Plan B im Schnee

Nachdem unser Herbst nachgereicht werden musste, nun aber: Willkommen im japanischen Winter!

Es ist zwar das zweite Mal für uns, dass wir den Winter in Tokio erleben, aber wie fast alles in diesem Jahr, ist nichts, wie es vorher war. Für uns ist die einschneidendste Veränderung, dass wir nicht wie geplant und wie im letzten Jahr nach Deutschland zu unserer Familie und unseren Freunden fliegen konnten. Schon bevor Deutschland in den erneuten Lockdown gegangen ist, haben wir uns aufgrund der hohen Reiseauflagen und der generellen Risiken gegen die Heimreise entschieden. Was sich mit der gegenwärtigen Entwicklung auch als richtig erwiesen hat, aber das macht es nicht unbedingt leichter.

So mussten wir uns alle erst einmal an den Gedanken gewöhnen, zum ersten Mal keine deutschen Weihnachten zu feiern. Und uns überlegen wie wir möglichst viele Bestandteile deutscher Weihnachten dennoch in unsere Weihnachtszeit in Japan einschleusen.
Letztes Jahr habe ich schon ein wenig darüber berichtet, wie in Japan Weihnachten oder クリスマス (KU-RI-SU-MA-SU) gefeiert wird (Jede Menge Lichter). Es gibt eine Menge wunderschöne Weihnachtsbeleuchtung und auch einige Weihnachtsmarkt-Versuche und wie in Deutschland auch, hört man viel Weihnachtsmusik in den Geschäften, aber das war es im Prinzip auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Was man an Weihnachtsleckereien auch in Tokio zuverlässig kaufen kann, ist ausgerechnet Christstollen. Ich hasse Stollen. Schon immer und mit Überzeugung.
Zum Glück habe ich aber noch von einem kleinen Weihnachtsbasar erfahren, den die Deutsche Kirche in Setagaya jedes Jahr ausrichtet und auf dem man Lebkuchen, Marzipan und Weihnachtsplätzchen kaufen kann. Mit dem Rad voller Einkäufe bin ich von diesem Streifzug vor dem 1. Advent wieder heim gekehrt. So waren wir kulinarisch schonmal etwas gerüstet. Zusammen haben wir dann noch Kerzen und ein bisschen Weihnachtsdeko eingekauft und unseren eigenen Adventskranz – oder eher unser Adventstablett – gebastelt. Und dann kamen zu Beginn der Weihnachtszeit noch ganz zauberhafte Pakete von Familie und Freunden, die keine Wünsche mehr offen ließen, so viele tolle Sachen wie Naschereien, Adventskalender, weihnachtliche „Stehrums“ wie Benni immer sagt, und wichtige Utensilien wie zum Beispiel Glühweingewürz wurden uns geschickt. Wir waren gerührt und bestens versorgt für diese völlig ungewöhnlichen Weihnachtswochen.

Advent, Advent

Weihnachtsessen auf Japanisch

Japan ist ja nun wirklich ein Land mit ganz hervorragendem Essen und mit viel Liebe zum Detail bis in das noch so kleinste Izakaya an der Straßenecke. Da man sich aber mit Weihnachten nicht so richtig auskennt, hat man sich an ausländischen Vorbildern orientiert. Dass es dann aber kulinarisch ausgerechnet amerikanisches Fast-Food werden musste, führt heute zu einem sehr abenteuerlichen Anblick in der Weihnachtszeit: Werbung von KFC mit dem hier berühmten Weihnachtsbucket und anderen festlichen Menüvorschlägen gefühlt an jeder Ecke. Es ist tatsächlich so: in Japan isst man gerne frittierte Hähnchenteile bevorzugt von Kentucky Fried Chicken zu Weihnachten. Vorbestellungen werden schon ab November angenommen und fleißig genutzt. Wie konnte es soweit kommen?

Seit Anfang der 70er Jahre gibt es die Fast Food Kette in Japan und Initiatorin des neuen Weihnachtsbrauchs war wohl eine Frau, die von einem benachbarten christlichen Kindergarten in die nächste KFC-Filiale spazierte, um für die Weihnachtsfeier Essen zu ordern und die die Filialmitarbeiter darum bat, das Essen als Santa verkleidet zu liefern. Selbst ich kann nach allem, was ich bisher von japanischer Servicebereitschaft und Freundlichkeit gesehen habe, sagen, wie dieser Wunsch aufgenommen wurde: Takeshi Okawara, der Filialleiter höchstpersönlich, machte sich als Santa auf zum Kindergarten und war selbstredend ein großer Hit bei den Kindern. So gut kam er wohl an, dass noch andere Schulen ihn dafür anfragten und das Marketing der Firma davon Wind bekam. Seit 1974 bis heute gibt es die großen KFC-Weihnachtswerbeaktionen.
Okawara wurde später übrigens noch für viele Jahre Präsident und CEO von KFC Japan und gibt heute japanisch reuevoll und gleichzeitig bereitwillig zu, in einem Interview seinerzeit geflunkert zu haben, als er gefragt worden sei, ob denn Hähnchenteile tatsächlich eine Weihnachtstradition im Westen sein…

Wer sich schon um seine Hähnchenbestellung zum Fest gekümmert hat, kann nun den zweiten allgegenwärtigen Bestandteil zum Weihnachtsessen besorgen: クリスマスケーキ (KU-RI-SU-MA-SU KEE-KI) – den Weihnachtskuchen, oder eher die kunstvoll verzierte Weihnachtstorte. Diese Tradition folgt eher der generellen Orientierung am Wohlstand und am Einfluss des Westens der Nachkriegszeit. Schokolade und andere Zutaten waren teuer und schwer zu bekommen und dementsprechend etwas Besonderes. Westliche Weihnachten waren mit ihrer ungewohnten Pracht ein Symbol für Wohlstand, da durfte also etwas Außergewöhnliches in Form eines Keeki nicht fehlen. Die typische japanische Weihnachtstorte ist eine runde weiße Sahne-Biskuit-Torte mit Erdbeeren in der Mitte (japanische Flagge und so). Erdbeeren haben hier übrigens so von Winter bis Frühling Saison.

Wir haben auch in unserem zweiten Jahr hier unanständigerweise auf beide essbaren Weihnachtstraditionen verzichtet, aber wenn ich mich mal zu einer von beiden hinreißen lassen, dann definitiv zur Torte. Inzwischen gibt es auch nicht mehr nur Erdbeertorten sondern unfassbar viel Auswahl an wahren Kunstwerken. Nächstes Jahr vielleicht…

Eingang zum Christmas-Garden im Shība-Kōen, eher so zu verstehen wie ein Biergarten mit Weihnachtsdeko
Und mit abenteuerlichem Weihnachtsbaumschmuck..

Tiere und blaue, katzenartige Roboter

Winter ist ja hier in Tokio zunächst mal noch ein halber deutscher Herbst und ab der zweiten Dezemberhälfte können wir dann langsam von Winter sprechen, aber meist immer noch mit sehr schönen bunten Blättern zwischen der Weihnachtsdeko. Wir waren also weiterhin viel draußen und haben versucht, einen Zwischenweg aus coronabedingtem Hausarrest und Frischluft zu erhalten. Die Zahlen sind auch in Japan nicht gut, besser als in vielen anderen Ländern, aber die Entwicklung und damit die Auslastung der Krankenhäuser ist auch hier besorgniserregend. Von einem weiteren Lockdown spricht Premierminister Suga nicht, insgesamt bleiben Maßnahmen hier sehr verhalten. Wozu das führt, wird man dann in den nächsten Wochen an den Zahlen ablesen können. Wenn ich von Hausarrest spreche, meine ich also unsere generelle Tendenz so viel wie möglich zu Hause zu bleiben und wenn wir rausgehen, Massen zu vermeiden. Auf dem Spielplatz geht das zum Beispiel ganz gut kurz vor Dunkelheit oder zum Spaziergehen auch später, dann hat man auch in Tokio etwas mehr Platz und trotzdem frische Luft.

Mit vorangegangener Reservierung sind wir außerdem zum einen in den Yokohama Zoo gefahren, ein sehr großer und schöner Zoo raus aus der Stadt. Nachdem wir schon oft im Ueno Zoo in Tokio waren, aber auch dort dieses Jahr nur einmal, war das für uns alle ein schöner Tag im Grünen und besonders für den kleinen Buben eine mächtige Entdeckungsreise auf der Suche nach seinen Lieblingstieren (ok, es gab diesmal keinen Walhai wie in Okinawa, der hat es ihm auch sehr angetan).

Unser zweiter Ausflug war eine Überraschung zum Geburtstag des kleinen (nun ein wenig größeren) Buben. Die kleine Dame hat herrlich mit geplant und das Geheimnis stolz gewahrt. Er ist nämlich großer Doraemon-Fan. Doraemon ist ein blauer katzenartiger Roboter aus der Zukunft (!), der mit seinem Freund Nobita viele Abenteuer erlebt und seit mittlerweile über 50 Jahren fester Bestandteil japanischer Haushalte ist. Es gab also eine knallblaue Doraemon-Torte und einen Besuch im Fujiko F. Fujio- oder auch Doraemon-Museum in Kanagawa. Fujio ist der Zeichner der Comics und ihm zu Ehren gibt es in dem Museum viele Details zu Doraemons Entstehung zu sehen.

Doraemon!!

Als kleines vorgezogenes Weihnachtsgeschenk haben Benni und ich uns noch eine Kamera gekauft, um die vielen, beeindruckenden Motive auf unserem Japan-Abenteuer zwar immer noch laienhaft, aber nicht mehr nur mit dem Handy einzufangen. Also gibt es jetzt zwar keine Tokio-Weihnachtsbeleuchtung, aber ein bisschen von dem, was man hier wohl normale Alltagsbeleuchtung nennen muss:

Izakaya in Mita/ Minato-ku
Roppongi Hills / Minato-ku
Ginza / Chūō-ku
Thai-Restaurant in Shibaura / Minato-ku

Rückzug in den Schnee

Den Großteil der Weihnachtszeit haben wir also mit ein paar Tricks und Unterstützung ganz erfolgreich in Tokio gemeistert. Es ist natürlich immer noch kein Vergleich zur gewohnten und geliebten deutschen Weihnachtszeit (wer es noch nicht festgestellt hat, ich bin großer und bekennender Fan), aber schön war es trotzdem.
Als wir den Weihnachtsurlaub nach Deutschland schweren Herzens abgesagt hatten, mussten wir uns auch gleichzeitig entscheiden, wie und wo wir die Weihnachtsfeiertage in Japan verbringen wollten. Inlandsreisen waren und sind weiterhin möglich und zum Teil sogar gefördert in Japan. Als wir uns für Hokkaido und damit einen Urlaub im Schnee entschieden, war auch das Reisen in Deutschland noch problemlos möglich, es gab noch keinen Lockdown. Als wir uns dann aber schließlich in den Flieger setzten, sah das schon deutlich anders aus und wir waren trotz Weihnachtsheimweh einfach froh, dass wir diese Auszeit in den Bergen überhaupt nehmen konnten.

Hokkaido ist die nördliche der drei Hauptinseln Japans und ziemlich in der Mitte liegt das Winterwunderland Tomamu auf knapp 600 Metern und mit Skigebieten bis zu 1200 Metern. Unsere Hoffnung war, dass die kleine Dame hier ihren ersten Skikurs machen könnte und wir vielleicht mal abwechselnd oder wenigstens einer von uns beiden kurz Skiluft schnuppern könnte. Wir hatten uns mit dem Club Med für eine internationale Hotelkette entschieden, aber da es in Japan dieses Jahr keinen internationalen Tourismus gibt, haben wir nicht damit gerechnet, besonders viele internationale Gäste oder Angestellte zu sehen. Weit gefehlt. Gefühlt waren alle Gaijin des Landes, die ja genauso wenig wie wir nach Hause fliegen konnten oder wollten, in Tomamu zusammen gekommen und die Angestellten waren aus insgesamt 26 Nationen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich darüber mal so freuen könnte, aber es war schön, nach 1,5 Jahren in Tokio und einem Jahr ohne Auslandsaufenthalt mal nicht aufzufallen, nicht aus der Masse herauszustechen, nicht diskret angeschaut oder heimlich fotografiert zu werden oder einfach das deutliche Gefühl und Bewusstsein zu haben, anders zu sein. Das alles ist nichts, was uns im Alltag als besonders schlimm oder belastend begegnet. Japaner sind im Gegenteil in der Regel sehr rücksichtsvoll und achtsam. Aber wir fallen auf. Immer und überall. Und wenn man nie mal einfach in der Masse untertauchen kann, dann ist das manchmal auch etwas ermüdend. So gesehen hatten wir hier in Tomamu also einen Urlaubsort gefunden, an dem wir uns wirklich erholen konnten von unserem Alltag. Und der ist eben nicht immer so alltäglich.

Und nicht nur das war der Vorteil der Internationalität: die Kinderbetreuung und die damit verbundenen Angebote waren nicht nur großartig, sie waren eben auch international, ein Parkett, auf dem Bube und Dame sich mehr als sicher fühlen mittlerweile. Mit Begeisterung und einem hektischen Abschiedskuss für die staunenden Eltern stürzten sie sich in ihre jeweiligen Gruppen und ließen uns leicht verdattert zurück. Nachdem wir die erste Verwirrung und Ungläubigkeit abgelegt hatten, rannten wir fast zur Ausleihe für Skiausrüstung.

Endlich wieder Skifahren

Wir waren nicht mehr Ski gefahren seit Benni seine Promotion geschrieben hat und die Zeit dafür fehlte. In der darauffolgenden Saison war ich schon schwanger mit der kleinen Dame. Sieben Jahre ohne Skifahren. Eine Abfahrt in diesem unglaublichen dicken Pulverschnee Japans, wo die Skigebiete noch ohne Schneemaschinen auskommen, und wir haben gegrinst wie Honigkuchenpferde. Besonders Benni, der auch im Hotel noch gearbeitet hatte bis kurz vor Piste, weil es in Japan zwar Weihnachtskitsch aber keine Weihnachtsfeiertage gibt, rutschte mit jedem Meter auf der Abfahrt sichtlich mehr in die Urlaubsstimmung. Und ich, wohlwissend, dass die beiden Krachnasen hochzufrieden mit ihrem jeweiligen Unterhaltungsprogramm waren, gleich hinterher.

Wir hatten uns natürlich vorher gefragt, wie ein so großes Familienhotel die Schutzmaßnahmen gegen Corona umsetzen würde und wie es insgesamt funktionieren würde im Zusammenspiel mit den übrigen Gästen. Zunächst einmal galt natürlich im gesamten Hotel außerhalb der Zimmer Maskenpflicht, woran sich glücklicherweise alle hielten. Auch der kleine Bube trug mit seinen gerade drei Jahren anstandslos und vergnügt seine Maske und da wir nicht wirklich viel auf dem Zimmer waren, trugen wir mehr oder weniger nur zum Schlafen keine Maske. Zusätzlich war das Hotel nur zu knapp 30 Prozent belegt, so dass genug Abstand zu jeder Zeit möglich war. Dazu kam jede Menge Einsatz des gesamten Personals, das für reibungslose Abläufe sorgte. Nichts ist im Moment so sicher, wie zu Hause zu bleiben, wo es geht, aber wir haben uns zum Glück so sicher wie unter den Umständen möglich fühlen dürfen.

So wurden aus unseren unfreiwillig japanischen Weihnachten wirklich schöne Tage, die wir alle sehr sehr genossen haben. Umso mehr, weil uns bewusst ist, dass die Rückkehr in die größte Metropolregion der Erde inmitten einer Pandemie wieder mehr Sorgen, Vorsicht und Unsicherheit bedeuten.

Bleibt gesund, passt auf euch auf und habt einen schönen Start ins Neue Jahr!

Winterwunderland
Iglu-Magie

Herbst in der Pipeline

Ich bin mit meiner Berichterstattung leider ordentlich ins Hintertreffen geraten und erhalte – zurecht – schon Nachrichten, was denn hier los ist. Zunächst einmal: lieben Dank für die Nachrichten, das Feedback und das Interesse an unseren Japan-Abenteuern! Ich freue mich über jede einzelne Rückmeldung sehr. Viele kleine Einblicke in unseren Alltag teile ich inzwischen auch regelmäßig auf Instagram (@simone_in_tokio) und freue mich auch hier über euch, wenn ihr Lust habt.

Mein letzter Beitrag aus dem Herbst steckte noch in der virtuellen Pipeline, daher reiche ich jetzt erst einmal diesen nach, bevor wir wieder in der winterlichen Gegenwart ankommen.

Unser Herbst hat hier in Japan mit angemessener japanischer Disziplin am 22. September mit einem Feiertag begonnen. Mit Disziplin, weil gefühlt selbst die Bäume wissen, was sich gehört und just an diesem Tag begonnen haben, die Blätter einzufärben. 
Der Herbst ist hier bis auf ein paar Regentage eine herrliche Jahreszeit. Es ist noch relativ warm, aber die Schwüle des Sommers ist verschwunden, die Luft ist klar und der Himmel oft geradezu unverschämt blau.
Unsere aktuellen Corona-Zahlen erlauben uns noch einen verhältnismäßig normalen Alltag. Anlässlich meines Geburtstags letzte Woche haben wir uns sogar ein paar Tage nach Okinawa verkrümeln können. Ein großer Luxus inmitten einer Welt, in der Reisen alles andere als selbstverständlich sind.

Okinawa ist eine japanische Präfektur mit über 150 Inseln im Ostchinesischen Meer. Miyako-jima, wo wir im Juli waren, gehört auch zu Okinawa. Diesmal ging es auf die Hauptinsel. Die Sommersaison war gerade zu Ende gegangen, so dass die großen Massen ausblieben, wir uns aber immer noch über 22-26 Grad und Sonnenschein freuen konnten. Die Insel ist wunderschön Grün, was gerade im Vergleich zu Tokio eine angenehme Abwechslung war. Nach einem Tag am Strand und im Pool durfte ein Besuch im Okinawa Churaumi Aquarium nicht fehlen. Besonders die großen Walhaie und die Riff-Mantas waren sehr beeindruckend.

Am letzten Tag hatten wir noch Zeit für eine kleine Höhlenwanderung – die erste für den kleinen Buben und die zweite für die kleine Dame (bei der ersten auf Mallorca steckte si allerdings noch als Baby in der Trage und war mäßig begeistert von der merkwürdigen Umgebung). Beide Nachwuchshöhlenforscher schritten begeistert voran und erkundeten Stalagmiten und Stalagtiten.

Jungle Love
Meine Mama hat immer gesagt, 40 sei ihr Lieblingsalter gewesen. Auf dich, Mama!

Okinawa hat übrigens kleine Wächter: die Shīsā. Sie sehen ein bisschen wie eine Kreuzung aus Löwe und Hund aus und sitzen in Pärchen an Eingängen und auf Hausdächern. Der linke Shīsā hat seinen Mund geschlossen und hält das Gute im Haus, der rechte Wächter hat seinen Mund geöffnet und vertreibt die bösen Geister.

Stadtleben

In Tokio sind wir dankbar um jede Woche, die relativ normal machbar ist. Aktuell ist auch hier eine dritte Welle deutlich zu erkennen, wir warten noch ab, ob es Änderungen geben wird.

Der Kindergarten organisiert mit viel Umsicht und Aufwand so viele Events aus den letzten Jahren wie in Zeiten von Corona noch möglich sind. Eines davon war Potatoe Digging auf einer Farm. Hier konnten die größeren Stadtkinder sich mal die Hände schmutzig machen und auf einer Süßkartoffelfarm Kartoffeln ernten. Die kleine Dame hatte einen Riesenspaß und brachte stolz ihre Beute mit nach Hause. Um sich dann plötzlich daran zu erinnern, dass sie ja eigentlich gar keine Süßkartoffeln mag. Wir haben dann Süskartoffelchips daraus gemacht, Chips gehen offenbar immer.

Halloween konnten wir in abgewandelter und reduzierter Form auch wieder feiern und da man in Japan und in der internationalen Schule umsonst nach einem Faschingsfest sucht, ist es als einzige Chance, sich zu verkleiden, sehr willkommen. So machten sich der kleine Buzz Lightyear und Jessy (beide Toy Story) völlig im Glück auf den Weg zum Spielplatz, wo es kleine Trick or Treat-Beutel gab. Und ein Schmetterling war auch dabei…

Mal wieder ein bisschen Aussicht

Nachdem wir in unserem ersten Jahr hier so ziemlich jede Aussichtsmöglichkeit genutzt haben, die wir gefunden haben, gab es erstmal eine lange Pause. Neulich war es dann aber mal wieder Zeit und wir sind mit dem Daikanransha auf Odaiba gefahren. Das bunte Riesenrad kannten wir schon, aber noch nicht im Dunkeln. Drei von uns waren hingerissen – der kleine Bube muss im letzten Jahr eine ordentliche Skepsis vor Höhen entwickelt haben (trotz Wohnung im 37. Stock). Er wäre lieber gleich wieder runter gefahren, hat aber auf Bennis Schoß und mit sparsamem Gesichtsausdruck tapfer durchgehalten.

Meine Zeit

November war ja schon immer mein liebster Monat und Herbst meine Jahreszeit. In Deutschland ist das immer schwer zu erklären mit vielen Regen- und Nebeltagen. In Tokio ist der November hingegen schlicht perfekt: fast durchweg strahlender Sonnenschein bei um die 16 Grad und klarem, blauen Himmel zusammen mit bunten Blättern. Wenn unbeschwertes Reisen irgendwann wieder möglich ist, und jemand von euch mit dem Gedanken spielt, Tokio zu besuchen (was ich ohnehin und ohne jedes Zögern dringend empfehle): kommt im November!

Ich habe den strahlend schönen Sonnenschein genutzt, um ein paar Ausflüge zu machen, die ich schon lange auf meiner Wunschliste hatte.

Die beste Aussicht, die ich beim Yoga je hatte

Lächeln und winken

Es gibt sehr viele Tempel und Schreine in Tokio, manchmal nur ganz kleine, fast unscheinbar zwischen zwei Häuser gequetscht. Einer der größeren und sehr bekannten ist der buddhistische Gōtoku-ji in Setagaya. Besser bekannt als „Maneki Neko“- oder „Winkekatzen“-Schrein, gehen verschiedene Gründungsgeschichten zurück auf die Legende der Tempelkatze Tama, die wahlweise einem Fürst das Leben gerettet hat, indem sie ihm während eines Gewitters zugewunken hat und er deshalb seine Deckung unter einem Baum rechtzeitig vor dem folgenden Blitzeinschlag verließ, oder die eine Reisegruppe einflussreicher Herrschaften durch ihr Winken zu dem Tempel brachte. In jedem Fall waren Unterstützung und Reichtum für den Tempel die Folge der Begegnung mit Tama, so dass sie heute noch als Glücksbringer verehrt wird. Auf dem wunderschönen Gelände des Gōtoku-ji sind Tausende Maneki Nekos in allen Größen aufgestellt, die Besucher mit Wünschen ausgestattet zurückgelassen haben. Ein wirklich beeindruckender Anblick.

Viele kleine Wunscherfüller an der Arbeit

Weitläufige Tempelanlage

Ein weiterer Schrein stand auch auf meiner Liste: der Nezu-jinja, der besonders für seine roten Torī vor dem Otome-Inari-jinja auf dem Gelände bekannt ist. Die meisten Bilder, die man von roten Torī in Japan sieht, stammen aus dem berühmten Fushimi Inari-taisha in Kyōto. Die des Nezu-jinja sind kleiner und nicht ganz so geläufig, aber einen Besuch mehr als wert.

Torī markieren den Übergang des Profanen zum Heiligen und stehen an vielen Eingängen zu Schreinen. Oft ist es nur ein Tor und nicht immer sind sie rot, aber ohne Frage sind sie am beeindruckendsten, wenn sie als ganzer strahlend roter Gang zum Schrein hinführen.

Otome-Inari-jinja

Sommer

Nach einer sehr langen Regenzeit, sind wir inzwischen voll im Tokioter Sommer angekommen. Für uns das erste Mal eine schon bekannte Jahreszeit, nun sind wir schon über ein Jahr in Japan.

So richtig eingestiegen in den Sommer sind wir auf Miyako-jima, einer kleinen japanischen Insel der Okinawa-Gruppe, irgendwo mitten im Wasser zwischen Japan und Taiwan.

Urlaub im Nirgendwo

Miyako-jima war unser Corona-Ersatzziel, da wir als nicht-japanische Einwohner Japans nach wie vor von dem sehr strikten Wiedereinreiseverbot betroffen sind, das seit Anfang April angewendet wird und jedes Reisen, abgesehen von zugrunde liegenden humanitären Notfällen, unmöglich macht. So sehr ich das Einreiseverbot für in Japan lebende Ausländer auch ablehne und im Vergleich zur freien Reisemöglichkeit jedes japanischen Staatsbürgers schlicht als diskriminierend empfinde, für eine Urlaubsreise in Corona-Zeiten finde ich es völlig angemessen, sich auf Reisen innerhalb des Landes zu beschränken. Und wenn dieses Land Japan ist, kann nicht wirklich von einer Beschränkung die Rede sein. Von Modern bis Traditionell, Stadt und Land, Berge und Meer, Japan hat so viel zu bieten, dass es nicht schwer fällt, ein Urlaubsziel zu finden – höchstens weil es zu viele Optionen gibt.
Da wir mit Tokio als Wohnort eher nach Ruhe und Entspannung gesucht haben und ursprünglich ohnehin gerne ans Meer wollten, fiel die Entscheidung schließlich auf Miyako-jima und eine kleine Hotelanlage mit einzelnen Bungalows an der Südküste der Insel. Anders als ich es auf den Bildern aus deutschen Urlaubsorten gesehen habe, war Miyako nicht überfüllt, ganz im Gegenteil: durch den fehlenden internationalen Tourismus und kurz vor der Hauptreisesaison in Japan war die Insel sehr ruhig und wir vermutlich die einzige nicht-japanische Familie weit und breit.

Fotografieren auf Japanisch

Wir sind es ja wirklich schon gewöhnt heimlich oder offen angestarrt zu werden, aber auf dieser beschaulichen Insel, haben wir hier nochmal ein neues Level erreicht. Was ich schon in Tokio gelernt habe, sich aber in Miyako nochmal bestätigte: In Japan gibt es ein paar Meister der sneaky pictures. Während das ungefragte Fotografieren von Fremden hier eigentlich sogar verboten ist, wird es dennoch sehr gerne praktiziert – besonders an uns, wie mir scheint. Aber, weil es ja zum einen verboten ist, und wahrscheinlich auch jedem klar ist, dass das Fotomotiv vielleicht nicht unbedingt einverstanden, ungefragt fotografiert zu werden, wird es eben heimlich gemacht. Da es ja nun aber immer noch nötig ist, das Handy so in Position zu bringen, dass die Linse uns auch einfängt, ist es dann auch nicht immer so heimlich. Zum Beispiel, wenn eine Frau mit erhobenem Handy so schnell und unauffällig wie möglich an uns vorbei geht und schnell auf den Auslöser drückt. Super. Ich versuche, dabei meinen Humor zu behalten und es zu ignorieren, aber ich verstehe ein bisschen mehr, wie schrecklich dieses Verhalten für Promis sein muss. Und in Japan hat das heimliche Fotografieren noch einen unschönen Beigeschmack: gerade das ungewollte Fotografieren von Frauen, besonders das Upskirting, ist dermaßen zur gängigen Praxis geworden, dass man in Japan erworbene Handys nur mit hörbarem Shutter Sound bekommt. Man kann also das Auslöser-Geräusch beim Fotografieren nicht ohne weiteres deaktivieren. Hmm.

Deutsches Dorf und Nemos Freunde

Ungeachtet der fragwürdigen Hobby-Fotografen, hatten wir uns auf ein paar Tage Strandurlaub gefreut und wurden nicht enttäuscht. Miyako-jima hat nicht nur wunderschöne weiße Sandstrände und türkisblaues Wasser sondern auch unzählige Korallenbänke in direkter Strandnähe, so dass auch kleine Nachwuchsschnorchler die Chance hatten, einen vorsichtigen Blick zu riskieren. Und dann auch noch Anemonenfische, also lauter kleine Nemos, in Aktion zu sehen, rief große Begeisterung hervor.

Strandzeit
Erkundungstour
Strandgut
Großer Sandkasten
Unterwasser-Entdecker
Rush Hour bei den Fischen
Anemone mit Bewohnern
Keine Tattoos am Pool…
Fantastisch verpflegt

Aber Miyako-jima hatte für uns ドイツじん, also Deutsche, noch eine besondere Überraschung parat: das Deutsche Kulturdorf!!!
Nachdem 1873 ein Schiff mit deutscher Besatzung auf einem Riff vor Miyako-jima strandete und acht Seeleute gerettet werden konnten, bedankte sich Kaiser Wilhelm I mit einer Gedenkstele, die noch heute ausgestellt ist. 1995 wurde zurückgehend auf diese Vorgeschichte der deutsche Themenpark erbaut. Bestaunen kann der geneigte Insel-Tourist hier neben einem Kinderhaus – dessen Bedeutung sich uns nicht recht erschlossen hat, zudem es neben Diddl-Mäusen Originalstücke der Berliner Mauer beherbergt – und einem Palais im Stil des 18. Jahrhunderts eine Nachbildung der Marksburg am Rhein besichtigen. Eigentlich war der Plan, das Original zu kaufen, in Deutschland abzubauen und auf Miyako wieder zu errichten, was nicht zustande kam.
So bietet sich mit der japanischen Kopie heute der wirklich interessante und gerade für unsere Augen ungewöhnliche Anblick einer typisch deutschen Burg umgeben von einem postkartenwürdigen Südsee-Panorama. Richtig abenteuerlich wurde es für uns dann noch in der Burg, die ein Museum für…naja, Deutschland ist und unter anderem die deutsche Lebensweise präsentieren soll. Falls noch nicht bekannt: wir sind einfach alle Bayern.

Echt jetzt?
Eine deutsche Burg direkt am Meer
Palais gefällig?
Und so sahen Bube und Dame ihr erstes Stück der Berliner Mauer auf Miyako-jima…
Deutsch für (japanische) Anfänger
Oha…aufgepasst
Zünftig!
Selbst die kleine Dame fragt sich, warum die so komisch aussehen.
Bestimmt praktisch so ein Raum für einen Rest

Neben der Besichtigung deutscher Kultur und Lebensweise haben wir aber die meiste Zeit an unserem kleinen Strand verbracht und wahlweise Korallen, Fische, Krebse oder japanische Lebensweise, genauer das Badeverhalten bestaunt. Wenngleich mir hier fast ein eigenes sneaky picture zur Illustration fehlt, beschränke ich mich auf eine kurze Beschreibung des für uns wenig nachvollziehbaren Treibens um uns herum. Während wir in Badeanzügen und -hosen, bisweilen allenfalls noch mit UV-Oberbekleidung gegen die intensivsten Sonnenstunden auf unseren Handtüchern am Strand saßen, Korallen sammelten oder uns im Wasser rumtrieben, um dann je nach Laune und Tageszeit nach ein bis drei Stunden mal wieder den Rückzug anzutreten, sah das bei unseren Mit-Touristen völlig anders aus. Hier ging man nur an den Strand, wenn man ins Wasser wollte, um danach postwendend wieder jeglichem Sonnenlicht zu entfliehen. Statt Badebekleidung wie wir sie kennen, trug man in der Regel: lange Leggins, darüber eine Badeshorts, Longsleeve oft mit (aufgesetzter) Kapuze plus Sonnenhut mit Riesenkrempe. Auch wenn wir aus Tokio schon gewöhnt sind, dass Japaner und Sonne offenbar keine Freunde sind – Sonnenschirme, lange Sleeves für die Arme und besagte Sonnenhüte – das hatten wir dann doch nicht erwartet. Ganz offenbar ist Strandurlaub überhaupt nicht gleich Strandurlaub.

Vertrauter Klang

Wieder zurück zu Hause, war dann auch in Tokio der Sommer angekommen und mit ihm auch unsere geräuschvollen Freunde vom letzten Jahr: die Zikaden. Was sich beim ersten Mal noch ungewohnt und merkwürdig angehört hat, ist jetzt vertraut und wir haben uns alle gefreut, die Krachmacher wieder zu treffen.
Auch die Lautsprecherwarnungen vor Hitzeschlag gibt es wieder, die einen daran erinnern sollen, ausreichend zu trinken, sich nicht zu überanstrengen und nicht lange in der Sonne zu bleiben – bei Temperaturen zwischen 34 und 37 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 60-80%, nicht von der Hand zu weisen.

Zum Glück gibt es die vielen Wasserparks auf Tokios Spielplätzen, die nun wieder in Betrieb sind und die wir gerne nutzen. Währen wir uns ein Plätzchen im Schatten suchen und zuschauen, jagen Bube und Dame durch Wasserbecken und -fontänen. Win-Win.

Auf dem Weg zum Spielplatz
Ein Spielplatz voller Dinos – der kleine Bube kann sein Glück kaum fassen
Wasser marsch!
Endlich bekommen die Pinguine auch mal Wasser zu sehen…
…und viele Kinder!
Egal in welcher Form, Wasser ist gerade immer willkommen
Entspannter Zuschauer auf dem Trockenen

Ohne Fleiß kein Preis

Seit Montag hat für die Kinder das neue Kindergartenjahr begonnen und aufgrund der schon vor den Ferien eingeführten und damit gewohnten Maßnahmen zum Schutz vor Corona, war es ein entspannter Start für Bube und Dame, die sich sehr auf ihre Freunde und Lehrer gefreut haben.

Während der Ferienwochen konnte ich dank Benni, der im Homeoffice ein bisschen Kinderbeaufsichtigung einschieben konnte, meine Sprachkurse fortsetzen. Der Intensivkurs ging mit einer Lern-Expedition durch Azabu-jūban zu Ende. Mit sensei Abe-san besuchten wir zunächst den Jūban Inari-jinja Schrein. Dieser Shintō-Schrein beherbergt zum einen Abbildungen des Schatzschiffes der sieben Götter, ein Zeichen für viel Glück und eine Statue von Kaeru-san, Herrn Frosch, der Glück und verlorene Gegenstände zurückbringen kann und für eine sichere Heimkehr steht. Abe-san hat uns gezeigt, wie in Shintō-Schreinen gebetet wird und uns die Bedeutung der Ema erklärt, Holzplatten, die an den Schreinen gekauft und mit Wünschen beschrieben werden können. Anschließend gibt man sie am Schrein ab und sie werden aufgehängt in die nächsten Gebete mit eingeschlossen.

Aufgang zum Inari-jinja Schrein – bitte immer schön rechts oder links halten, die Mitte ist für die Götter
Die Ema des Schreins mit dem Glück bringenden Schatz-Schiff
Kaeru-san – Herr Frosch – bringt Glück und verlorene Gegenstände zurück

Unsere bis dahin erlernten sprachlichen Fähigkeiten konnten wir dann noch an verschiedenen Aufgaben in Azabu testen. Wir sollten in einer kleinen Donutbäckerei eine Bestellung für das Team der Sprachschule aufgeben, die wir vorher telefonisch erfragen mussten. Mit vielen Knoten im Hirn und laaaaaangsamen Sätzen konnten wir unseren Auftrag erfolgreich ausführen. Danach ging es zu einem der zahlreichen 100¥-Shops, der japanischen Entsprechung der 1€-Läden, nur meist sehr viel nützlicher und mit einem besseren Angebot. Die Aufgabe war ein Paar Stäbchen zu kaufen, mit denen wir später zurück in der Sprachschule in einem Bohnen-Aufsammelwettbewerb gegeneinander antreten durften.

Letzte Station der Expedition war die Statue von Kimi-chan oder dem „Mädchen mit den roten Schuhen“, wovon es insgesamt acht in Japan und eine in San Diego gibt. In einem alten japanischen Kinderlied (Akai Kutsu = rote Schuhe) erinnert sich eine Mutter an ihre Tochter, die mit Ausländern das Land verlassen hat. Das Lied hat eine wahre Geschichte als Ursprung, jedoch wurde das Mädchen den Überlieferungen zufolge von amerikanischen Missionaren adoptiert und sollte mit ihnen in die USA zurückkehren. Vor der Abfahrt erkrankte Kimi-chan jedoch an der damals unheilbaren Tuberkulose und wurde in ein Waisenhaus in Azabu-jūban gebracht, in dem es schließlich starb. Das Waisenhaus stand an der Stelle, an der sich heute der Inari-jinja Schrein befindet.

Auch Kimi-chan trägt Maske

Nach viel Übung und Erkundungstour ging der erste Sprachkurs zu Ende. Mittlerweile bin ich fast mit dem zweiten fertig, wir schreiben und lesen nicht mehr in Romaji sondern ausschließlich in Hiragana und Katakana und haben mit den ersten Kanji begonnen. Stück für Stück werden die Satzstrukturen und das Vokabular dichter und komplizierter. Auf der Straße und in Geschäften feiere ich jedes Wort, das ich verstehe und sagen oder lesen kann.

Kanji, also die komplexeste Schriftform, bringt mich nach wie vor an meine Grenzen. Sowohl aufgrund der entmutigenden Tatsache, dass es davon mehrere Tausend gibt als auch wegen der sehr komplizierten kontextabhängigen Lesart jedes Einzelnen. Ein Kanji hat meist mehrere verschiedene Lesarten, sowohl sinojapanische, zurückgehend auf die chinesische Lesart des Zeichens (kurz on-Lesart) und japanische (kun-Lesart) und hat dabei meist je mehrere in on oder kun. Für eine Bedeutung kann ein Kanji hierbei manchmal für sich alleine stehen, für andere braucht es weitere Kana-Ergänzungen. Ganz abgesehen davon besteht ein Kanji meist aus vielen Strichen und Bögen, die es zusätzlich schwierig machen, es zu lernen. Es gibt noch viel zu tun…

Hausaufgaben

Wenn wir uns nicht gerade in der Schule oder auf Wasserspielplätzen rumtreiben, versuchen wir wieder vorsichtig die zahlreichen Unterhaltungsangebote und Entdeckungstouren Tokios zu nutzen. So zum Beispiel das Tokyo Trick Art Museum. Vor Motiven aus Japans Geschichte und Legenden konnten wir nach Herzenslust posen und die richtige Stelle für die perfekte optische Täuschung suchen.

Insgesamt ist es immer noch schwierig, Museen, Ausstellungen oder andere Einrichtungen zu besuchen, die sich alle sehr viel Mühe geben, die Schutzmaßnahmen vor Corona umzusetzen. In den meisten Fällen ist eine Online-Registrierung je nach Einrichtung zum Teil Wochen im Voraus erforderlich und nicht immer gibt es dazu englische Versionen. Langweilig wird es trotzdem nie, so dass wir mit den Corona-Auflagen insgesamt gut zurecht kommen.

Ab September werden nun endlich auch alle ausländischen Einwohner mit Auflagen wieder nach Japan zurück kehren dürfen, der Einreisebann hat nach fünf Monaten ein Ende. Auch wenn es noch viele offene Fragen gibt, etwa zu der Art der Tests, die man dafür vor und nach dem Flug machen lassen muss, besteht für uns dann grundsätzlich wieder die Möglichkeit nach Deutschland auszureisen und danach wieder an unseren Wohnort zurückkehren zu können. Den Schaden, den diese klare Ungleichbehandlung von japanischen und nicht-japanischen Einwohnern über Monate für internationale Unternehmen und hier lebende Ausländer angerichtet hat, wird noch langfristige Folgen haben. Viele Ausländer, die nicht zurückkehren konnten, haben ihre Wohnung und ihren Arbeitsplatz hier verloren, viele werden nicht mehr zurückkehren, andere, die geplant hatten, nach Japan zu kommen, werden ihre Entscheidung noch einmal überdenken und ein Teil derer, die noch hier sind, werden nicht länger bleiben wollen. Corona hat vieles verändert, aber der Umgang damit macht in vielen verschiedenen Aspekten den Unterschied.