gewöhnt sind, haben wir es vor dem bōnenkai auf einen Babysitting-Testlauf ankommen lassen. Aoki-san, eine muntere ältere Dame, die bereits in den USA und in Kanada gelebt hat und damit perfektes Englisch spricht, hat sich hervorragend um Bube und Dame gekümmert und beide entspannt ins Bett gebracht, während wir die Zeit genutzt haben, um uns eine brandneue Attraktion in Shibuya anzusehen.

Shibuya Sky

Auf dem Dach des erst Anfang November eröffneten neuen Hochhauses Scramble Square kann man auf 230m die Aussicht auf einer Plattform unter freiem Himmel genießen. Wie Ameisen sehen die Menschen auf der berühmten Shibuya-Crossing von da oben aus und gerade im Dunkeln ist es ein wirklich schöner Blick auf die Lichter der Stadt.

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Shibuya Crossing

Shibuya Crossing

Da Bube und Dame das Babysitting mit Bravour mitgemacht hatten, konnten wir dann auch ein paar Tage später unser bōnenkai genießen. Feine Sache.

Sonntag war uns erst am Nachmittag nach Unternehmung und da wir die Woche vorher das Gasmuseum gerade noch so anschnuppern konnten, bevor es auch schon wieder zu machte (das wird nochmal wiederholt, ähnlich wie schon das Wassermuseum ist es nämlich toll gemacht), haben wir uns diese Woche für den lang geöffneten Maxell Aqua Park in Shinagawa entschieden. Mitten in einem Hochhaus untergebracht, gibt es jede Menge Meerestiere zu besuchen, die besonders der Bube ganz fantastisch fand. „Blubb, blubb!“ rief er schon auf dem Hinweg in Endlosschleifen und drückte sich an jeder Glasscheibe die Nase platt. Nach Karussellfahrt und Delfinshow war er dann endgültig beeindruckt und die kleine Luke ging kaum wieder zu.

 

Kurisumasu (クリスマス)

Da wäre dann noch das Thema Weihnachtszeit. Trotz aller Hektik und Termine und der Tausend Dinge, die gefühlt exakt vier Wochen vor Weihnachten auf einmal da sind und unbedingt noch im alten Jahr erledigt werden wollen, liebe ich die Weihnachtszeit. Weihnachtsmärkte, Plätzchen backen, Deko im Haus verteilen, Geschenke besorgen, Weihnachtsmusik, Lebkuchen, Glühwein, einfach alles schön! Mir egal, wie kitschig das ist, alles schön, Punkt.

So. Jetzt bin ich also in einem Land gelandet, in dem das Christentum eine eher untergeordnete Rolle spielt – auch wenn der Pabst gerade hier vorbei geschaut hat – und die meisten Menschen, wenn religiös, dann im Shintō oder im Buddhismus zuhause sind. Wie also ist das wohl mit Weihnachten in Japan? Naja, es wird gefeiert. Auch hier. Auch ohne Christentum, aber wenn wir mal ehrlich sind, ist die Religion auch in Deutschland nicht immer der Star des Festes. Aber Japan wäre nicht Japan, wenn es nicht seine eigene Interpretation eines Weihnachtsfestes hervorgebracht hätte. Ist hier Neujahr das eigentliche Familienfest, gibt es an Weihnachten zwar auch eine Santa-Clause-Version für die Kinder, aber vor allen Dingen ist es ein Abend für Paare. Also eher so eine Art Date Night mit Weihnachtsbeleuchtung. Und letzteres wird visuell gewohnt bombastisch umgesetzt. Ganze Straßenzüge sind jetzt in aufwendige Lichtinstallationen verpackt und fügen dem ohnehin schon bunt und hell erleuchteten Tokio noch mehr Lichterglanz hinzu. Leider sehe ich vergleichsweise wenig der Beleuchtung, da ich abends eher selten unterwegs bin, aber das, was ich bisher gesehen habe, ist wirklich schön.

Das war es dann aber, das mir hier ein bisschen Weihnachtsstimmung macht. Weihnachtsmärkte werden hier auch gerne mal probiert (meist als Bestandteil einer Shoppingmall), aber es bleibt wie auch das Oktoberfest bei einem Versuch. Also hören wir zu Hause Weihnachtslieder rauf und runter und haben uns eine Weihnachtsbaum-Winzling und eine Lichterkette gegönnt. Und die Kinder freuen sich jeden Tag über ihren Adventskalender. So verbringen wir exakt die Hälfte der Adventszeit in japanisch-deutschem Weihnachtsspagat, dann geht es nach Deutschland in die echte Weihnachtszeit mit Freunden und Familie.

Kawaii!!!

Wir fangen heute mal mit einer kleinen Begriffsdefinition an.

kawaii oder かわいい

‚Kawaii’ ist genau genommen so viel mehr als nur ein Begriff, es ist allgegenwärtig und fester Teil des japanischen Lebens.

Was also bedeutet ‚kawaii‘? Ich bin schon recht früh auf das Wort gestoßen und meine auch, es früher schonmal gehört zu haben, aber Bedeutung und vor allem Ausmaß sind mir erst hier klar geworden. ‚Kawaii‘ bedeutet zunächst mal ‚niedlich‘, ‚süß‘ oder ‚kindlich‘. Man hört es auf der Straße gerne mal, wenn eine Japanerin oder ein Japaner einen von diesen Mini-Fellbällen sieht, die sie hier Hunde nennen. Oder ein (scheinbar) niedliches Geschirr-Set. Oder meine Kinder, die ja hier hohen Seltenheitswert haben mit ihren blonden Haaren und eine kleine Attraktion sind, weil sie auch noch im Doppelpack auftreten. Ein sehr hoch gesprochenes „Kawaaaaaaiiii“ zusammen mit dem Ausdruck der puren Verzückung begegnet uns also schon seit wir hier sind immer mal wieder. Doch die Bedeutung von ‚kawaii‘ geht weit über ein bloßes Adjektiv hinaus. Wikipedia sagt dazu: „Mittlerweile steht er [der Ausdruck ‚kawaii‘] für ein ästhetisches Konzept, das Unschuld und Kindlichkeit betont und sich auf alle Bereiche der japanischen Gesellschaft ausgedehnt hat.“

Und mit allen Bereichen sind auch sehr offizielle oder administrative Bereiche gemeint. Als wir gerade erst angekommen waren und die ersten Ämtergänge hinter uns hatten, kam ein Schreiben, das komplett in Kanji geschrieben war, das ich also ohne Übersetzung nicht zuordnen konnte. Auf dem ganzen mehrseitigen Dokument waren niedliche Comic-Häschen zu finden. Ich hielt es erstmal für nicht weiter wichtig, weil – hallo?!? – HÄSCHEN? Es waren unsere Sozialversicherungsdaten und damit die hier wichtigsten personenbezogenen Nummern für unseren Aufenthalt.

Niedliche Figuren und Maskottchen sind hier sehr beliebt, nicht nur in Vereinen oder im Sport sondern eben auch in Verwaltung oder bei offiziellen Einrichtungen. Pipo-kun zum Beispiel, ein oranges mausähnliches Kerlchen (und ein Kerlchen muss er sein, denn -kun ist die Nachsilbe für Jungen), ist das offizielle Maskottchen der Tokyo Metropolitan Police. Straßenabsperrungen sind hier gerne mal Häschen, Frösche oder andere Tierchen. Erwachsene Japaner sitzen mit ihren Trinkpäckchen in der Bahn, an Designerhandtaschen baumeln Stofftierchen und Japanerinnen folgen in großen Teilen einem Schönheitsideal, das sie möglichst unschuldig und süß aussehen lässt. ‚Kawaii‘, wohin man schaut. 

Wenn man hier lebt, ist man täglich von ‚kawaii‘ umgeben, aber diese Woche, habe ich es mal richtig krachen lassen und explizit Jagd auf die Niedlichkeit gemacht. Kindisch sein kann ich auch. Willkommen in meiner bonbonbunten, verrückten, zuckersüßen Woche!

Das Monster Harajuku

Harajuku – ein hippes Streetart-Viertel Tokyos – ist so oder so jeden Ausflug wert. Ausgefallene Mode, entspanntes Publikum, schöne Cafés und eine Menge großer und kleiner Läden machen die Gegend interessant und farbenfroh. Der Designer Sebastian Masuda nennt Harajuku ein Monster, das alles verschlingt und ständig wächst und hat ihm mit dem „Kawaii Monster Café“ ein Denkmal gesetzt. ‚Kawaii‘, eh?

Ich war ja auf einiges gefasst, nachdem ich mir vorher schon Bilder angesehen hatte, aber live war es dann nochmal eine Schippe mehr auf der Regenbogenskala. Mein lieber Freund, war das BUNT. Begrüßt wird man von einer der fünf Harajuku-Girls, Mädels in schönstem Cosplay-artigen Kostüm: Baby, Dolly, Candy, Nasty und Crazy. Wir wurden von Nasty in Empfang genommen, ich konnte mir ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Hätte ich mir eine aussuchen dürfen, es wäre wohl Nasty geworden. Immer hinter Nastys ausladendem Rock her ging es zu unserem Platz. Von hier aus konnten wir auch die kleine Show anschauen, die die Harajuku-Girls regelmäßig auf dem Karussell in der Mitte des Cafés aufführen. Bube und Dame stand der Mund offen bei so viel Farbe und Musik. Mir auch. Nachdem wir bunte Spaghetti, einen lila Burger und Pommes mit bunten Soßen verdrückt hatten und uns alles angeschaut haben, war es dann auch wieder Zeit für eine Farbdiät und eine weniger reizüberflutende Umgebung für die völlig überdrehten Kinder. Nicht zu viel auf einmal.

Cheeeeese

Den nächsten ‚kawaii‘-Ausflug hatte ich für mich alleine reserviert. Ich wollte meine Aufmerksamkeit für die bunte Welt der Takeshita-dori, einer schrillen Einkaufsstraße ebenfalls in Harajuku, nicht zwischen Bube, Dame und den unzähligen Details der Umgebung teilen müssen. Außerdem ist die Takeshita ein sehr beliebtes Ziel für Einheimische und Touristen und unter der Woche vormittags noch einigermaßen entspannt. Ein paar Stationen hatte ich mir vorher vorgenommen, ein paar kamen spontan dazu.

Purikura zählte definitiv zu den geplanten Attraktionen. Wer erinnert sich noch dunkel an die Zeit vor Smartphones und Snapchat, als zu unseren ultimativen Teenie-Freundschaftsbeschäftigungen der Besuch eines Passbildautomaten zählte? Zu zweit, zu dritt oder bis an die Schmerzgrenze quetschten wir uns in die kleinen Kabinen und schmissen uns in Pose, was das Zeug hält. Purikura ist genau DAS, nur besser. In zahlreichen unterschiedlichen Automaten können hier gänzlich passuntaugliche selbstklebende Bilder geschossen und im Anschluss mit Filter- und Verzierungsfunktionen bearbeitet werden. Großartig!

Die Takeshita-Straße ist schon ein besonderes Sammelsurium an Süßem und Süßigkeiten. Glitzerstifte, Lipgloss in Disneyfigurenform, Mützen mit Ohren, Onesies in allen Farben und Tierformen oder Plüschtiere sind nur einige Beispiele. Kulinarisch kann man sich durch eine große Auswahl an Lollies, Zuckerwatte, Crêpes und schlichtweg undefinierbaren bunten Kreationen probieren.

Zu den spontanen Programmpunkten zählten zwei Pet-Cafés. Das Mini-Pig-Café musste sein, weil ich diese Miniatur-Schweine mal aus der Nähe sehen wollte. Witzige tiefenentspannte Viecher. Aber noch mehr musste der Owl-Forest sein. Von den Haltungsbedingungen bin ich hier leider gar nicht überzeugt, aber diese wunderschönen Tiere mal ganz nah zu erleben und sogar vorsichtig streicheln zu können, war wirklich faszinierend. Und verdammt sind die flauschig!!

 

Kaffeekunst

Völlig übersättigt an Eindrücken, aber ansonsten eher hungrig, weil ich die bunten Verpflegungsangebote ausgelassen hatte, habe ich mich noch im Reissue, einem „echten“ Café, niedergelassen, das schon vorher auf meiner Liste stand wegen seiner Latte Art. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt, aber ich war neugierig. Man hat die Wahl zwischen 2D- oder 3D-Art auf seinem Kaffeemilchschaum. Entweder kommt einem aus dem Schaumberg quasi ein niedliches Tierchen entgegen und schaut einen aus der Tasse an oder man kann sich ein Bild wünschen. Ergebnis: sehr guter Kaffee mit beeindruckendem Mini-Kunstwerk und ein leckeres Curry.

Nicht mehr wirklich ‚kawaii‘, aber schön und auch in Harajuku, habe ich mir noch das Wandbild von Zio Ziegler angesehen. Insgesamt also ein rundum gelungener Ausflug in die besonders bunte Seite von Tokyo mit einem Abschluss in Schwarz-Weiß zum Runterkommen.

 

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Kitsch und Kultur

Diese Woche war ich in Souvenirlaune und habe mir allerhand Kitsch und Touristenkrams angeschaut. Erstens bin ich dabei die Adventskalender für die Kinder vorzubereiten und die werden dieses Jahr japanisch-kitschig. Zweitens fliegen wir bald nach Hause und da werden Freunde und Familie nicht ganz verschont bleiben, was schöne und schräge Mitbringsel angeht. Und drittens gibt es einfach so viele kleine und große Absurditäten und Schätze zu entdecken, dass das einfach ab und an mal sein muss.

Falsche Straße

Ich hatte von der Nakamise-dori in Asakusa gelesen. Eine Einkaufsstraße, die zwischen dem Kaminari-mon, dem so genannten Donnertor, bis zum Sensō-ji-Schrein verläuft und mit den angrenzenden Straßen als eines der ältesten Geschäfts- und Unterhaltungsviertel Japans gilt.

Kamari-mon

Kamari-mon, das Donnertor

Nakamise-dori

Tief einatmen und durch

Sensō-ji

Sensō-ji, Tokios ältester Tempel

Ich wollte touristisch, ich bekam Touristen. In Massen. Und jede Menge Stände mit überwiegend echt hässlichen Souvenirs und einer Menge an kulinarischen Mitbringseln. Mein Jagdfieber nach Souvenirs war auf den ersten Metern schon abgeklungen und ich kämpfte mich nur noch der Vollständigkeit halber und um des Schreins Willen bis zum Ende der Nakamise durch.

Praktischerweise liegt in unmittelbarer Nähe die Kappabashi-Straße, die mir ja einige Zeit zuvor sehr gut gefallen hatte. Ich brauchte ohnehin noch ein paar Kleinigkeiten aus der Küchenstadt, also passte das zur Versöhnung dann ganz gut.

Richtige Straße

Ein sehr viel besseres Ziel, obwohl es nicht, wie in Asakusa, eine echte Geschichte vorzuweisen hat, ist der Shoutengai in den Tokyo Decks auf Odaiba. Diese künstliche Einkaufsstraße soll eine Hommage an das Tokio der 60er Jahre sein und beherbergt entsprechend viel Retrokrams. Alte Spiele und Spielautomaten können ausprobiert werden, es gibt Aufführungen wie Papiertheater, man kann ein Geisterhaus besichtigen (Ja nee, ist klar!) oder sich durch die Souvenirläden wühlen. Und hier gibt es auch die Art Kitsch, die ich entweder so schräg finde, dass sie schon wieder gut ist, oder die einfach gleich voll meinen Geschmack trifft.

Shoutengai

Eingang ins Retro-Kitsch-Land Shoutengai

Socken

OH DOCH!

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Maneki-Neko in Miniatur mit Glöckchen

Roll-Ele

Bube und Dame lieben ihn hier!

Vollen Durchblick

Eine vernünftige Sache stand auch noch auf meiner To-Do-Liste: Ich brauchte eine neue Zweitbrille. Der Bube hatte meine Brille etwas zu oft in die Finger bekommen und ich hatte Angst, dass sie es nicht mehr lange macht. Und da ich ja inzwischen ohne Brille zunehmend aufgeschmissen bin, wenn ich etwas lesen will oder muss, machte mich der Gedanke etwas unruhig, zum Glück kaufen die Japaner gerne mal eine neue Brille und nicht das eine Gestell für‘s halbe Leben. So gibt es dann auch genug Geschäfte, die wirklich günstige Angebote haben. Zum Beispiel JINS. Womit sie mich dann restlos begeistert haben: ich konnte mein Gestell aussuchen, die Stärke mitteilen, den Augenabstand messen lassen und einen Matcha-Latte trinken gehen. Dann war die neue Brille fertig und abholbereit. Nix mit, wir melden uns, wenn sie fertig ist. Geht natürlich nur mit Standardgläsern, aber die habe ich praktischerweise. Eine Dreiviertelstunde und umgerechnet etwa 65€ (!) später, hatte ich meine neue Brille.

Brille

So schnell kann‘s gehen

Aber so richtig war es das noch nicht in Sachen farbenfrohe Unnötigkeiten. Es war ja nun Halloween letzte Woche und auch in Japan entkommt man dem gruseligen Spuk nicht mehr, wenn man Kinder hat. Die Halloween-Parade der Schule mit Trick-or-Treat-Ausflug im Spielpark rief. Allerdings rief sie zu Bubes Mittagsschlafzeit, so dass Benni für diese Zeit Homeoffice machte, während ich mit der kleinen Dame – ihreszeichens eine kleine Hexe – zur Schule radelte. Nach einer kleinen Country-Dancing-Aufführung im Klassenraum (urkomisch, wie da Hexen mit Pokémons oder Prinzessinnen mit Doraemons tanzten), ging es raus in den Park, wo die Treats eingesammelt werden konnten. Die kleine Dame und ich genossen ein bisschen entspannte Zweisamkeit, da ist auch Halloween recht.

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Die Parade – im Hintergrund der Gegensatz aus kleinen Wohnvierteln zwischen den großen Hochhäusern der Roppongi Hills

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Trick or Treat!

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Treat!

Den Sonntag hatten wir trotz schönsten Wetters irgendwie zu Hause verbummelt, so dass uns dann irgendwann nachmittags die Decke auf den Kopf und die Kinder auf die Nerven fielen. Also raus. Draußen wurde es schon langsam dunkel und leider machen viele Einrichtungen schon um 17.00 Uhr zu, aber es war mal wieder ein Feiertag. Tag der Kultur – wie passend zu unserer Suche nach Zerstreuung. Und an Feiertagen haben dann wiederum viele Museen etc. länger auf. So auch das Miraikan, das National Museum of Emerging Science and Innovation.

In einem futuristisch wirkenden Gebäude warten die neusten Technologien und zukunftsweisende Erkenntnisse. Für Bube und Dame noch etwas zu hoch, aber trotzdem auf ganz eigene Art und Weise interessant, wetzten wir also von einem kleinkindinteressanten Punkt zum nächsten, konnten aber im Vorbeigehen ein paar Sachen erspähen. So zum Beispiel eine große Kugelbahnanlage, die Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Tsunamis simulierte. Oder die begehbare Wohneinheit einer Raumstation, inklusive Toilette (mit Haltegriffen, Sauger für – naja – das Geschäft und Gummihandschuhen). Sehr beeindruckend und hübsch anzusehen ist vor allem die große Kugel, auf die effektvoll die sich drehende Erde projiziert wird.

Globe

Einmal um die Erde herum und unten drunter durch

Achja, und da der Feiertag auf einen Sonntag fiel, kam wieder meine sehr lieb gewonnene japanische Handhabung zum Tragen: Montag war ersatzfrei. Japan hat mir also einen Feiertag zum Geburtstag geschenkt.

どうもありがとうございます

Vielen Dank

 

 

Wasser wieder anders

Kaiser Naruhito hat in einer feierlichen Zeremonie den Thron bestiegen und nach der offiziellen Ablöse seines Vaters im Mai nun auch die traditionellen Schritte vollzogen, die sein Amt mit sich bringt. Für uns hieß das in erster Linie Zeit zu viert, denn die Thronbesteigung ist ein nationaler Feiertag. Dem Wetter war wohl nicht so zum Feiern zumute, jedenfalls gab es eine Menge Wasser von oben. Dementsprechend fielen für uns ausschweifende Outdoor-Aktivitäten flach, auf lange Fahrerei hatten wir keine Lust, also musste etwas Überdachtes in der Nähe aufgetrieben werden. Tokio wäre nicht Tokio, wenn diese Anforderungen nicht leicht zu erfüllen wären, in diesem Fall mit dem Tokyo Water and Science Museum in Kōtō.

Tokyo Water Science Museum

Wasser marsch!

Die städtischen Wasserwerke betreiben das kostenfreie Water Museum über einer lokalen Pumpstation, die ebenfalls besichtigt werden kann. Auf drei Stockwerken zeigt die Ausstellung, wo das Wasser herkommt, wie es in die Städte gelangt und welche Verwendung es dort findet.

Wir waren erst eine Stunde vor Ende der Öffnungszeiten da, hatten dafür aber das Museum fast für uns. So konnte der Bube im Film über den Wasserkreislauf, der an drei Wände und die Decke projiziert wurde, nach Herzenslust Wassertropfen hinterherrennen oder laut seine Begeisterung kund tun. Die kleine Dame war besonders beeindruckt von der Seifenstation. Hier konnte man sich auf eine Plattform stellen und mit einer Kette einen mit seifengetränktem Stoff umwickelten Ring um einen herum nach oben ziehen und so ganze Seifenwände errichten. Wir standen also quasi in einer großen Seifenblase. Auch das große Wasserbecken mit Wasserpistolen, unter dem die Kinder durchkrabbeln konnten, um in der Mitte in Glaskuppeln wieder aufzutauchen, sorgte für viel Freude.

Über das Wasser – ins Wasser

Das Wasser-Museum sollte nicht die letzte Ausstellung der Woche bleiben. Wer meinen Beitrag Von Insel zu Insel gelesen hat, der weiß schon, dass mich die digitalen, bildgewaltigen Welten des teamLab restlos begeistert haben. Im Gegensatz zu der dauerhaften Borderless-Ausstellung, die wir im August besucht haben, gibt es noch eine etwas kleinere, temporäre Version, die teamLab Planets. Mit Kindern und ein bisschen Abenteuerlust, ist die Planets nochmal besser als ihre große Schwester.

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Gleich am Eingang wird man gebeten, die Schuhe auszuziehen, seine Sachen in einen Spind zu schließen und seine Kinder an die Hand zu nehmen, bevor man sich auf den Weg in einen langen dunklen Tunnel macht. Der Sinn dieser Anweisungen erklärt sich schnell von selbst: Wasser. Wie nach einem sehr sauberen, wohltemperierten Wasserrohrbruch, ist ein Teil des Ganges knöcheltief mit Wasser gefüllt, so dass man auch den dann folgenden Aufstieg stetig im Wasser meistern muss. Im Anschluss wird man japanisch-höflich mit Handtüchern begrüßt und weiter geht‘s: in einen Raum, der komplett aus einem Kissen als Boden besteht. Ähnlich wie diese übergroßen Sitzkissen, die mit kleinen Kügelchen gefüllt sind, besteht einfach der ganze Untergrund dieses Raumes aus einem solchen Kissen, in das dann auch noch Hügel und Vertiefungen eingebracht wurden. Ich kann nicht behaupten, dass ich besonders grazil ans andere Ende gekommen bin, aber zum Glück war es hier so dunkel, dass fotografieren eh keinen Sinn machte. Ich habe mehrere Techniken ausprobiert und dachte an einer Stelle sogar, ich könnte mich einfach durchrollen. Was soll ich sagen? Konnte ich nicht. Ich habe mich genau einmal vom Bauch auf den Rücken gerollt, dann lag ich da und musste mich mühsam wieder aus der weichen Vertiefung wühlen. Bube und Dame sind weit leichtfüßiger über das Hindernis gekommen. Aber Spaß hatten wir alle.

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Bube zögert noch

Typisch teamLab folgte dann wieder was für‘s Auge. In einem riesigen Raum mit verspiegeltem Boden hingen Tausende von glitzernden Lichterschnüren, die kontinuierlich die Farben wechselten. Atemberaubend. Ehrlich wahr, einfach nur schön.

Im nächsten Abschnitt wurde ich gebeten, die kleine Dame auf den Arm zu nehmen. Sie ist 4! Kennt sich jemand mit dem Stolz und dem Altersbewusstsein einer Vierjährigen aus? Jepp. Ein entsprechend indignierter Blick traf mich auch, als ich sie brav hochnahm und ihr zuflüsterte, dass ich sie wieder runterlassen würde, wenn keiner guckt. Der Bube parkte, seit ihm die Spiegel auf dem Boden doch etwas zu unheimlich wurden, eh auf Bennis Arm. Wieder Wasser im Gang, immer mehr Wasser. Dann ein ganzer Raum kniehoch mit milchigem Wasser gefüllt, auf das Lichter und Fische projiziert wurden, die um uns herum schwammen. Nicht nur die kleine Dame wollte SOFORT runter, auch der Bube war jetzt nicht mehr zu bremsen. Keine Ahnung, wie das andere Eltern machen, unsere Kinder blieben auf gar keinen Fall auf dem Arm. Hätte ich auch nicht gemacht. Wir hatten also alle Hände voll zu tun, jeweils wenigstens einen Teil Kind an der Hand zu behalten. Die Klamotten waren verloren, aber Wechselklamotten sind immer am Start und warteten im Spind, bin ja schon eine Weile Mutter und einigermaßen lernfähig. Wer mal versuchen will, ein Kind festzuhalten, dass einen digitalen Fisch durch einen halbdunklen Raum voller Wasser jagt: teamLab Planets. Hat geklappt, hat Spaß gemacht, hält man aber nicht ewig durch.

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Auf Fischfang

Der nächste Raum war gefüllt mit riesigen Ballons, die erneut die Farben wechselten. Die kannten wir zwar schon aus der Borderless-Ausstellung, dort durfte man sie allerdings nicht anfassen. Hier konnten die Kinder sie durch die Gegend schieben und schubsen, was sie sich natürlich nicht entgehen ließen. Dem Buben schienen hier die Spiegel am Boden auch plötzlich nichts mehr auszumachen. Im letzten Raum konnten wir uns auf den Boden legen und die bunte Blumenprojektion auf allen Wänden, Decke und Boden um uns herum bestaunen. Wie betrunken torkelten wir anschließend zum Ausgang. Der erste, der uns besuchen kommt, wird hier reingeschleppt und vermutlich alle nach ihm auch.

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Katzen versus Cosplayer

Am Sonntag waren wir mal wieder in Ikebukuro, dem Viertel, in dem wir schon einmal waren, als wir den Sky Circus besucht haben. Damals war allerdings nicht Halloween-Woche… Ikebukuro ist bekannt für seine Cos-Player-Szene und bietet auch schon im Normalbetrieb die ein oder andere bunte Gestalt, aber im Moment kann man sich kaum retten vor kostümierten Massen. Nach der märchenhaften teamLab-Welt, war das dann eher alptraumartig überfüllt und anstrengend. So beschränkten wir uns auch auf die Programmpunkte, die wir vorher mal so lose angerissen hatten und retteten uns ins Nekobukuro, ein Katzencafé. Benni und ich waren ja schon vor ein paar Wochen im Mocha in Harajuku. Dort sind allerdings keine Kinder im Alter von Bube und Dame zugelassen. Im Nekobukuro schon, soweit man aufpasst, dass sie die Katzen nicht ärgern. Die Kinder waren froh, Cosplayer gegen Katzen eintauschen zu können. Wir auch.

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Ansonsten habe ich diese Woche zum ersten Mal wirklich ein Auto vermisst. Ich fahre ja sehr gerne Auto, aber fehlen tut es mir im Alltag hier nicht. Alle Wege lassen sich sehr gut zu Fuß, mit der Bahn oder dem Rad zurücklegen. Außer es regnet in Strömen. Bis zwei Kinder und ich selbst wetterfest verpackt und in die Regenabdeckungen auf dem Fahrrad gebastelt sind – die gibt es natürlich nur für Bube und Dame – vergeht eine Menge Zeit und nachmittags in Regenklamotten gewickelt mit Schirm dazu am Straßenrand zu stehen und auf den Kindergartenbus zu warten, ist auch nur so semi-gut. Reine Luxusprobleme, aber ja, in solchen Momenten fehlt mir mein Landleben mit Auto.

Regen-Ich

Singing in the rain. Nicht.

 

Der ganz normale Wahnsinn

Jetzt ist auch in Tokio so langsam der Sommer vorbei. Hagibis hat noch ein wenig Hitze hinter sich hergezogen, aber danach haben sich die Temperaturen eher so zwischen 15 und 22 Grad bewegt. Mein europäisch geeichtes internes Jahreszeitenmessgerät ist etwas besänftigt.

Wenn es nicht gerade Hunden und Katzen regnet, sind wir draußen, sonst tobt in der Wohnung das Irrenhaus. Der Bube ist in dem bezaubernden Alter angekommen, indem er einfach nur Unsinn macht. Und zwar Big Time. Letzte Woche etwa war Bake Sale im Kindergarten. Diese netten Zusammenkünfte, für die jeder etwas backt und mitbringt, das dann verkauft wird, um Geld in die Community Kasse zu bringen, mit der dann wieder andere nette Events der Kindergarteneltern organisiert werden. Und natürlich hilft auch jeder bei Aufbau, Abbau, Verkauf, Unterhaltungsprogramm etc. Ein Riesenspaß also. Nicht. Jedenfalls nicht mit einem kranken Buben, der dadurch noch motziger, als eh schon durch die Welt wackelt und jeden Backversuch zum Wettlauf gegen die Zeit werden lässt. Abgesehen davon, hatte ich erwähnt, was ein in japanischen Küchen üblicher Backofen ist? Eine Mikrowellen-Backofen-Kombination, in die ein Backblech ungefähr so groß wie ein DIN-A-4 Papier reinpasst. Anleitung natürlich komplett auf Japanisch. Yay. Achja, und die Zutaten wollen hier auch erstmal aufgetrieben sein. Und ich habe zwei Kinder in zwei Kindergartengruppen, also gleich zwei unterschiedliche Sachen zu backen.

Mein Vorlauf für den Bake Sale bestand also schonmal darin, nach Azabu-Jūban in den internationalen Supermarkt zu radeln, wo ich dann auch Backpulver etc. bekommen habe. Dann weiter, ein Handrührgerät auftreiben. Auch geschafft. Zwei Tage nach dem Bake Sale  stand dann zusätzlich noch der Kindergartenausflug an: Sweet Potatoe Digging. Also ein Ausflug raus aufs Feld, um Süßkartoffeln auszubuddeln. Dazu sollten wir Schaufeln, Handschuhe und eine Picknickdecke mitbringen. Überraschenderweise nicht unbedingt die Artikel, die ich mit in unsere Kisten aus Deutschland gepackt hatte, also musste ich auch diese noch aufspüren und erradeln. Ich war also schon so semi-begeistert von den ganzen Vorbereitungen, hatte mich aber brav für alles eintragen lassen. Meine Arbeitsschicht im Kuchenverkauf musste ich dann allerdings wieder absagen, mit verrotztem Kleinkind nicht machbar. Das Backen mit den eingeschränkten Möglichkeiten und dem Buben als zusätzliche Herausforderung war dann auch eher so nahe an der Katastrophe. Ein optisches Highlight waren die entstandenen Muffins dann auch nicht, aber die kleine Dame durfte einfach ganz viele Zuckerperlen und Schokostreusel zum Verzieren einsetzen.

Zwei gegen Eine

Die Veranstaltung an sich war tatsächlich schön gemacht, es gab Spiele für die Kinder, den Backwarenverkauf, Apfelsaft aus Flaschen mit Strohhalm und Popcorn. Bube und Dame wollten natürlich am liebsten ALLES ausprobieren, also rannte ich erstmal dem Buben mit seiner Apfelsaftflasche hinterher, der noch nicht wirklich zuverlässig den für den Saft vorgesehenen Weg Flasche-Strohhalm-Mund-Magen befolgt. Die Dame wollte ein Einhorn-Klebetattoo, der Bube zum Angelspiel am Planschbecken, die anderen Mamas Small-Talk. Gefühlt waren meine Arme und Beine in mindestens sechs Richtungen getrennt voneinander unterwegs und je ein Auge schielte nach einem Kind. Ende vom Lied war ein nasser Bube, der lieber direkt mit dem Arm bis zum Ellbogen im Planschbecken hing, als die Angeln zu benutzen, aber glücklich zwei Plastikfische und einen aufblasbaren Donald Duck als Trophäen mitnehmen durfte. Die Dame hatte ihr Einhorn auf dem Arm und das gewünschte Popcorn war zusammen mit den liebevoll in rotes Dekostroh gebetteten Cookies, die wir erstanden hatten, sicher im Fahrradkorb verschwunden für zu Hause. Ich war schweißgebadet, aber kurz der Ansicht, dass es doch irgendwie läuft. Ha-ha.

Zuhause angekommen, wurde das Popcorn verlangt, also Schüssel raus, das bepuderzuckerte Popcorn rein und den Mini-Löwen zum Fraß vorgeworfen. Kurze kostbare Zeit, um die Schuhe, Jacken und Taschen im Flur aufzuräumen. Zurück ins Wohnzimmer. Ins WEISSE Wohnzimmer! Der Bube hatte mittlerweile einfach jedes einzelne Popcorn aus der Schüssel im Raum verteilt und den Puderzucker auf den Tisch geleert. Als ich reinkam, fand ich ihn mit beiden Händen im Puderzucker bei einer Art Couchtischmassage und die kleine Dame auf dem Boden kniend, friedlich das Popcorn vom Boden essend. Atmen. Notdürftig sauber machen. Ruhig bleiben. Das geschafft, kam ich in den Flur und fand den Buben dabei vor, wie er das rote Dekostroh der Cookies, die er gefunden haben musste, überall in Flur und Schlafzimmer verteilte. Plus Kekskrümel, denn dabei wurden natürlich mit Entzücken auch die Cookies vernichtet. ATMEN. Notdürftig sauber machen. RUHIG BLEIBEN. Danach fand ich beide in Bubes Zimmer, in dem der gesamte Inhalt des Kleiderschranks verteilt worden war. Überall Hosen, Pullis, Bodys. ATMEN. MEHR ATMEN. Raum verlassen.

So geht es im Moment jeden Tag. Der Bube klettert hinter den Fernsehen und versucht, ihn umzuwerfen, sitzt auf Tischen, flutet das Bad oder wirft mit Gegenständen oder Essen. Dazwischen bekommt er entzückende kleine bis große Wutanfälle.

Das Potatoe Digging wurde dann übrigens wetterbedingt abgesagt und das Einhorn-Tattoo gefiel schon am Abend nicht mehr und sollte sofort entfernt werden. Es ist so schön, wenn sich der ganze Aufwand lohnt…

Süßkartoffel-Ersatz

Für den Ausflug auf den Kartoffelacker hatte Benni sich extra einen halben Tag frei gehalten und die kleine Dame war maßlos enttäuscht, dass sie nun nicht die neue Schaufel einsetzen konnte, also musste ein Ersatzprogramm her. Das LEGO Discovery Center, einen kleinen Spielpark in der Nähe, hatten wir bisher gemieden, da am Wochenende an jeder Attraktion lange Schlangen zu erwarten waren. Dafür sind wir noch nicht japanisch genug, noch stresst uns langes Anstehen. Aber es wird langsam besser.

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LEGO oder was es mal werden könnte

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Tokyo Tower aus Plastik

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Beladung eines Containerschiffes für Profis

Ein freier Freitagvormittag schien hingegen mehr als geeignet und wir konnten tatsächlich einfach durchmarschieren und nach Herzenslust ausprobieren, was uns gefiel. Die Kinder konnten die Entstehung eines LEGO-Steins vom Plastikpulver bis zum fertigen Klötzchen verfolgen, ihr Gewicht in LEGO-Steinen herausfinden, mit Laserpistolen auf LEGO-Männchen schießen (?!?), Karussell fahren, auf riesige LEGO-Tiere klettern und Tokio als LEGO-Modell bestaunen und zum Teil sogar steuern. Das war dann auch tatsächlich das erste Mal, dass uns hier in Tokio Godzilla begegnete, als er auf Knopfdruck hinter einem Hochhaus auftauchte. Im anschließenden Shop mussten auch wir Großen uns dann beherrschen, um nicht das eine oder andere Set mitzunehmen. LEGO ist ja aus meiner Sicht für Erwachsene schon so wie Haribo…

Auszeit

Nach einer Woche voller Kleinkind-Unsinn und Rotz- und Motzanfällen war es dann am Samstag echt mal an der Zeit für mich, das Nest alleine zu verlassen. Ich machte mich auf nach Toyosu, dem nördlichsten Ende der Yurikamome Linie, unserer Verbindung nach Odaiba, und bummelte ein bisschen durch die LaLaport-Mall an der Promenade.

Toyosu Promenade

A propos Auszeit, in Japan versteht man etwas von Wellness für zu Hause. Es gibt eine wirklich beeindruckende Auswahl an Kosmetik, Badezusätzen oder Tuchmasken fürs Gesicht. Aber nicht einfach langweilig in Weiß, hier wird auch gleich ein bisschen Unterhaltung zusätzlich geboten: die Auswahl reicht von Geisha-Gesichtern über Kabuki-Motive bis hin zu Tiergesichtern. Großartig! Kabuki ist ein traditionelles japanisches Theater aus der Edo-Zeit, indem die Darsteller Kumadori auftragen, Schminke auf weißem Untergrund, Rot für den Helden, Blau für den Schurken.