Plan B im Schnee

Nachdem unser Herbst nachgereicht werden musste, nun aber: Willkommen im japanischen Winter!

Es ist zwar das zweite Mal für uns, dass wir den Winter in Tokio erleben, aber wie fast alles in diesem Jahr, ist nichts, wie es vorher war. Für uns ist die einschneidendste Veränderung, dass wir nicht wie geplant und wie im letzten Jahr nach Deutschland zu unserer Familie und unseren Freunden fliegen konnten. Schon bevor Deutschland in den erneuten Lockdown gegangen ist, haben wir uns aufgrund der hohen Reiseauflagen und der generellen Risiken gegen die Heimreise entschieden. Was sich mit der gegenwärtigen Entwicklung auch als richtig erwiesen hat, aber das macht es nicht unbedingt leichter.

So mussten wir uns alle erst einmal an den Gedanken gewöhnen, zum ersten Mal keine deutschen Weihnachten zu feiern. Und uns überlegen wie wir möglichst viele Bestandteile deutscher Weihnachten dennoch in unsere Weihnachtszeit in Japan einschleusen.
Letztes Jahr habe ich schon ein wenig darüber berichtet, wie in Japan Weihnachten oder クリスマス (KU-RI-SU-MA-SU) gefeiert wird (Jede Menge Lichter). Es gibt eine Menge wunderschöne Weihnachtsbeleuchtung und auch einige Weihnachtsmarkt-Versuche und wie in Deutschland auch, hört man viel Weihnachtsmusik in den Geschäften, aber das war es im Prinzip auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Was man an Weihnachtsleckereien auch in Tokio zuverlässig kaufen kann, ist ausgerechnet Christstollen. Ich hasse Stollen. Schon immer und mit Überzeugung.
Zum Glück habe ich aber noch von einem kleinen Weihnachtsbasar erfahren, den die Deutsche Kirche in Setagaya jedes Jahr ausrichtet und auf dem man Lebkuchen, Marzipan und Weihnachtsplätzchen kaufen kann. Mit dem Rad voller Einkäufe bin ich von diesem Streifzug vor dem 1. Advent wieder heim gekehrt. So waren wir kulinarisch schonmal etwas gerüstet. Zusammen haben wir dann noch Kerzen und ein bisschen Weihnachtsdeko eingekauft und unseren eigenen Adventskranz – oder eher unser Adventstablett – gebastelt. Und dann kamen zu Beginn der Weihnachtszeit noch ganz zauberhafte Pakete von Familie und Freunden, die keine Wünsche mehr offen ließen, so viele tolle Sachen wie Naschereien, Adventskalender, weihnachtliche „Stehrums“ wie Benni immer sagt, und wichtige Utensilien wie zum Beispiel Glühweingewürz wurden uns geschickt. Wir waren gerührt und bestens versorgt für diese völlig ungewöhnlichen Weihnachtswochen.

Advent, Advent

Weihnachtsessen auf Japanisch

Japan ist ja nun wirklich ein Land mit ganz hervorragendem Essen und mit viel Liebe zum Detail bis in das noch so kleinste Izakaya an der Straßenecke. Da man sich aber mit Weihnachten nicht so richtig auskennt, hat man sich an ausländischen Vorbildern orientiert. Dass es dann aber kulinarisch ausgerechnet amerikanisches Fast-Food werden musste, führt heute zu einem sehr abenteuerlichen Anblick in der Weihnachtszeit: Werbung von KFC mit dem hier berühmten Weihnachtsbucket und anderen festlichen Menüvorschlägen gefühlt an jeder Ecke. Es ist tatsächlich so: in Japan isst man gerne frittierte Hähnchenteile bevorzugt von Kentucky Fried Chicken zu Weihnachten. Vorbestellungen werden schon ab November angenommen und fleißig genutzt. Wie konnte es soweit kommen?

Seit Anfang der 70er Jahre gibt es die Fast Food Kette in Japan und Initiatorin des neuen Weihnachtsbrauchs war wohl eine Frau, die von einem benachbarten christlichen Kindergarten in die nächste KFC-Filiale spazierte, um für die Weihnachtsfeier Essen zu ordern und die die Filialmitarbeiter darum bat, das Essen als Santa verkleidet zu liefern. Selbst ich kann nach allem, was ich bisher von japanischer Servicebereitschaft und Freundlichkeit gesehen habe, sagen, wie dieser Wunsch aufgenommen wurde: Takeshi Okawara, der Filialleiter höchstpersönlich, machte sich als Santa auf zum Kindergarten und war selbstredend ein großer Hit bei den Kindern. So gut kam er wohl an, dass noch andere Schulen ihn dafür anfragten und das Marketing der Firma davon Wind bekam. Seit 1974 bis heute gibt es die großen KFC-Weihnachtswerbeaktionen.
Okawara wurde später übrigens noch für viele Jahre Präsident und CEO von KFC Japan und gibt heute japanisch reuevoll und gleichzeitig bereitwillig zu, in einem Interview seinerzeit geflunkert zu haben, als er gefragt worden sei, ob denn Hähnchenteile tatsächlich eine Weihnachtstradition im Westen sein…

Wer sich schon um seine Hähnchenbestellung zum Fest gekümmert hat, kann nun den zweiten allgegenwärtigen Bestandteil zum Weihnachtsessen besorgen: クリスマスケーキ (KU-RI-SU-MA-SU KEE-KI) – den Weihnachtskuchen, oder eher die kunstvoll verzierte Weihnachtstorte. Diese Tradition folgt eher der generellen Orientierung am Wohlstand und am Einfluss des Westens der Nachkriegszeit. Schokolade und andere Zutaten waren teuer und schwer zu bekommen und dementsprechend etwas Besonderes. Westliche Weihnachten waren mit ihrer ungewohnten Pracht ein Symbol für Wohlstand, da durfte also etwas Außergewöhnliches in Form eines Keeki nicht fehlen. Die typische japanische Weihnachtstorte ist eine runde weiße Sahne-Biskuit-Torte mit Erdbeeren in der Mitte (japanische Flagge und so). Erdbeeren haben hier übrigens so von Winter bis Frühling Saison.

Wir haben auch in unserem zweiten Jahr hier unanständigerweise auf beide essbaren Weihnachtstraditionen verzichtet, aber wenn ich mich mal zu einer von beiden hinreißen lassen, dann definitiv zur Torte. Inzwischen gibt es auch nicht mehr nur Erdbeertorten sondern unfassbar viel Auswahl an wahren Kunstwerken. Nächstes Jahr vielleicht…

Eingang zum Christmas-Garden im Shība-Kōen, eher so zu verstehen wie ein Biergarten mit Weihnachtsdeko
Und mit abenteuerlichem Weihnachtsbaumschmuck..

Tiere und blaue, katzenartige Roboter

Winter ist ja hier in Tokio zunächst mal noch ein halber deutscher Herbst und ab der zweiten Dezemberhälfte können wir dann langsam von Winter sprechen, aber meist immer noch mit sehr schönen bunten Blättern zwischen der Weihnachtsdeko. Wir waren also weiterhin viel draußen und haben versucht, einen Zwischenweg aus coronabedingtem Hausarrest und Frischluft zu erhalten. Die Zahlen sind auch in Japan nicht gut, besser als in vielen anderen Ländern, aber die Entwicklung und damit die Auslastung der Krankenhäuser ist auch hier besorgniserregend. Von einem weiteren Lockdown spricht Premierminister Suga nicht, insgesamt bleiben Maßnahmen hier sehr verhalten. Wozu das führt, wird man dann in den nächsten Wochen an den Zahlen ablesen können. Wenn ich von Hausarrest spreche, meine ich also unsere generelle Tendenz so viel wie möglich zu Hause zu bleiben und wenn wir rausgehen, Massen zu vermeiden. Auf dem Spielplatz geht das zum Beispiel ganz gut kurz vor Dunkelheit oder zum Spaziergehen auch später, dann hat man auch in Tokio etwas mehr Platz und trotzdem frische Luft.

Mit vorangegangener Reservierung sind wir außerdem zum einen in den Yokohama Zoo gefahren, ein sehr großer und schöner Zoo raus aus der Stadt. Nachdem wir schon oft im Ueno Zoo in Tokio waren, aber auch dort dieses Jahr nur einmal, war das für uns alle ein schöner Tag im Grünen und besonders für den kleinen Buben eine mächtige Entdeckungsreise auf der Suche nach seinen Lieblingstieren (ok, es gab diesmal keinen Walhai wie in Okinawa, der hat es ihm auch sehr angetan).

Unser zweiter Ausflug war eine Überraschung zum Geburtstag des kleinen (nun ein wenig größeren) Buben. Die kleine Dame hat herrlich mit geplant und das Geheimnis stolz gewahrt. Er ist nämlich großer Doraemon-Fan. Doraemon ist ein blauer katzenartiger Roboter aus der Zukunft (!), der mit seinem Freund Nobita viele Abenteuer erlebt und seit mittlerweile über 50 Jahren fester Bestandteil japanischer Haushalte ist. Es gab also eine knallblaue Doraemon-Torte und einen Besuch im Fujiko F. Fujio- oder auch Doraemon-Museum in Kanagawa. Fujio ist der Zeichner der Comics und ihm zu Ehren gibt es in dem Museum viele Details zu Doraemons Entstehung zu sehen.

Doraemon!!

Als kleines vorgezogenes Weihnachtsgeschenk haben Benni und ich uns noch eine Kamera gekauft, um die vielen, beeindruckenden Motive auf unserem Japan-Abenteuer zwar immer noch laienhaft, aber nicht mehr nur mit dem Handy einzufangen. Also gibt es jetzt zwar keine Tokio-Weihnachtsbeleuchtung, aber ein bisschen von dem, was man hier wohl normale Alltagsbeleuchtung nennen muss:

Izakaya in Mita/ Minato-ku
Roppongi Hills / Minato-ku
Ginza / Chūō-ku
Thai-Restaurant in Shibaura / Minato-ku

Rückzug in den Schnee

Den Großteil der Weihnachtszeit haben wir also mit ein paar Tricks und Unterstützung ganz erfolgreich in Tokio gemeistert. Es ist natürlich immer noch kein Vergleich zur gewohnten und geliebten deutschen Weihnachtszeit (wer es noch nicht festgestellt hat, ich bin großer und bekennender Fan), aber schön war es trotzdem.
Als wir den Weihnachtsurlaub nach Deutschland schweren Herzens abgesagt hatten, mussten wir uns auch gleichzeitig entscheiden, wie und wo wir die Weihnachtsfeiertage in Japan verbringen wollten. Inlandsreisen waren und sind weiterhin möglich und zum Teil sogar gefördert in Japan. Als wir uns für Hokkaido und damit einen Urlaub im Schnee entschieden, war auch das Reisen in Deutschland noch problemlos möglich, es gab noch keinen Lockdown. Als wir uns dann aber schließlich in den Flieger setzten, sah das schon deutlich anders aus und wir waren trotz Weihnachtsheimweh einfach froh, dass wir diese Auszeit in den Bergen überhaupt nehmen konnten.

Hokkaido ist die nördliche der drei Hauptinseln Japans und ziemlich in der Mitte liegt das Winterwunderland Tomamu auf knapp 600 Metern und mit Skigebieten bis zu 1200 Metern. Unsere Hoffnung war, dass die kleine Dame hier ihren ersten Skikurs machen könnte und wir vielleicht mal abwechselnd oder wenigstens einer von uns beiden kurz Skiluft schnuppern könnte. Wir hatten uns mit dem Club Med für eine internationale Hotelkette entschieden, aber da es in Japan dieses Jahr keinen internationalen Tourismus gibt, haben wir nicht damit gerechnet, besonders viele internationale Gäste oder Angestellte zu sehen. Weit gefehlt. Gefühlt waren alle Gaijin des Landes, die ja genauso wenig wie wir nach Hause fliegen konnten oder wollten, in Tomamu zusammen gekommen und die Angestellten waren aus insgesamt 26 Nationen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich darüber mal so freuen könnte, aber es war schön, nach 1,5 Jahren in Tokio und einem Jahr ohne Auslandsaufenthalt mal nicht aufzufallen, nicht aus der Masse herauszustechen, nicht diskret angeschaut oder heimlich fotografiert zu werden oder einfach das deutliche Gefühl und Bewusstsein zu haben, anders zu sein. Das alles ist nichts, was uns im Alltag als besonders schlimm oder belastend begegnet. Japaner sind im Gegenteil in der Regel sehr rücksichtsvoll und achtsam. Aber wir fallen auf. Immer und überall. Und wenn man nie mal einfach in der Masse untertauchen kann, dann ist das manchmal auch etwas ermüdend. So gesehen hatten wir hier in Tomamu also einen Urlaubsort gefunden, an dem wir uns wirklich erholen konnten von unserem Alltag. Und der ist eben nicht immer so alltäglich.

Und nicht nur das war der Vorteil der Internationalität: die Kinderbetreuung und die damit verbundenen Angebote waren nicht nur großartig, sie waren eben auch international, ein Parkett, auf dem Bube und Dame sich mehr als sicher fühlen mittlerweile. Mit Begeisterung und einem hektischen Abschiedskuss für die staunenden Eltern stürzten sie sich in ihre jeweiligen Gruppen und ließen uns leicht verdattert zurück. Nachdem wir die erste Verwirrung und Ungläubigkeit abgelegt hatten, rannten wir fast zur Ausleihe für Skiausrüstung.

Endlich wieder Skifahren

Wir waren nicht mehr Ski gefahren seit Benni seine Promotion geschrieben hat und die Zeit dafür fehlte. In der darauffolgenden Saison war ich schon schwanger mit der kleinen Dame. Sieben Jahre ohne Skifahren. Eine Abfahrt in diesem unglaublichen dicken Pulverschnee Japans, wo die Skigebiete noch ohne Schneemaschinen auskommen, und wir haben gegrinst wie Honigkuchenpferde. Besonders Benni, der auch im Hotel noch gearbeitet hatte bis kurz vor Piste, weil es in Japan zwar Weihnachtskitsch aber keine Weihnachtsfeiertage gibt, rutschte mit jedem Meter auf der Abfahrt sichtlich mehr in die Urlaubsstimmung. Und ich, wohlwissend, dass die beiden Krachnasen hochzufrieden mit ihrem jeweiligen Unterhaltungsprogramm waren, gleich hinterher.

Wir hatten uns natürlich vorher gefragt, wie ein so großes Familienhotel die Schutzmaßnahmen gegen Corona umsetzen würde und wie es insgesamt funktionieren würde im Zusammenspiel mit den übrigen Gästen. Zunächst einmal galt natürlich im gesamten Hotel außerhalb der Zimmer Maskenpflicht, woran sich glücklicherweise alle hielten. Auch der kleine Bube trug mit seinen gerade drei Jahren anstandslos und vergnügt seine Maske und da wir nicht wirklich viel auf dem Zimmer waren, trugen wir mehr oder weniger nur zum Schlafen keine Maske. Zusätzlich war das Hotel nur zu knapp 30 Prozent belegt, so dass genug Abstand zu jeder Zeit möglich war. Dazu kam jede Menge Einsatz des gesamten Personals, das für reibungslose Abläufe sorgte. Nichts ist im Moment so sicher, wie zu Hause zu bleiben, wo es geht, aber wir haben uns zum Glück so sicher wie unter den Umständen möglich fühlen dürfen.

So wurden aus unseren unfreiwillig japanischen Weihnachten wirklich schöne Tage, die wir alle sehr sehr genossen haben. Umso mehr, weil uns bewusst ist, dass die Rückkehr in die größte Metropolregion der Erde inmitten einer Pandemie wieder mehr Sorgen, Vorsicht und Unsicherheit bedeuten.

Bleibt gesund, passt auf euch auf und habt einen schönen Start ins Neue Jahr!

Winterwunderland
Iglu-Magie

Herbst in der Pipeline

Ich bin mit meiner Berichterstattung leider ordentlich ins Hintertreffen geraten und erhalte – zurecht – schon Nachrichten, was denn hier los ist. Zunächst einmal: lieben Dank für die Nachrichten, das Feedback und das Interesse an unseren Japan-Abenteuern! Ich freue mich über jede einzelne Rückmeldung sehr. Viele kleine Einblicke in unseren Alltag teile ich inzwischen auch regelmäßig auf Instagram (@simone_in_tokio) und freue mich auch hier über euch, wenn ihr Lust habt.

Mein letzter Beitrag aus dem Herbst steckte noch in der virtuellen Pipeline, daher reiche ich jetzt erst einmal diesen nach, bevor wir wieder in der winterlichen Gegenwart ankommen.

Unser Herbst hat hier in Japan mit angemessener japanischer Disziplin am 22. September mit einem Feiertag begonnen. Mit Disziplin, weil gefühlt selbst die Bäume wissen, was sich gehört und just an diesem Tag begonnen haben, die Blätter einzufärben. 
Der Herbst ist hier bis auf ein paar Regentage eine herrliche Jahreszeit. Es ist noch relativ warm, aber die Schwüle des Sommers ist verschwunden, die Luft ist klar und der Himmel oft geradezu unverschämt blau.
Unsere aktuellen Corona-Zahlen erlauben uns noch einen verhältnismäßig normalen Alltag. Anlässlich meines Geburtstags letzte Woche haben wir uns sogar ein paar Tage nach Okinawa verkrümeln können. Ein großer Luxus inmitten einer Welt, in der Reisen alles andere als selbstverständlich sind.

Okinawa ist eine japanische Präfektur mit über 150 Inseln im Ostchinesischen Meer. Miyako-jima, wo wir im Juli waren, gehört auch zu Okinawa. Diesmal ging es auf die Hauptinsel. Die Sommersaison war gerade zu Ende gegangen, so dass die großen Massen ausblieben, wir uns aber immer noch über 22-26 Grad und Sonnenschein freuen konnten. Die Insel ist wunderschön Grün, was gerade im Vergleich zu Tokio eine angenehme Abwechslung war. Nach einem Tag am Strand und im Pool durfte ein Besuch im Okinawa Churaumi Aquarium nicht fehlen. Besonders die großen Walhaie und die Riff-Mantas waren sehr beeindruckend.

Am letzten Tag hatten wir noch Zeit für eine kleine Höhlenwanderung – die erste für den kleinen Buben und die zweite für die kleine Dame (bei der ersten auf Mallorca steckte si allerdings noch als Baby in der Trage und war mäßig begeistert von der merkwürdigen Umgebung). Beide Nachwuchshöhlenforscher schritten begeistert voran und erkundeten Stalagmiten und Stalagtiten.

Jungle Love
Meine Mama hat immer gesagt, 40 sei ihr Lieblingsalter gewesen. Auf dich, Mama!

Okinawa hat übrigens kleine Wächter: die Shīsā. Sie sehen ein bisschen wie eine Kreuzung aus Löwe und Hund aus und sitzen in Pärchen an Eingängen und auf Hausdächern. Der linke Shīsā hat seinen Mund geschlossen und hält das Gute im Haus, der rechte Wächter hat seinen Mund geöffnet und vertreibt die bösen Geister.

Stadtleben

In Tokio sind wir dankbar um jede Woche, die relativ normal machbar ist. Aktuell ist auch hier eine dritte Welle deutlich zu erkennen, wir warten noch ab, ob es Änderungen geben wird.

Der Kindergarten organisiert mit viel Umsicht und Aufwand so viele Events aus den letzten Jahren wie in Zeiten von Corona noch möglich sind. Eines davon war Potatoe Digging auf einer Farm. Hier konnten die größeren Stadtkinder sich mal die Hände schmutzig machen und auf einer Süßkartoffelfarm Kartoffeln ernten. Die kleine Dame hatte einen Riesenspaß und brachte stolz ihre Beute mit nach Hause. Um sich dann plötzlich daran zu erinnern, dass sie ja eigentlich gar keine Süßkartoffeln mag. Wir haben dann Süskartoffelchips daraus gemacht, Chips gehen offenbar immer.

Halloween konnten wir in abgewandelter und reduzierter Form auch wieder feiern und da man in Japan und in der internationalen Schule umsonst nach einem Faschingsfest sucht, ist es als einzige Chance, sich zu verkleiden, sehr willkommen. So machten sich der kleine Buzz Lightyear und Jessy (beide Toy Story) völlig im Glück auf den Weg zum Spielplatz, wo es kleine Trick or Treat-Beutel gab. Und ein Schmetterling war auch dabei…

Mal wieder ein bisschen Aussicht

Nachdem wir in unserem ersten Jahr hier so ziemlich jede Aussichtsmöglichkeit genutzt haben, die wir gefunden haben, gab es erstmal eine lange Pause. Neulich war es dann aber mal wieder Zeit und wir sind mit dem Daikanransha auf Odaiba gefahren. Das bunte Riesenrad kannten wir schon, aber noch nicht im Dunkeln. Drei von uns waren hingerissen – der kleine Bube muss im letzten Jahr eine ordentliche Skepsis vor Höhen entwickelt haben (trotz Wohnung im 37. Stock). Er wäre lieber gleich wieder runter gefahren, hat aber auf Bennis Schoß und mit sparsamem Gesichtsausdruck tapfer durchgehalten.

Meine Zeit

November war ja schon immer mein liebster Monat und Herbst meine Jahreszeit. In Deutschland ist das immer schwer zu erklären mit vielen Regen- und Nebeltagen. In Tokio ist der November hingegen schlicht perfekt: fast durchweg strahlender Sonnenschein bei um die 16 Grad und klarem, blauen Himmel zusammen mit bunten Blättern. Wenn unbeschwertes Reisen irgendwann wieder möglich ist, und jemand von euch mit dem Gedanken spielt, Tokio zu besuchen (was ich ohnehin und ohne jedes Zögern dringend empfehle): kommt im November!

Ich habe den strahlend schönen Sonnenschein genutzt, um ein paar Ausflüge zu machen, die ich schon lange auf meiner Wunschliste hatte.

Die beste Aussicht, die ich beim Yoga je hatte

Lächeln und winken

Es gibt sehr viele Tempel und Schreine in Tokio, manchmal nur ganz kleine, fast unscheinbar zwischen zwei Häuser gequetscht. Einer der größeren und sehr bekannten ist der buddhistische Gōtoku-ji in Setagaya. Besser bekannt als „Maneki Neko“- oder „Winkekatzen“-Schrein, gehen verschiedene Gründungsgeschichten zurück auf die Legende der Tempelkatze Tama, die wahlweise einem Fürst das Leben gerettet hat, indem sie ihm während eines Gewitters zugewunken hat und er deshalb seine Deckung unter einem Baum rechtzeitig vor dem folgenden Blitzeinschlag verließ, oder die eine Reisegruppe einflussreicher Herrschaften durch ihr Winken zu dem Tempel brachte. In jedem Fall waren Unterstützung und Reichtum für den Tempel die Folge der Begegnung mit Tama, so dass sie heute noch als Glücksbringer verehrt wird. Auf dem wunderschönen Gelände des Gōtoku-ji sind Tausende Maneki Nekos in allen Größen aufgestellt, die Besucher mit Wünschen ausgestattet zurückgelassen haben. Ein wirklich beeindruckender Anblick.

Viele kleine Wunscherfüller an der Arbeit

Weitläufige Tempelanlage

Ein weiterer Schrein stand auch auf meiner Liste: der Nezu-jinja, der besonders für seine roten Torī vor dem Otome-Inari-jinja auf dem Gelände bekannt ist. Die meisten Bilder, die man von roten Torī in Japan sieht, stammen aus dem berühmten Fushimi Inari-taisha in Kyōto. Die des Nezu-jinja sind kleiner und nicht ganz so geläufig, aber einen Besuch mehr als wert.

Torī markieren den Übergang des Profanen zum Heiligen und stehen an vielen Eingängen zu Schreinen. Oft ist es nur ein Tor und nicht immer sind sie rot, aber ohne Frage sind sie am beeindruckendsten, wenn sie als ganzer strahlend roter Gang zum Schrein hinführen.

Otome-Inari-jinja

Von Insel zu Insel

Tokio hört nicht auf, uns zu überraschen mit seiner Vielseitigkeit. Jetzt im neuen Quartier angekommen, galt es, die nähere Umgebung zu entdecken. Hätten wir noch irgendwelche Zweifel gehabt, ob wir mit der Wohnlage richtig entschieden haben, wären sie spätestens mit dem Wochenende endgültig zerstreut worden. Wir haben Odaiba entdeckt. Wie auch Shibaura eine künstliche Insel, die mit unserer durch die Rainbow Bridge verbunden ist. Darüber gelangt man neben dem Auto oder zu Fuß im übrigen mit der Yurikamome, meiner neuen Lieblingsbahn, die ich ja schon letzte Woche entdeckt hatte.

Unser erstes Ziel auf Odaiba war die teamLab Borderless Ausstellung, die schon in Deutschland auf meiner Wunschliste stand. Diese digitale Welt, geschaffen von Technikern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, will grenzenlose Übergänge zwischen Mensch und Kunstwerk, zwischen Realität und digitalem Raum schaffen und lässt den Besucher ohne definierte Wege durch die Installationen wandern.

Zum Beispiel durch Blumenwelten, die sich rings um uns herum und mit uns als Projektionsfläche ständig veränderten. Bube und Dame jagten virtuellen Fröschen hinterher, rollten leuchtende Bälle durch den dunklen Raum, die kleine Dame bewältigte einen beleuchteten Kletterparcours und entließ ein selbst gemaltes Meerestier mit einem Hightechscanner in ein raumgroße virtuelles Aquarium und sah ihm beim Schwimmen zu. Sie hatte sich hier für einen echt flotten Fisch als Vorlage entschieden, den ich regelrecht für ein Foto jagen musste.

Im Forest of Lamps ließen wir uns verzaubern von der durch Spiegel erzeugten Unendlichkeit der bunten Leuchten. Letzteres hat der Bube verpasst, die Zeit, die wir dafür anstanden, hat er für seinen Mittagsschlaf auf Bennis Arm genutzt. Insgesamt eine sehr beeindruckende Ausstellung, die ich sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.

Forest of Lamps

Aber Odaiba hat noch mehr zu bieten. Neben gleich drei Einkaufszentren, die wir mal kurz begutachteten, gibt es hier auch einen Strand. Noch eine Art, wie man Wasser im Sommer in Tokio gewinnbringend nutzen kann: ans Meer fahren. Bisschen schräg fühlt es sich an, kurz hinter der Haustür in die Bahn zu steigen und nach einer Station am Strand wieder auszusteigen. Und dann sitzt man da und schaut den Kindern zu, die vor der Skyline Tokios durchs Wasser hopsen und sich wie zwei Minischnitzel freuen. Könnte schlechter laufen.

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Blick auf unser Zuhause (noch leicht von der Brücke bedeckt ist ein Hochhaus im Bau mit Kränen auf dem Dach, zweites Haus links davon)

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Strandtag

Morgen starten wir in die letzte Phase der Anfangszeit hier. Wir lernen die Erzieher im Kindergarten kennen. Am Mittwoch geht es für den Buben und die kleine Dame los.

Ab ins Nest!

61 Tage hatten wir kein Zuhause. Neun Wochen hatten wir immer dieselben paar Klamotten in Endlosschleifen an, die in unseren Koffern Platz gefunden hatten. In sieben Unterkünften haben wir uns kurzfristig eingelebt und wieder ausgecheckt. Jetzt sind wir da. In unserem neuen Zuhause. Wir leben in Tokio.

Montag wurden wir um 9.00 Uhr von unserer Maklerin Rio abgeholt. Im übrigen machen Makler hier einen sehr viel umfangreicheren und serviceorientierteren Job als in Deutschland, wo der Auftrag als erledigt betrachtet wird, wenn der Mieter unterschrieben hat. Nicht so für Rio, die nach unserer Zusage noch entschieden hat, dass der Vermieter ruhig noch eine Klimaanlage mehr (in zwei von vier Zimmern war keine installiert) und Vorhänge für alle Räume springen lassen könnte. Das hat sie dann auch tatsächlich ausgehandelt. Den Vorhangstoff und die Farbe für jeden einzelnen Raum konnten wir sogar selbst bestimmen. Dann spielte sie auch noch Chauffeurin für uns und unsere diversen Gepäckstücke sowie Babysitterin für den Buben und die Dame, während wir der Einführung ins Gebäude lauschten.

Den Fahrservice nutzen dann allerdings nur Benni und die Kinder, ich fuhr mein Mamachari nach Shibaura Island. Im Zuge der Einführung lernten wir dann nicht nur, wo unser Briefkasten und die hauseigene Packstation ist sondern auch, wo mein Mamachari wohnt. Im größten Fahrradkeller, den ich je gesehen habe. Und das Bild zeigt nur etwa ein Drittel des ganzen Raums.

Fahrräder ohne Ende

Fahrrad verstaut, alle vollzählig, Koffer hochgebracht bekommen, noch schnell Proviant für den Tag im Supermarkt nebenan besorgt, Benni verabschiedet, es konnte losgehen. Insgesamt reihten sich am Montag drei Service-Checks und drei Lieferungen aneinander. Nach reichlich Gewusel, Auspacken und Aufbauen – zum Glück nicht durch mich sondern von den Möbellieferanten – hatten wir am Ende des Tages schon eine gewisse Gemütlichkeit in unserem Nest – denn so fühlt es sich so weit oben irgendwie tatsächlich an – zwischen all den Kartons und Koffern erreicht. Und an der Aussicht kann sich keiner von uns so richtig satt sehen. Am allerwenigsten der Bube, der immer wieder seinen Lieblingsplatz am Fenster einnimmt und staunt.

Lieblingsplatz mit Aussicht

Schön bei Tag…

…und bei Nacht

Nasser Hund

Dienstagnachmittag ging es nochmal zu Nitori, dem Möbelhaus unseres Vertrauens, um ein paar Dinge nachzubestellen. Der Plan war, dass ich mit den Kindern mit der U-Bahn nach Shibuya fahre und wir uns dort mit Benni an der Hachiko-Statue treffen. Hachiko war der vor ein paar Jahren auch durch den Film mit Richard Gere bekannt gewordene treue Hund, der sein Herrchen jeden Tag vom Bahnhof abholte und nach dessen plötzlichem Tod noch jahrelang bis zu seinem eigenen Tod zur selben Uhrzeit am Bahnhof darauf wartete, ob sein Mensch nicht vielleicht doch noch auftauchte.

Wir kamen auch bis zur Statue – und dann keinen Milimeter weiter. Es goss wie aus Eimern und wir hatten weder Schirm noch Regenjacken noch sonst etwas mit. Großartig. Auch Hachiko sah irgendwie traurig aus. Nitori, nur ein paar Hundert Meter entfernt, war unerreichbar. Nach einer langen Wartezeit und dem Kauf zweier Schirme, haben wir es noch geschafft, waren aber bis auf den auf Bennis Arm gut unter dem Schirm verstauten Buben SEHR nass. Die kleine Dame wurde in ihre Wechselklamotten gesteckt, die Großen bissen die Zähne zusammen und ließen sich während des Einkaufs lufttrocknen.

Mittwoch ging es dann weiter mit Lieferungen und Terminen. Die japanische Entsprechung des Telekom-Technikers kam vorbei, um den Internetzugang freizuschalten und gleich darauf der Mensch des Anbieters, um es einzurichten. Lief alles wie am Schnürchen. Nest ist online.

Oh der Donnerstag. Ein großer Tag und ein anstrengender Tag. Unsere Kisten aus Deutschland wurden geliefert. Nach all den Wochen Minimalismus, waren wir wirklich überfordert mit den ganzen Dingen, die wir glaubten zu brauchen. Puh. Es hätte auch weniger getan. Aber half ja nichts. Alles auspacken und einräumen. Und dabei die Nerven behalten, denn mit zwei Kindern heißt das nichts anderes, als stetig einzuräumen und genauso stetig alles zwecks Begutachtung, Wiedersehensfreude und Spieldrang wieder aus dem Schrank oder einfach direkt aus der Hand genommen zu bekommen. Aber es war schön zu sehen, wie die beiden sich gefreut haben über lang vermisste oder vergessene Sachen.

Ich machte mich schließlich nochmal auf in den Elektronikladen, denn auch daraus fehlten noch ein paar Kleinigkeiten. U-Bahn im Berufsverkehr, es war also soweit. Yay. Geht, aber gibt Schöneres. Entlohnt wurde ich allerdings auf der Rückfahrt, auf der ich die Yurikamome Linie nahm statt der Yamamote Linie wie auf dem Hinweg. Die Yurikamome fährt auf diesem Teilstück komplett überirdisch am Wasser entlang und hat zudem noch Panoramascheiben am vorderen Ende, an dem ich mich durch Zufall wiederfand. Das war mal eine Fahrt mit Aussicht.

Fahrt mit der Yurikamome Linie

Blieb heute noch, die Stühle und den Tisch für die Kinder aufzubauen, aber da hatte ich tatkräftige Unterstützung.

Noch fehlt einiges und es sieht zum Teil noch chaotisch aus, aber hier schonmal die einigermaßen fertiggestellten Bereiche in unserem Nest:

Wohnzimmer

Das Reich der kleinen Dame mit dem selbst ausgesuchten Hochbett

Bubes Zimmer – das war‘s mit dem Babybett

Unser Bett kommt noch – solange tut es die Matratze

Das typische japanische Bad ist zweiteilig, Teil 1…

…und Teil 2

Die Toilette, zu deren berühmten Funktionen an anderer Stelle mehr

Der Eingangsbereich: ganz wichtig ist die geflieste Schuhzone, danach geht es in Hausschuhen oder barfuß weiter