Kawaii!!!

Wir fangen heute mal mit einer kleinen Begriffsdefinition an.

kawaii oder かわいい

‚Kawaii’ ist genau genommen so viel mehr als nur ein Begriff, es ist allgegenwärtig und fester Teil des japanischen Lebens.

Was also bedeutet ‚kawaii‘? Ich bin schon recht früh auf das Wort gestoßen und meine auch, es früher schonmal gehört zu haben, aber Bedeutung und vor allem Ausmaß sind mir erst hier klar geworden. ‚Kawaii‘ bedeutet zunächst mal ‚niedlich‘, ‚süß‘ oder ‚kindlich‘. Man hört es auf der Straße gerne mal, wenn eine Japanerin oder ein Japaner einen von diesen Mini-Fellbällen sieht, die sie hier Hunde nennen. Oder ein (scheinbar) niedliches Geschirr-Set. Oder meine Kinder, die ja hier hohen Seltenheitswert haben mit ihren blonden Haaren und eine kleine Attraktion sind, weil sie auch noch im Doppelpack auftreten. Ein sehr hoch gesprochenes „Kawaaaaaaiiii“ zusammen mit dem Ausdruck der puren Verzückung begegnet uns also schon seit wir hier sind immer mal wieder. Doch die Bedeutung von ‚kawaii‘ geht weit über ein bloßes Adjektiv hinaus. Wikipedia sagt dazu: „Mittlerweile steht er [der Ausdruck ‚kawaii‘] für ein ästhetisches Konzept, das Unschuld und Kindlichkeit betont und sich auf alle Bereiche der japanischen Gesellschaft ausgedehnt hat.“

Und mit allen Bereichen sind auch sehr offizielle oder administrative Bereiche gemeint. Als wir gerade erst angekommen waren und die ersten Ämtergänge hinter uns hatten, kam ein Schreiben, das komplett in Kanji geschrieben war, das ich also ohne Übersetzung nicht zuordnen konnte. Auf dem ganzen mehrseitigen Dokument waren niedliche Comic-Häschen zu finden. Ich hielt es erstmal für nicht weiter wichtig, weil – hallo?!? – HÄSCHEN? Es waren unsere Sozialversicherungsdaten und damit die hier wichtigsten personenbezogenen Nummern für unseren Aufenthalt.

Niedliche Figuren und Maskottchen sind hier sehr beliebt, nicht nur in Vereinen oder im Sport sondern eben auch in Verwaltung oder bei offiziellen Einrichtungen. Pipo-kun zum Beispiel, ein oranges mausähnliches Kerlchen (und ein Kerlchen muss er sein, denn -kun ist die Nachsilbe für Jungen), ist das offizielle Maskottchen der Tokyo Metropolitan Police. Straßenabsperrungen sind hier gerne mal Häschen, Frösche oder andere Tierchen. Erwachsene Japaner sitzen mit ihren Trinkpäckchen in der Bahn, an Designerhandtaschen baumeln Stofftierchen und Japanerinnen folgen in großen Teilen einem Schönheitsideal, das sie möglichst unschuldig und süß aussehen lässt. ‚Kawaii‘, wohin man schaut. 

Wenn man hier lebt, ist man täglich von ‚kawaii‘ umgeben, aber diese Woche, habe ich es mal richtig krachen lassen und explizit Jagd auf die Niedlichkeit gemacht. Kindisch sein kann ich auch. Willkommen in meiner bonbonbunten, verrückten, zuckersüßen Woche!

Das Monster Harajuku

Harajuku – ein hippes Streetart-Viertel Tokyos – ist so oder so jeden Ausflug wert. Ausgefallene Mode, entspanntes Publikum, schöne Cafés und eine Menge großer und kleiner Läden machen die Gegend interessant und farbenfroh. Der Designer Sebastian Masuda nennt Harajuku ein Monster, das alles verschlingt und ständig wächst und hat ihm mit dem „Kawaii Monster Café“ ein Denkmal gesetzt. ‚Kawaii‘, eh?

Ich war ja auf einiges gefasst, nachdem ich mir vorher schon Bilder angesehen hatte, aber live war es dann nochmal eine Schippe mehr auf der Regenbogenskala. Mein lieber Freund, war das BUNT. Begrüßt wird man von einer der fünf Harajuku-Girls, Mädels in schönstem Cosplay-artigen Kostüm: Baby, Dolly, Candy, Nasty und Crazy. Wir wurden von Nasty in Empfang genommen, ich konnte mir ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Hätte ich mir eine aussuchen dürfen, es wäre wohl Nasty geworden. Immer hinter Nastys ausladendem Rock her ging es zu unserem Platz. Von hier aus konnten wir auch die kleine Show anschauen, die die Harajuku-Girls regelmäßig auf dem Karussell in der Mitte des Cafés aufführen. Bube und Dame stand der Mund offen bei so viel Farbe und Musik. Mir auch. Nachdem wir bunte Spaghetti, einen lila Burger und Pommes mit bunten Soßen verdrückt hatten und uns alles angeschaut haben, war es dann auch wieder Zeit für eine Farbdiät und eine weniger reizüberflutende Umgebung für die völlig überdrehten Kinder. Nicht zu viel auf einmal.

Cheeeeese

Den nächsten ‚kawaii‘-Ausflug hatte ich für mich alleine reserviert. Ich wollte meine Aufmerksamkeit für die bunte Welt der Takeshita-dori, einer schrillen Einkaufsstraße ebenfalls in Harajuku, nicht zwischen Bube, Dame und den unzähligen Details der Umgebung teilen müssen. Außerdem ist die Takeshita ein sehr beliebtes Ziel für Einheimische und Touristen und unter der Woche vormittags noch einigermaßen entspannt. Ein paar Stationen hatte ich mir vorher vorgenommen, ein paar kamen spontan dazu.

Purikura zählte definitiv zu den geplanten Attraktionen. Wer erinnert sich noch dunkel an die Zeit vor Smartphones und Snapchat, als zu unseren ultimativen Teenie-Freundschaftsbeschäftigungen der Besuch eines Passbildautomaten zählte? Zu zweit, zu dritt oder bis an die Schmerzgrenze quetschten wir uns in die kleinen Kabinen und schmissen uns in Pose, was das Zeug hält. Purikura ist genau DAS, nur besser. In zahlreichen unterschiedlichen Automaten können hier gänzlich passuntaugliche selbstklebende Bilder geschossen und im Anschluss mit Filter- und Verzierungsfunktionen bearbeitet werden. Großartig!

Die Takeshita-Straße ist schon ein besonderes Sammelsurium an Süßem und Süßigkeiten. Glitzerstifte, Lipgloss in Disneyfigurenform, Mützen mit Ohren, Onesies in allen Farben und Tierformen oder Plüschtiere sind nur einige Beispiele. Kulinarisch kann man sich durch eine große Auswahl an Lollies, Zuckerwatte, Crêpes und schlichtweg undefinierbaren bunten Kreationen probieren.

Zu den spontanen Programmpunkten zählten zwei Pet-Cafés. Das Mini-Pig-Café musste sein, weil ich diese Miniatur-Schweine mal aus der Nähe sehen wollte. Witzige tiefenentspannte Viecher. Aber noch mehr musste der Owl-Forest sein. Von den Haltungsbedingungen bin ich hier leider gar nicht überzeugt, aber diese wunderschönen Tiere mal ganz nah zu erleben und sogar vorsichtig streicheln zu können, war wirklich faszinierend. Und verdammt sind die flauschig!!

 

Kaffeekunst

Völlig übersättigt an Eindrücken, aber ansonsten eher hungrig, weil ich die bunten Verpflegungsangebote ausgelassen hatte, habe ich mich noch im Reissue, einem „echten“ Café, niedergelassen, das schon vorher auf meiner Liste stand wegen seiner Latte Art. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt, aber ich war neugierig. Man hat die Wahl zwischen 2D- oder 3D-Art auf seinem Kaffeemilchschaum. Entweder kommt einem aus dem Schaumberg quasi ein niedliches Tierchen entgegen und schaut einen aus der Tasse an oder man kann sich ein Bild wünschen. Ergebnis: sehr guter Kaffee mit beeindruckendem Mini-Kunstwerk und ein leckeres Curry.

Nicht mehr wirklich ‚kawaii‘, aber schön und auch in Harajuku, habe ich mir noch das Wandbild von Zio Ziegler angesehen. Insgesamt also ein rundum gelungener Ausflug in die besonders bunte Seite von Tokyo mit einem Abschluss in Schwarz-Weiß zum Runterkommen.

 

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Kitsch und Kultur

Diese Woche war ich in Souvenirlaune und habe mir allerhand Kitsch und Touristenkrams angeschaut. Erstens bin ich dabei die Adventskalender für die Kinder vorzubereiten und die werden dieses Jahr japanisch-kitschig. Zweitens fliegen wir bald nach Hause und da werden Freunde und Familie nicht ganz verschont bleiben, was schöne und schräge Mitbringsel angeht. Und drittens gibt es einfach so viele kleine und große Absurditäten und Schätze zu entdecken, dass das einfach ab und an mal sein muss.

Falsche Straße

Ich hatte von der Nakamise-dori in Asakusa gelesen. Eine Einkaufsstraße, die zwischen dem Kaminari-mon, dem so genannten Donnertor, bis zum Sensō-ji-Schrein verläuft und mit den angrenzenden Straßen als eines der ältesten Geschäfts- und Unterhaltungsviertel Japans gilt.

Kamari-mon

Kamari-mon, das Donnertor

Nakamise-dori

Tief einatmen und durch

Sensō-ji

Sensō-ji, Tokios ältester Tempel

Ich wollte touristisch, ich bekam Touristen. In Massen. Und jede Menge Stände mit überwiegend echt hässlichen Souvenirs und einer Menge an kulinarischen Mitbringseln. Mein Jagdfieber nach Souvenirs war auf den ersten Metern schon abgeklungen und ich kämpfte mich nur noch der Vollständigkeit halber und um des Schreins Willen bis zum Ende der Nakamise durch.

Praktischerweise liegt in unmittelbarer Nähe die Kappabashi-Straße, die mir ja einige Zeit zuvor sehr gut gefallen hatte. Ich brauchte ohnehin noch ein paar Kleinigkeiten aus der Küchenstadt, also passte das zur Versöhnung dann ganz gut.

Richtige Straße

Ein sehr viel besseres Ziel, obwohl es nicht, wie in Asakusa, eine echte Geschichte vorzuweisen hat, ist der Shoutengai in den Tokyo Decks auf Odaiba. Diese künstliche Einkaufsstraße soll eine Hommage an das Tokio der 60er Jahre sein und beherbergt entsprechend viel Retrokrams. Alte Spiele und Spielautomaten können ausprobiert werden, es gibt Aufführungen wie Papiertheater, man kann ein Geisterhaus besichtigen (Ja nee, ist klar!) oder sich durch die Souvenirläden wühlen. Und hier gibt es auch die Art Kitsch, die ich entweder so schräg finde, dass sie schon wieder gut ist, oder die einfach gleich voll meinen Geschmack trifft.

Shoutengai

Eingang ins Retro-Kitsch-Land Shoutengai

Socken

OH DOCH!

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Maneki-Neko in Miniatur mit Glöckchen

Roll-Ele

Bube und Dame lieben ihn hier!

Vollen Durchblick

Eine vernünftige Sache stand auch noch auf meiner To-Do-Liste: Ich brauchte eine neue Zweitbrille. Der Bube hatte meine Brille etwas zu oft in die Finger bekommen und ich hatte Angst, dass sie es nicht mehr lange macht. Und da ich ja inzwischen ohne Brille zunehmend aufgeschmissen bin, wenn ich etwas lesen will oder muss, machte mich der Gedanke etwas unruhig, zum Glück kaufen die Japaner gerne mal eine neue Brille und nicht das eine Gestell für‘s halbe Leben. So gibt es dann auch genug Geschäfte, die wirklich günstige Angebote haben. Zum Beispiel JINS. Womit sie mich dann restlos begeistert haben: ich konnte mein Gestell aussuchen, die Stärke mitteilen, den Augenabstand messen lassen und einen Matcha-Latte trinken gehen. Dann war die neue Brille fertig und abholbereit. Nix mit, wir melden uns, wenn sie fertig ist. Geht natürlich nur mit Standardgläsern, aber die habe ich praktischerweise. Eine Dreiviertelstunde und umgerechnet etwa 65€ (!) später, hatte ich meine neue Brille.

Brille

So schnell kann‘s gehen

Aber so richtig war es das noch nicht in Sachen farbenfrohe Unnötigkeiten. Es war ja nun Halloween letzte Woche und auch in Japan entkommt man dem gruseligen Spuk nicht mehr, wenn man Kinder hat. Die Halloween-Parade der Schule mit Trick-or-Treat-Ausflug im Spielpark rief. Allerdings rief sie zu Bubes Mittagsschlafzeit, so dass Benni für diese Zeit Homeoffice machte, während ich mit der kleinen Dame – ihreszeichens eine kleine Hexe – zur Schule radelte. Nach einer kleinen Country-Dancing-Aufführung im Klassenraum (urkomisch, wie da Hexen mit Pokémons oder Prinzessinnen mit Doraemons tanzten), ging es raus in den Park, wo die Treats eingesammelt werden konnten. Die kleine Dame und ich genossen ein bisschen entspannte Zweisamkeit, da ist auch Halloween recht.

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Die Parade – im Hintergrund der Gegensatz aus kleinen Wohnvierteln zwischen den großen Hochhäusern der Roppongi Hills

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Trick or Treat!

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Treat!

Den Sonntag hatten wir trotz schönsten Wetters irgendwie zu Hause verbummelt, so dass uns dann irgendwann nachmittags die Decke auf den Kopf und die Kinder auf die Nerven fielen. Also raus. Draußen wurde es schon langsam dunkel und leider machen viele Einrichtungen schon um 17.00 Uhr zu, aber es war mal wieder ein Feiertag. Tag der Kultur – wie passend zu unserer Suche nach Zerstreuung. Und an Feiertagen haben dann wiederum viele Museen etc. länger auf. So auch das Miraikan, das National Museum of Emerging Science and Innovation.

In einem futuristisch wirkenden Gebäude warten die neusten Technologien und zukunftsweisende Erkenntnisse. Für Bube und Dame noch etwas zu hoch, aber trotzdem auf ganz eigene Art und Weise interessant, wetzten wir also von einem kleinkindinteressanten Punkt zum nächsten, konnten aber im Vorbeigehen ein paar Sachen erspähen. So zum Beispiel eine große Kugelbahnanlage, die Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Tsunamis simulierte. Oder die begehbare Wohneinheit einer Raumstation, inklusive Toilette (mit Haltegriffen, Sauger für – naja – das Geschäft und Gummihandschuhen). Sehr beeindruckend und hübsch anzusehen ist vor allem die große Kugel, auf die effektvoll die sich drehende Erde projiziert wird.

Globe

Einmal um die Erde herum und unten drunter durch

Achja, und da der Feiertag auf einen Sonntag fiel, kam wieder meine sehr lieb gewonnene japanische Handhabung zum Tragen: Montag war ersatzfrei. Japan hat mir also einen Feiertag zum Geburtstag geschenkt.

どうもありがとうございます

Vielen Dank

 

 

Wasser wieder anders

Kaiser Naruhito hat in einer feierlichen Zeremonie den Thron bestiegen und nach der offiziellen Ablöse seines Vaters im Mai nun auch die traditionellen Schritte vollzogen, die sein Amt mit sich bringt. Für uns hieß das in erster Linie Zeit zu viert, denn die Thronbesteigung ist ein nationaler Feiertag. Dem Wetter war wohl nicht so zum Feiern zumute, jedenfalls gab es eine Menge Wasser von oben. Dementsprechend fielen für uns ausschweifende Outdoor-Aktivitäten flach, auf lange Fahrerei hatten wir keine Lust, also musste etwas Überdachtes in der Nähe aufgetrieben werden. Tokio wäre nicht Tokio, wenn diese Anforderungen nicht leicht zu erfüllen wären, in diesem Fall mit dem Tokyo Water and Science Museum in Kōtō.

Tokyo Water Science Museum

Wasser marsch!

Die städtischen Wasserwerke betreiben das kostenfreie Water Museum über einer lokalen Pumpstation, die ebenfalls besichtigt werden kann. Auf drei Stockwerken zeigt die Ausstellung, wo das Wasser herkommt, wie es in die Städte gelangt und welche Verwendung es dort findet.

Wir waren erst eine Stunde vor Ende der Öffnungszeiten da, hatten dafür aber das Museum fast für uns. So konnte der Bube im Film über den Wasserkreislauf, der an drei Wände und die Decke projiziert wurde, nach Herzenslust Wassertropfen hinterherrennen oder laut seine Begeisterung kund tun. Die kleine Dame war besonders beeindruckt von der Seifenstation. Hier konnte man sich auf eine Plattform stellen und mit einer Kette einen mit seifengetränktem Stoff umwickelten Ring um einen herum nach oben ziehen und so ganze Seifenwände errichten. Wir standen also quasi in einer großen Seifenblase. Auch das große Wasserbecken mit Wasserpistolen, unter dem die Kinder durchkrabbeln konnten, um in der Mitte in Glaskuppeln wieder aufzutauchen, sorgte für viel Freude.

Über das Wasser – ins Wasser

Das Wasser-Museum sollte nicht die letzte Ausstellung der Woche bleiben. Wer meinen Beitrag Von Insel zu Insel gelesen hat, der weiß schon, dass mich die digitalen, bildgewaltigen Welten des teamLab restlos begeistert haben. Im Gegensatz zu der dauerhaften Borderless-Ausstellung, die wir im August besucht haben, gibt es noch eine etwas kleinere, temporäre Version, die teamLab Planets. Mit Kindern und ein bisschen Abenteuerlust, ist die Planets nochmal besser als ihre große Schwester.

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Gleich am Eingang wird man gebeten, die Schuhe auszuziehen, seine Sachen in einen Spind zu schließen und seine Kinder an die Hand zu nehmen, bevor man sich auf den Weg in einen langen dunklen Tunnel macht. Der Sinn dieser Anweisungen erklärt sich schnell von selbst: Wasser. Wie nach einem sehr sauberen, wohltemperierten Wasserrohrbruch, ist ein Teil des Ganges knöcheltief mit Wasser gefüllt, so dass man auch den dann folgenden Aufstieg stetig im Wasser meistern muss. Im Anschluss wird man japanisch-höflich mit Handtüchern begrüßt und weiter geht‘s: in einen Raum, der komplett aus einem Kissen als Boden besteht. Ähnlich wie diese übergroßen Sitzkissen, die mit kleinen Kügelchen gefüllt sind, besteht einfach der ganze Untergrund dieses Raumes aus einem solchen Kissen, in das dann auch noch Hügel und Vertiefungen eingebracht wurden. Ich kann nicht behaupten, dass ich besonders grazil ans andere Ende gekommen bin, aber zum Glück war es hier so dunkel, dass fotografieren eh keinen Sinn machte. Ich habe mehrere Techniken ausprobiert und dachte an einer Stelle sogar, ich könnte mich einfach durchrollen. Was soll ich sagen? Konnte ich nicht. Ich habe mich genau einmal vom Bauch auf den Rücken gerollt, dann lag ich da und musste mich mühsam wieder aus der weichen Vertiefung wühlen. Bube und Dame sind weit leichtfüßiger über das Hindernis gekommen. Aber Spaß hatten wir alle.

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Bube zögert noch

Typisch teamLab folgte dann wieder was für‘s Auge. In einem riesigen Raum mit verspiegeltem Boden hingen Tausende von glitzernden Lichterschnüren, die kontinuierlich die Farben wechselten. Atemberaubend. Ehrlich wahr, einfach nur schön.

Im nächsten Abschnitt wurde ich gebeten, die kleine Dame auf den Arm zu nehmen. Sie ist 4! Kennt sich jemand mit dem Stolz und dem Altersbewusstsein einer Vierjährigen aus? Jepp. Ein entsprechend indignierter Blick traf mich auch, als ich sie brav hochnahm und ihr zuflüsterte, dass ich sie wieder runterlassen würde, wenn keiner guckt. Der Bube parkte, seit ihm die Spiegel auf dem Boden doch etwas zu unheimlich wurden, eh auf Bennis Arm. Wieder Wasser im Gang, immer mehr Wasser. Dann ein ganzer Raum kniehoch mit milchigem Wasser gefüllt, auf das Lichter und Fische projiziert wurden, die um uns herum schwammen. Nicht nur die kleine Dame wollte SOFORT runter, auch der Bube war jetzt nicht mehr zu bremsen. Keine Ahnung, wie das andere Eltern machen, unsere Kinder blieben auf gar keinen Fall auf dem Arm. Hätte ich auch nicht gemacht. Wir hatten also alle Hände voll zu tun, jeweils wenigstens einen Teil Kind an der Hand zu behalten. Die Klamotten waren verloren, aber Wechselklamotten sind immer am Start und warteten im Spind, bin ja schon eine Weile Mutter und einigermaßen lernfähig. Wer mal versuchen will, ein Kind festzuhalten, dass einen digitalen Fisch durch einen halbdunklen Raum voller Wasser jagt: teamLab Planets. Hat geklappt, hat Spaß gemacht, hält man aber nicht ewig durch.

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Auf Fischfang

Der nächste Raum war gefüllt mit riesigen Ballons, die erneut die Farben wechselten. Die kannten wir zwar schon aus der Borderless-Ausstellung, dort durfte man sie allerdings nicht anfassen. Hier konnten die Kinder sie durch die Gegend schieben und schubsen, was sie sich natürlich nicht entgehen ließen. Dem Buben schienen hier die Spiegel am Boden auch plötzlich nichts mehr auszumachen. Im letzten Raum konnten wir uns auf den Boden legen und die bunte Blumenprojektion auf allen Wänden, Decke und Boden um uns herum bestaunen. Wie betrunken torkelten wir anschließend zum Ausgang. Der erste, der uns besuchen kommt, wird hier reingeschleppt und vermutlich alle nach ihm auch.

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Katzen versus Cosplayer

Am Sonntag waren wir mal wieder in Ikebukuro, dem Viertel, in dem wir schon einmal waren, als wir den Sky Circus besucht haben. Damals war allerdings nicht Halloween-Woche… Ikebukuro ist bekannt für seine Cos-Player-Szene und bietet auch schon im Normalbetrieb die ein oder andere bunte Gestalt, aber im Moment kann man sich kaum retten vor kostümierten Massen. Nach der märchenhaften teamLab-Welt, war das dann eher alptraumartig überfüllt und anstrengend. So beschränkten wir uns auch auf die Programmpunkte, die wir vorher mal so lose angerissen hatten und retteten uns ins Nekobukuro, ein Katzencafé. Benni und ich waren ja schon vor ein paar Wochen im Mocha in Harajuku. Dort sind allerdings keine Kinder im Alter von Bube und Dame zugelassen. Im Nekobukuro schon, soweit man aufpasst, dass sie die Katzen nicht ärgern. Die Kinder waren froh, Cosplayer gegen Katzen eintauschen zu können. Wir auch.

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Ansonsten habe ich diese Woche zum ersten Mal wirklich ein Auto vermisst. Ich fahre ja sehr gerne Auto, aber fehlen tut es mir im Alltag hier nicht. Alle Wege lassen sich sehr gut zu Fuß, mit der Bahn oder dem Rad zurücklegen. Außer es regnet in Strömen. Bis zwei Kinder und ich selbst wetterfest verpackt und in die Regenabdeckungen auf dem Fahrrad gebastelt sind – die gibt es natürlich nur für Bube und Dame – vergeht eine Menge Zeit und nachmittags in Regenklamotten gewickelt mit Schirm dazu am Straßenrand zu stehen und auf den Kindergartenbus zu warten, ist auch nur so semi-gut. Reine Luxusprobleme, aber ja, in solchen Momenten fehlt mir mein Landleben mit Auto.

Regen-Ich

Singing in the rain. Nicht.

 

Der ganz normale Wahnsinn

Jetzt ist auch in Tokio so langsam der Sommer vorbei. Hagibis hat noch ein wenig Hitze hinter sich hergezogen, aber danach haben sich die Temperaturen eher so zwischen 15 und 22 Grad bewegt. Mein europäisch geeichtes internes Jahreszeitenmessgerät ist etwas besänftigt.

Wenn es nicht gerade Hunden und Katzen regnet, sind wir draußen, sonst tobt in der Wohnung das Irrenhaus. Der Bube ist in dem bezaubernden Alter angekommen, indem er einfach nur Unsinn macht. Und zwar Big Time. Letzte Woche etwa war Bake Sale im Kindergarten. Diese netten Zusammenkünfte, für die jeder etwas backt und mitbringt, das dann verkauft wird, um Geld in die Community Kasse zu bringen, mit der dann wieder andere nette Events der Kindergarteneltern organisiert werden. Und natürlich hilft auch jeder bei Aufbau, Abbau, Verkauf, Unterhaltungsprogramm etc. Ein Riesenspaß also. Nicht. Jedenfalls nicht mit einem kranken Buben, der dadurch noch motziger, als eh schon durch die Welt wackelt und jeden Backversuch zum Wettlauf gegen die Zeit werden lässt. Abgesehen davon, hatte ich erwähnt, was ein in japanischen Küchen üblicher Backofen ist? Eine Mikrowellen-Backofen-Kombination, in die ein Backblech ungefähr so groß wie ein DIN-A-4 Papier reinpasst. Anleitung natürlich komplett auf Japanisch. Yay. Achja, und die Zutaten wollen hier auch erstmal aufgetrieben sein. Und ich habe zwei Kinder in zwei Kindergartengruppen, also gleich zwei unterschiedliche Sachen zu backen.

Mein Vorlauf für den Bake Sale bestand also schonmal darin, nach Azabu-Jūban in den internationalen Supermarkt zu radeln, wo ich dann auch Backpulver etc. bekommen habe. Dann weiter, ein Handrührgerät auftreiben. Auch geschafft. Zwei Tage nach dem Bake Sale  stand dann zusätzlich noch der Kindergartenausflug an: Sweet Potatoe Digging. Also ein Ausflug raus aufs Feld, um Süßkartoffeln auszubuddeln. Dazu sollten wir Schaufeln, Handschuhe und eine Picknickdecke mitbringen. Überraschenderweise nicht unbedingt die Artikel, die ich mit in unsere Kisten aus Deutschland gepackt hatte, also musste ich auch diese noch aufspüren und erradeln. Ich war also schon so semi-begeistert von den ganzen Vorbereitungen, hatte mich aber brav für alles eintragen lassen. Meine Arbeitsschicht im Kuchenverkauf musste ich dann allerdings wieder absagen, mit verrotztem Kleinkind nicht machbar. Das Backen mit den eingeschränkten Möglichkeiten und dem Buben als zusätzliche Herausforderung war dann auch eher so nahe an der Katastrophe. Ein optisches Highlight waren die entstandenen Muffins dann auch nicht, aber die kleine Dame durfte einfach ganz viele Zuckerperlen und Schokostreusel zum Verzieren einsetzen.

Zwei gegen Eine

Die Veranstaltung an sich war tatsächlich schön gemacht, es gab Spiele für die Kinder, den Backwarenverkauf, Apfelsaft aus Flaschen mit Strohhalm und Popcorn. Bube und Dame wollten natürlich am liebsten ALLES ausprobieren, also rannte ich erstmal dem Buben mit seiner Apfelsaftflasche hinterher, der noch nicht wirklich zuverlässig den für den Saft vorgesehenen Weg Flasche-Strohhalm-Mund-Magen befolgt. Die Dame wollte ein Einhorn-Klebetattoo, der Bube zum Angelspiel am Planschbecken, die anderen Mamas Small-Talk. Gefühlt waren meine Arme und Beine in mindestens sechs Richtungen getrennt voneinander unterwegs und je ein Auge schielte nach einem Kind. Ende vom Lied war ein nasser Bube, der lieber direkt mit dem Arm bis zum Ellbogen im Planschbecken hing, als die Angeln zu benutzen, aber glücklich zwei Plastikfische und einen aufblasbaren Donald Duck als Trophäen mitnehmen durfte. Die Dame hatte ihr Einhorn auf dem Arm und das gewünschte Popcorn war zusammen mit den liebevoll in rotes Dekostroh gebetteten Cookies, die wir erstanden hatten, sicher im Fahrradkorb verschwunden für zu Hause. Ich war schweißgebadet, aber kurz der Ansicht, dass es doch irgendwie läuft. Ha-ha.

Zuhause angekommen, wurde das Popcorn verlangt, also Schüssel raus, das bepuderzuckerte Popcorn rein und den Mini-Löwen zum Fraß vorgeworfen. Kurze kostbare Zeit, um die Schuhe, Jacken und Taschen im Flur aufzuräumen. Zurück ins Wohnzimmer. Ins WEISSE Wohnzimmer! Der Bube hatte mittlerweile einfach jedes einzelne Popcorn aus der Schüssel im Raum verteilt und den Puderzucker auf den Tisch geleert. Als ich reinkam, fand ich ihn mit beiden Händen im Puderzucker bei einer Art Couchtischmassage und die kleine Dame auf dem Boden kniend, friedlich das Popcorn vom Boden essend. Atmen. Notdürftig sauber machen. Ruhig bleiben. Das geschafft, kam ich in den Flur und fand den Buben dabei vor, wie er das rote Dekostroh der Cookies, die er gefunden haben musste, überall in Flur und Schlafzimmer verteilte. Plus Kekskrümel, denn dabei wurden natürlich mit Entzücken auch die Cookies vernichtet. ATMEN. Notdürftig sauber machen. RUHIG BLEIBEN. Danach fand ich beide in Bubes Zimmer, in dem der gesamte Inhalt des Kleiderschranks verteilt worden war. Überall Hosen, Pullis, Bodys. ATMEN. MEHR ATMEN. Raum verlassen.

So geht es im Moment jeden Tag. Der Bube klettert hinter den Fernsehen und versucht, ihn umzuwerfen, sitzt auf Tischen, flutet das Bad oder wirft mit Gegenständen oder Essen. Dazwischen bekommt er entzückende kleine bis große Wutanfälle.

Das Potatoe Digging wurde dann übrigens wetterbedingt abgesagt und das Einhorn-Tattoo gefiel schon am Abend nicht mehr und sollte sofort entfernt werden. Es ist so schön, wenn sich der ganze Aufwand lohnt…

Süßkartoffel-Ersatz

Für den Ausflug auf den Kartoffelacker hatte Benni sich extra einen halben Tag frei gehalten und die kleine Dame war maßlos enttäuscht, dass sie nun nicht die neue Schaufel einsetzen konnte, also musste ein Ersatzprogramm her. Das LEGO Discovery Center, einen kleinen Spielpark in der Nähe, hatten wir bisher gemieden, da am Wochenende an jeder Attraktion lange Schlangen zu erwarten waren. Dafür sind wir noch nicht japanisch genug, noch stresst uns langes Anstehen. Aber es wird langsam besser.

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LEGO oder was es mal werden könnte

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Tokyo Tower aus Plastik

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Beladung eines Containerschiffes für Profis

Ein freier Freitagvormittag schien hingegen mehr als geeignet und wir konnten tatsächlich einfach durchmarschieren und nach Herzenslust ausprobieren, was uns gefiel. Die Kinder konnten die Entstehung eines LEGO-Steins vom Plastikpulver bis zum fertigen Klötzchen verfolgen, ihr Gewicht in LEGO-Steinen herausfinden, mit Laserpistolen auf LEGO-Männchen schießen (?!?), Karussell fahren, auf riesige LEGO-Tiere klettern und Tokio als LEGO-Modell bestaunen und zum Teil sogar steuern. Das war dann auch tatsächlich das erste Mal, dass uns hier in Tokio Godzilla begegnete, als er auf Knopfdruck hinter einem Hochhaus auftauchte. Im anschließenden Shop mussten auch wir Großen uns dann beherrschen, um nicht das eine oder andere Set mitzunehmen. LEGO ist ja aus meiner Sicht für Erwachsene schon so wie Haribo…

Auszeit

Nach einer Woche voller Kleinkind-Unsinn und Rotz- und Motzanfällen war es dann am Samstag echt mal an der Zeit für mich, das Nest alleine zu verlassen. Ich machte mich auf nach Toyosu, dem nördlichsten Ende der Yurikamome Linie, unserer Verbindung nach Odaiba, und bummelte ein bisschen durch die LaLaport-Mall an der Promenade.

Toyosu Promenade

A propos Auszeit, in Japan versteht man etwas von Wellness für zu Hause. Es gibt eine wirklich beeindruckende Auswahl an Kosmetik, Badezusätzen oder Tuchmasken fürs Gesicht. Aber nicht einfach langweilig in Weiß, hier wird auch gleich ein bisschen Unterhaltung zusätzlich geboten: die Auswahl reicht von Geisha-Gesichtern über Kabuki-Motive bis hin zu Tiergesichtern. Großartig! Kabuki ist ein traditionelles japanisches Theater aus der Edo-Zeit, indem die Darsteller Kumadori auftragen, Schminke auf weißem Untergrund, Rot für den Helden, Blau für den Schurken.

 

 

Hagibis

Taifun #19 hat es – anders als Faxai letzten Monat – prominent in die internationalen Medien geschafft. Schon während der vergangenen Woche wurde er zu einem Super-Taifun hochklassifiziert, entsprechend dringlich waren die vielen Warnmeldungen und Notfallpläne, die uns über viele Kanäle erreichten. Hagibis hatte direkten Kurs auf Tokio aufgenommen, so dass klar war, dass wir ab Samstagmorgen im Haus bleiben mussten und uns mit Essen und Wasser eindecken sollten. Da wir in einem relativ neuen Hochhaus wohnen und nicht in einem Einfamilienhaus aus Holz, mussten wir glücklicherweise nicht, wie viele andere, vorsorglich in eine Notunterkunft umziehen. Zudem wussten wir, dass Japan und besonders Tokio sehr gut auf extreme Wetterlagen vorbereitet ist. Die Notfallmaßnahmen werden routiniert verbreitet und verfolgt, ein gigantisches unterirdisches Tunnel- und Auffangsystem reduziert Gefahren durch Überschwemmungen und die Disziplin der Japaner sorgt für geordnete Vorbereitungen.

Dennoch, als Neulinge in Sachen Extremwetterbedingungen und mit zwei kleinen Kindern, die man 100%-in in Sicherheit wissen will, wird einem schon etwas mulmig, wenn sich die Supermarktregale immer weiter leeren und die Warnungen nicht abreißen. So habe ich mich Freitag mit Bube und Dame auch auf den Weg gemacht und unsere Essens- und Windelvorräte eingekauft. Benni hat die Wasserversorgung übernommen, so dass wir Samstag nicht mehr vor die Tür mussten. Draußen wurde es schon morgens immer ungemütlicher, der Regen hörte nicht mehr auf.

Die Kinder waren ganz angetan von der Taifun-Party zu Hause und räumten jedes Puzzle und Spiel ins Wohnzimmer, um den Tag fröhlich im Haus zu verbringen. Wir legten Taschenlampe und Batterien, Kerzen und Feuerzeug bereit und packten einen Notfallrucksack zur Sicherheit. Unsere Trinkwasservorräte ergänzten wir durch eine gefüllte Badewanne, falls die Wasserversorgung tatsächlich unterbrochen werden sollte. Alle Lüftungsdeckel in der Wohnung schlossen wir sobald der Wind deutlich zunahm und das in Hochhäusern übliche 24-Stunden-Frischluftsystem schalteten wir ab.

Warten auf #19

Danach hieß es nur noch abwarten und uns und andere möglichst nicht verrückt machen. Draußen war die sonst so übervolle Stadt menschenleer, ein sehr ungewohnter Anblick. Aus den anderen Präfekturen kamen teilweise  Meldungen von Überflutungen und Evakuierungen, bei uns blieb es bis auf starken Regen und zunehmenden Wind unauffällig. Einmal kam eine Plastiktüte im 37. Stock vorbei geflogen, das war zum Glück alles, so dass wir die Kinder etwas später als sonst, aber sonst ohne Zwischenfälle ins Bett bringen konnten. Gegen 22:30 war Hagibis über Tokio hinweg gezogen und hinterließ ein ruhiges Shibaura um uns herum.

Post Hagibis

Tokio kommt zur Ruhe

Wie auch nach Faxai, empfing uns heute Morgen eine strahlende, wolkenfreie Stadt mit 28 Grad und Sonnenschein. Und wir haben gelernt: ruhig bleiben, den Warnungen folgen und sich nicht verrückt machen lassen und sind froh, dass hier nicht mehr passiert ist.

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Morning After

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Keine Spur von Hagibis

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Der Fuji-San grüßt aus seiner Wolke

 

 

Skytree bis Kitchen Town

Wir haben Tokio ja mittlerweile an so einigen Punkten von oben gesehen: wir waren auf dem Dach des Roppongi Hills Mori Tower, sind die Riesenräder in Edogawa und Odaiba gefahren, durch den Sky-Circus marschiert, haben uns den Tokyo Tower angesehen und wohnen im 37. Stock. Aber auf 450 Metern waren wir bisher noch nicht. Wir haben es endlich auf den Skytree geschafft! Der mit 634 Metern höchste Fernsehturm der Welt und das zweithöchste Bauwerk nach dem Burj Khalifa in Dubai blinkt uns aus Sumida bis ins Wohnzimmer zu.

Was soll ich sagen? Ein Blick über Tokio lohnt sich einfach immer und aus dieser Höhe erst recht. Der Bube war besonders von dem halb verglasten Aufzug angetan, der schon während der Fahrt nach oben kleine Ausschnitte der Stadt zu bieten hat.

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Tokio so weit das Auge reicht

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Das erste Mal ohne Flugzeug in dieser Höhe

Kulinarisches Wunderland

Am Mittwoch habe ich mich dann noch alleine auf Erkundungstour gemacht. Ich wollte mir die Kappabashi Dougu Straße ansehen, auch bekannt als Kitchen Town. Seit 1912 werden hier Artikel rund ums Thema Essen, Küche und Gastronomie angeboten. Das klang interessant. Dort angekommen, stand mir erstmal der Mund offen. In der 800 Meter langen Straße gibt es alles, wirklich ALLES, was man sich unter einer Küchenstadt so vorstellen mag: Töpfe, Pfannen, Besteck, Geschirr, Deko, Lampions, Fake Food aus Plastik, das so echt aussieht, das man reinbeißen könnte, Möbel wohin man auch schaut. Wer in Tokio ein Souvenir sucht, sollte nichts kaufen, bevor er nicht in Kappabashi war. An alle Familienmitglieder und Freunde: die Wahrscheinlichkeit, dass eure Geschenke und Mitbringsel in Zukunft aus Kappabashi stammen, ist enorm hoch!

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Eingang ins Küchenparadies

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Hier stimmt auch die Deko

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Der Skytree grüßt aus einer Seitenstraße

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Jemand eine Essensattrappe?

Definitiv kein Ort für den Rest der Familie – alle drei würden sich wohl schnell langweilen und die beiden kleinsten Vertreter wären zwischen all dem Geschirr denkbar fehl am Platz – aber ich fand es großartig mir unzählige Geschäfte und das Angebot anzuschauen. Und ein paar Schätze mussten natürlich auch mit nach Hause.

Kappabashi Treasures

Ausbeute

Und weil auch etwas Schräges nicht fehlen durfte, gab es für meinen Fahrradschlüssel noch ein Stück aus dem Reich der Plastiklebensmittel, die man hier übrigens vor nahezu jedem Restaurant oder Imbiss findet. Hier kommen die also her!

 

Vorbereitungen

Das kommende Wochenende werden wir aller Voraussicht nach drinnen verbringen müssen. Der 19. Taifun der Saison, Hagibis, hat sich mittlerweile zum Super-Taifun ausgeweitet und wird Faxai übertreffen, wenn er voraussichtlich am Samstag über Tokio hinwegfegt. Mehr als sich einen Vorrat an Wasser und Nahrung zuzulegen und im Haus zu bleiben, kann man nicht wirklich tun, also nisten wir uns im Nest ein und warten ab.

Herbstanfang

あき

Aki, das heißt Herbst. Ich kann den japanischen Herbst schreiben und aussprechen, sogar feiern kann ich ihn, denn wir hatten extra einen Feiertag für den Herbstanfang. Nur sehen und fühlen kann ich ihn so gar nicht. Es sind 29 Grad, das ist für mich immer noch Sommer, egal wie tief die Sonne steht, wann sie untergeht und wieviel Halloween-Deko auch immer zu sehen ist. Das macht mich langsam etwas griesgrämig, denn so gut ich mit der Hitze im Sommer auch klar kam und so schön er auch war, ich liebe den Herbst. Er war schon immer meine Lieblingsjahreszeit und nach gefühlt doppelt so langem Sommer, wie jemals zuvor, wäre ich dann jetzt mehr als bereit für bunte Blätter, Wind und Temperaturen wenigstens unter 20 Grad. Ich will meinen Aki! Jetzt!

Zeit zum Spielen

Bis dahin sind wir noch im Sommermodus unterwegs, schieben aber auch immer mal wieder ein paar Indoor-Aktivitäten ein. Zum Beispiel das Museum of Contemporary Art in Kōtō, wo im Moment noch die Ausstellung „Now, it‘s time to play“ läuft. Das klang nach einem kindertauglichen Museumsbesuch und wir wurden  nicht enttäuscht. Sechs Künstler haben hier in verschiedenen Stationen Spielmöglichkeiten erschaffen, die aus der Routine führen und Kreativität von Jung und Alt anregen sollen. Wir konnten an Schrankwänden hochklettern (aber bitte nur in der untersten Reihe, wir sind hier immer noch in Japan und Sicherheit ist oberstes Gebot), durch ein kleines Labyrinth laufen, mit bunten Knöpfen werfen, unsere Schatten jagen, Masken gestalten, Türme aus Wörtern bauen, einen Parcours bewältigen, Papierflieger fliegen lassen, Bilder ausmalen und auf Betten ausruhen.

Besonders viel Spaß hatten die kleine Dame und ich bei den Masken. Nachdem der Bube Bennis Hose statt seiner Maske Pink verziert hatte, zog Letzterer es vor, mit dem Sohn ins Café zu gehen. Bei Benni hat ein Kaffee immer auch beruhigende Wirkung, wie es scheint. Die kleine Dame und ich tobten uns weiter an unseren Masken aus. Es wurde gemalt, geschnitten und geklebt bis wir zwei würdige Exemplare für die riesigen Wände des Ausstellungsraums fertig hatten und diese stolz Teil des Kunstwerks werden ließen. Zeitgenössische Kunst eben.

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Die fertigen Kunstwerke

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Raum zum Austoben

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Da! Teil der Ausstellung

Buntes Treiben

Sonntag zog es uns mal wieder nach Odaiba zum Riesenrad und Shoppen in Palette Town. Diesmal war auch der Bube mit am Start für eine Fahrt im Riesenrad, die letzte Gelegenheit in Edogawa hatte er ja verschlafen. So hoben wir also zu viert ab im pastellbunten Riesenrad und schauten uns die Nachbarschaft von oben an.

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Bunt in die Höhe

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Wo ist unser Zuhause?

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Pause im Grünen

Auf Odaiba reihen sich gleich vier Einkaufszentren direkt aneinander, so dass man hier gemütlich von einer Mall zur anderen schlendern und zwischendurch immer mal ein Päuschen auf den Promenaden machen kann. Bennis Jagd auf Sneaker endete letztlich aber mit der Feststellung, dass seine Schuhgröße in Japan eher schwierig zu bekommen sein wird.

Dafür konnten wir ein paar schräge Eindrücke sammeln. Im Tierfachgeschäft. Nicht ganz das, was es bei uns ist. Zum einen kann man in Tokio mehr oder weniger an jeder Ecke Hunde kaufen. Es gibt auch immer ein paar Katzen, aber der Fokus liegt klar auf diesen plüschigen Trethupen in jeder Rasse und Farbe. Da man diese aber frei laufend weder in Geschäfte noch in die U-Bahn oder sogar in die öffentlichen Flure und Aufzüge der Wohnhäuser mitnehmen darf, gibt es eine Vielzahl an Transportboxen und Buggys zur Auswahl. Hundebuggys. Und damit nicht genug, die kleinen Schätzchen wollen ja auch modisch auf dem neusten Stand sein, zumindest scheint das die Meinung der Besitzer zu sein, denn im Tiergeschäft gibt es mehr Klamotten für Minihunde als in manchem Laden für Menschenkleidung. Oh, und essen sollen sie ja auch ganz wie die menschlichen Begleiter, also gibt es auch die Pet Cuisine – Ehrensache. Ich war schlicht sprachlos und so richtig viel fällt mir dazu immer noch nicht ein…

Alltagsaktivitäten

Für unsere Nachmittage auf Shibaura Island haben wir inzwischen unsere kleine Promenadenrunde bis ans Ende der Insel erweitert, wo wir mit Krebsen belohnt werden, die nach Herzenslust beobachtet werden können.

Die ärztliche Versorgung haben wir gestern dann auch noch erstmalig testen müssen. Der Bube war in der Wohnung ausgerutscht und gefallen. Dabei hat er sich irgendetwas am Bein oder Fuß so verletzt, dass er erstmal nicht mehr auftreten und laufen konnte. Da wird einem dann doch mal ganz anders, wenn der fast Zweijährige einen voller Angst anschaut und „Au, aua!“ wimmert. Also ab ins Taxi mit den beiden und zu einem englischsprachigen Kinderarzt in Azabu-Jūban. Bis wir dort ankamen, ging es mit dem Laufen zum Glück wieder und der Arzt gab nach der Untersuchung Entwarnung. Jetzt wissen wir wenigstens, wohin, wenn die Kinder krank sind.

 

Erst Japan, jetzt Japanisch

Hajimemashite, Simone desu. Yoroshiku onegaishimasu.

Jahaaaa, unser Japanischunterricht hat begonnen und ich kann mich schonmal vorstellen [ungefähr: Wie geht es Ihnen, ich bin Simone. Schön, Sie kennen zu lernen.“]. Die Übersetzung ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, da die Umgangsformen nicht mit den deutschen oder englischen übereinstimmen. „Hajimemashite“ zum Beispiel wird nur verwendet, wenn man jemanden zu ersten Mal trifft, wogegen „Yoroshiku onegaishimasu“ sehr häufig und verschieden eingesetzt wird, auch etwa als Dank und Wertschätzung einer bevorstehenden Dienstleistung. Das kann ich also zu unserem Busfahrer sagen, wenn ich die Kinder das nächste Mal zum Bus bringe. Bisher beschränkt sich unser Austausch auf freundliches fuchtelndes Winken und „Good Morning!“.

Workbooks

Viel zu tun

Ich jedenfalls freue mich wie ein Schnitzel, weil ich endlich ein bisschen Licht ins Sprachdunkel um mich herum bringen kann, aber alter Schwede, das wird harte Arbeit. Vor allem die Schrift ist eine Zicke. Drei verschieden Schriftsysteme kommen zum Einsatz, und das nicht hübsch voneinander getrennt, sondern gerne innerhalb eines Satzes alle zusammen. Die komplizierteste Form, das aus dem Chinesischen entstandene Kanji, besteht aus etwa 3.000 regelmäßig verwendeten Zeichen, die als Logogramme alle eine eigene Bedeutung haben und mehrere mögliche Lautformen. Das lernen wir nicht. Puh. Erstmal lernen wir Hiragana, das vereinfachte gängige Silbenschriftsystem, mit immerhin noch etwa 50 Grundzeichen. Für Fortgeschrittene wäre dann noch Katakana hilfreich, das hauptsächlich für Fremdwörter oder Lautwörter verwendet wird. Zum Beispiel auch für unsere fremden Namen.

Simone: ジモーネ

Ich fühle mich wieder wie in der Grundschule, als ich A nach A in eine Zeile geschrieben habe, um unsere Schrift zu lernen. Und wie damals klingt es auch, wenn ich versuche, zu lesen: „…a..aaa..A…..i..i…iiii…I….Ai…Ai!“ Hat man die Laute dann identifiziert und aneinandergereiht, muss man nur noch wissen, was „Ai“ nun eigentlich heißt. Liebe. ❤️

A propos Liebe, Benni ist übrigens mein Otto! Otto ist der Ehemann und ich muss immer noch lachen. Das haben wir letzte Woche in unserem Wörterbuch gelernt und als ich dann noch Glatze und Bart nachgeschlagen habe, war es hier für eine Weile völlig aus, als wir uns vorgestellt haben, wie ich Benni wohl beschreiben würde, wenn ich ihn suche: „Otto!“ Wildes Fuchteln und Tippen auf den Kopf: „Hage!“ Weiteres Gestikulieren Richtung Kinn: „Hige!“ Ich bin zuversichtlich, dass ich ihn wiederfinden würde…

Schwäne, Pandas und Pinguine

Sonst waren wir diese Woche viel draußen, am Wochenende mal wieder in Ueno Park, in dem es einfach viel zu sehen und zu tun gibt und wir Dank unserer Jahreskarten auch immer gut einen Abstecher in den Zoo machen können. Dazu haben wir dieses Mal eine kleine Tretbootfahrt auf dem Parkteich gewagt – in einem pinkfarbenen Schwan. Die kleine Dame hätte es nicht besser aussuchen können und war zufrieden. Benni und ich, beide mit überdurchschnittlich und in Japan geradezu grotesk langen Beinen ausgestattet, traten nur, wenn es sein musste und schipperten ein bisschen zwischen den übrigen Schwänen umher. Als Belohnung gab es eine Art Minipfannkuchen in Pandaform. Alle begeistert.

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Wie Sie sehen, sehen Sie Pink

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Erhöhtes Schwanaufkommen

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Panda zum Naschen

So langsam haben wir hier auch eine stattliche Auswahl an größeren und kleineren Spielplätzen in Laufweite zusammengesammelt, nachdem wir diese Woche den fünften entdeckt und erobert haben. Leider etwas zu spät für den dazugehörigen Splash-Water-Spielbereich mit Pinguinen, der letzte Woche Saisonende hatte. Nächstes Jahr…

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Spielplatz in Sichtweite (unser Haus ganz rechts)

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Bereit zum Entern

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Pinguine auf dem Trockenen

Montag war hier mal wieder Feiertag. Tag zur Ehrung der Alten. Wie die Berge auch, haben wir die Alten ausgelassen, dafür aber uns ein bisschen in Ehren gehalten. Der Kindergarten blieb offen, so dass Benni und ich eher unerwartet einen freien Vormittag zu zweit hatten. Mein Otto und ich waren also ein bisschen in Shibuya bummeln und Kaffee trinken. Und Matcha-Tee. Feiner Montag.

Matcha

Sieht aus wie ein Schluck Sumpf, schmeckt aber super

 

Beängstigend und beeindruckend

Uns war immer bewusst, dass wir mitten im südhessischen Deutschland sehr gut aufgehoben waren, was das Wetter und seine Auswirkungen angeht. Nicht nur wurden wir mit vielen sonnigen Tagen im Jahr verwöhnt, die Temperaturen waren in beide Richtungen für gewöhnlich angenehm zu ertragen. Aber noch viel wichtiger: wirkliches Katastrophenwetter gab es nicht. Das Schlimmste waren Starkregen und mal ein Sturm, der zwar auch im Einzelfall gefährlich austeilen konnte, aber nichts war gegen zum Beispiel einen ausgewachsenen Taifun.

Faxai

Ende letzter Woche begannen die Warnmeldungen und Informationen. Bereits da war klar, dass der 15. Taifun diesen Jahres und unser erster nicht, wie seine Vorgänger, an Tokio vorbei ziehen würde, sondern mitten durch die Stadt hindurch. Die Kindergartenleitung informierte uns, dass Montag geschlossen bleiben müsste und die Bahnbetreiber teilten mit, dass der öffentliche Nahverkehr erst um 8.00 Uhr morgens wieder aufgenommen werden würde, was eine kühne Fehlkalkulation werden sollte, denn Faxai übertraf alle Vorhersagen. In großen Teilen des Landes richtete er großen Schaden an und forderte mindestens drei Leben. Für uns war das Ausmaß des Taifuns zum Glück nur sehr wenig zu spüren. Wir wurden vom Tosen des Sturms und heftigen Regens geweckt und mussten mit den Kindern ein wenig Tetris in der Wohnung spielen, bis alle wieder einigermaßen schlafen konnten, aber mehr hat das Nest nicht abbekommen. Benni konnte am nächsten Morgen in zwar sehr vollen Zügen und später als sonst, aber problemlos zur Arbeit fahren. Tausende Menschen, die sich auf die 8:00-Uhr-Ansage verlassen hatten, standen früher für lange Zeit in hoffnungslos überfüllten und um Teil gesperrten Bahnhöfen.

Die Ruhe nach dem Sturm – jetzt weiß ich erst wirklich, was das ist. Tokio strahlte ab mittags im Sonnenschein und verabschiedete den Tag mit einem unglaublichen Sonnenuntergang.

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Das durch den Sturm aufgewirbelte Wasser war noch Stunden nach Faxai grasgrün

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Erleichterung am Abend danach

Das war sicherlich der stärkste Eindruck unserer Woche, aber zum Glück haben wir auch wieder viel Schönes erlebt.

Ausgang

Der Elternabend zum Beispiel verlief erfreulich entspannt und endete nicht – wie so oft in Deutschland – in stundenlangen Diskussionen über vermeintliche Probleme. Ein halbe Stunde wurden wir von den Erziehern über die jeweilige Gruppe und ihren Plan für die nächsten Monate informiert, dann traf man sich bei Wein und Häppchen zu ungezwungenem Austausch in der großen Runde. Für mich der erste Abend seit Wien im Juni, den ich ohne Kinder „draußen“ war. Besonders schön war auch die Heimfahrt mit dem Mamachari durch die so vielseitig beleuchtete Stadt.

Home

Heimweg

Ein bisschen Tierwelt haben wir auch wieder in unsere Unternehmungen eingebaut. Benni und ich – beide große Katzenfreunde – waren letzte Woche in einem Katzencafé in Harajuku. Ohne Kinder, denn die dürfen da noch nicht rein. Schade für die beiden, aber sicher im Sinne der Fellbündel. In einem gemütlichen Raum konnte man sich entweder einen Platz suchen oder den Bewohnern an ihren Plätzen rücksichtsvoll Gesellschaft leisten. Für die Tiere gab es durch unter der Decke verlaufenden Ebenen und einen Ausgang in Form einer Katzenklappe ausreichend Rückzugsmöglichkeiten, so dass sie tiefenentspannt waren und ihre Gäste hoheitsvoll empfangen konnten.

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Das Katzenwohnzimmer

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Alles im Blick

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Katzenwege

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Ein bisschen Bestechung

Noch mehr Tiere gab es am Samstag, diesmal auch wieder mit Bube und Dame. Durch die gerade bei Benni noch ziemlich ausgeprägte Erkältung ließen wir das eigentliche Ziel Skytree, den höchsten Aussichtspunkt Tokios, nochmal aus. Bei einer Aufzugfahrt auf 450 Meter will man freie Nebenhöhlen haben. Statt dessen haben wir uns das Sumida Aquarium im gleichen Komplex angesehen. Zwar sehr klein im Vergleich zu anderen Aquarien, ist Sumida allerdings sehr schön angelegt. Auf zwei Ebenen finden sich vor allen Dingen Quallen, Pinguine, Seehunde, Goldfische und bizarre kleine Aale, die wie Grashalme aus dem Meeresboden schauen. Es gibt keine festen Wege, man kann die Aquarien aus verschiedenen Blickwinkeln oder Richtungen ansehen und die Atmosphäre ist angenehm ruhig trotz vieler Besucher.

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Hausputz bei den Pinguinen

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Mal wieder Kingyo

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Ein Fischgarten

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Tokyo Skytree – nächstes Mal von oben

Sonntagabend – man soll es kaum glauben – hatten wir Dinner Reservations. Mit dem momentan sehr anstrengenden Buben, wenn es um Ruhe und Ordnung geht, haben wir uns noch nicht in ein Restaurant getraut, seit wir hier sind. Noch in Roppongi hatte ich einen Flyer von einem Restaurant gefunden, das einmal im Monat Family Dinner anbietet mit Kindermenü, Küchenführung und Eis zum selbst Verzieren. Zu unserem Glück war es obendrein ein ganz großartiges Restaurant mit fantastischem Essen und somit ein gelungener Abend.

Seelenbeben

In einem meiner ersten Beiträge nach unserer Ankunft hatte ich dem Mori Art Museum in den Roppongi Hills versprochen, in Ruhe wieder zu kommen. Heute war es endlich soweit, ich habe mir die Ausstellung „The Soul Trembles“ von Shiota Chiharu angesehen. Da musste ich erst nach Tokio kommen, um etwas von der seit 23 Jahren in Deutschland lebenden japanischen Künstlerin kennen zu lernen. Mit gewebten Netzen und Gespinsten aus farbiger Wolle stellt Chiharu ihre Vorstellung von Existenz und Gefühlen dar. Ihre oft raumfüllenden Installationen sind sehr beeindruckend und wunderschön.

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Besonders berührt hat mich „Accumulation – Searching for the destination“, ein Meer aus Koffern an roten Schnüren, die für viele Kofferbesitzer und ihre Gründe, ihre Heimat zu verlassen, stehen.

People leave their hometowns with a destination in mind. Living among people of different nationalities, you suddenly forget that you are Japanese. Looking at yourself reflected in a mirror, you realize for the first time that you have black hair and black eyes.

The further you drift and the more you mix, the more you arrive at a place that allows you to stare hard at yourself, anew.

When I look at a heaping pile of suitcases, all I see is a corresponding number of human lives. Why did these people leave the place they were born, in search of some destination? Why did they go on this voyage? I think back on the feelings of these people on the morning of their departure. – Shiota Chiharu

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O‘zapft is!

Oktoberfest! Auf Odaiba! Japaner feiern eine eigene Miniversion des Exportschlagers deutscher Feste. Das mussten wir uns ansehen. So zog es uns dieses Wochenende wieder nach Odaiba und auf ins blau-weiße Vergnügen. Fahrgeschäfte oder Jahrmarktatmosphäre suchte man hier vergebens, es wurde sich aufs Wesentliche beschränkt: Bier, Würstchen und deutsche Bierzeltmusik.

Am Eingang erwarteten uns zwei Aufsteller in Tracht zum Fotos machen: der typische Deutsche mit Bierbauch in der Lederhose und das weibliche Gegenstück mit ordentlich Holz vor der Hütte. Wir – wenn auch mit weniger Bauch und Holz ausgestattet – fühlten uns inmitten der japanischen Besucher in Bier- und Tanzlaune tatsächlich sehr deutsch. Bube und Dame erreichten gar einen kleinen Menschenauflauf und wurden eingehend bestaunt. Bisher konnte trotz der großen Vielfalt und Andersartigkeit Tokios noch nichts ein größeres Gefühl von Surrealismus auslösen als dieses Fest, aber lustig war es auf jeden Fall. „Wie im Traum!“ stellte die kleine Dame mit ihren Würstchen vor sich und der Musik aus dem Festzelt hinter sich feierlich fest. Der Bube kommentierte durch ausgiebiges Schunkeln das Geschehen. Benni und ich ließen uns das Erdinger schmecken und beobachteten den Effekt von Bier und „Anton aus Tirol“ auf die Menge. Faszinierend.

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Jemand ein Foto als Deutscher?

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Keine Maß, aber Bier ohne Ende

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Stimmung!

Mitbringsel aus dem Kindergarten

Nach einem ausgelassenen Wochenende folgte diese Woche die erste Familienbegegnung mit japanischen Infekten. Der Kindergartenfluch – Freund aller Eltern – schlug zu. Da schickt man den Nachwuchs zwei Tage in den Kindergarten und schon bringen sie zuverlässig ein paar nette Grässlichkeiten aus der Viren- und Bakterienküche mit. Bube und Dame kamen mit einer leichten Erkältung davon, den Rest von uns traf es härter. Benni, der eigentlich nach Europa musste, konnte nicht fliegen und kuriert sich aktuell noch im Nest aus.

Anpassungsfähig

Meine Erkältung wird nicht geteilt!

Mit Schnupfennase und Husten im Gepäck, wagte ich mich heute sehr japanisch auf die Straße: mit Mundschutz, um meine Krankheitserreger nicht in der zahlreich vorhandenen Bevölkerung zu verteilen. Mir stellt sich die Frage, warum es diese Dinger nicht auch in schön gibt. Ist doch nur Papier, könnte doch auch schwarz statt weiß sein. Oder bunt. Oder gestreift. Oder weiß der Geier was, aber nicht so klinisch weiß. Einen coolen Jungjapaner im Teenie-Alter habe ich dann doch noch mit einer wohl waschbaren Textilvariante in schwarz gesehen. Trendsetter. Muss mir so eins besorgen.

Busprofis

Bube und Dame sind seit Montag stolze Busfahrer. Jeden Morgen werden sie vom kleinen hellblauen Schulbus eingesammelt und mir nachmittags wieder geliefert. Schon eine etwas andere Anreise, als der bisherige sehr beschauliche Spaziergang zum Kindergarten um die Ecke in Deutschland. Das scheint aber nur mir aufzufallen, die beiden wirken, als hätten sie nie was anderes gemacht, als sich morgens ohne mich in den Bus zu setzen.

Am Freitag steht der erste internationale Elternabend an. Ich bin gespannt, was mich da erwartet.