Himmelszirkus und Fischkunst

Um so richtig das Gefühl einer wahnsinnig vollen Großstadt zu erleben, gibt es in Tokio mehrere Möglichkeiten: 1. Man fahre im Berufsverkehr mit der U-Bahn – eine Erfahrung, um die ich mich bisher weitgehend drücken konnte. 2. Man hänge am Wochenende rund um Shibuyas Kreuzung ab – erledigt. 3. Man gehe am Wochenende in Ginza shoppen. Das haben wir am Samstag vollbracht. Kein Vergleich zu meinem Erlebnis vom letzten Montag. Scharen an Tokiotern und Touristen schieben die Einkaufsstraßen mit allen namhaften Marken entlang. Das Besondere am Wochenende: die größte Straße wird für den Verkehr gesperrt, so dass man ungehindert auch mitten darauf flanieren kann. Hat was. Muss man aber nicht lange machen. Außerdem treibt einen die Hitze bald auch wieder in irgendein klimaanlagengekühltes Schlupfloch.

Hereinspaziert!

Nun haben wir ja auf dem Sky Deck, dem Tokyo Tower, dem Riesenrad oder – ein paar Stockwerke tiefer, aber für uns immer noch hoch – in unserer neuen Wohnung schon ein paar Blicke von weiter oben auf Tokio riskiert. Da aber die ganze Stadt einfach voll ist von hohen Gebäuden und Gebilden, kann man damit einfach immer weiter machen. Haben wir mit dem Sky Circus auch gemacht. Dieser liegt in Ikebukuro, einem Viertel, das zumindest meiner ehemaligen Vorstellung, wie es wohl auf Tokios Straßen aussehen mag, ziemlich nahe kommt. Hier reihen sich Spielhallen, Manga- und Animeläden aneinander, es ist bunt und etwas durch. Mittendrin steht Sunshine 60, der Wolkenkratzer, der auf seinem obersten, also – Überraschung – 60. Stockwerk den Sky Circus beheimatet. Hierüber hatten wir schon gelesen, dass es zwar nicht der höchste Aussichtspunkt Tokios ist, aber durch seine einzelnen Erlebnisstationen gerade mit Kindern sehr lohnenswert sei. Das war nicht untertrieben, der Zirkus hat sich sowas von gelohnt. Neben der gigantischen Aussicht aus den zahlreichen, zum Teil bodentiefen Fenstern, gab es noch eine Menge an Sinneseindrücken, die vor allem die Kinder voll in ihren Bann zogen. Es wurde auf im Boden eingelassenen Projektionsflächen rumgesprungen, in einem voll mit Animationen bespielten Tunnel getanzt, sich an Regenschirmgriffen festgehalten, die fühlen ließen, wie es wohl sein mag, wenn es Frösche regnet, durch diverse Gucklöcher geschaut und vor einer Gewitterwolke Reißaus genommen. Es hat Spaß gemacht, eine Menge Spaß!

Sonntag zieht es uns scheinbar gerne ins Tierreich. So auch diese Woche, allerdings etwas anders als bisher. Wir haben uns Hidemoto Kimuras aktuelle Kunstausstellung angesehen, die nach über einem Jahrzehnt das große Finale seiner Serie in der Nihonbashi Mitsui Hall darstellt. Kimuras Werke sind allerdings keine Bilder, Fotos oder Skulpturen sondern…Fische. Für diese letzte Show seines Art Aquariums „Edo: Coolness of KINGYO“ ganz konkret Goldfische (eben Kingyo). Über 10.000 Exemplare davon werden in bunt beleuchteten Aquarien in den seltsamsten Formen bei ruhiger Trance-Musik ausgestellt. Ich hatte keine Ahnung,  was für eine Vielzahl an Goldfischarten es gibt und ich habe immer noch ein kleines bis mittelgroßes Fragezeichen im Kopf, was ich nun letztlich von den schuppigen Kunstobjekten halten soll.

Wiedersehen

Wo wir schon bei bizarren Tierbegegnungen sind, in den Roppongi-Hills habe ich eine alte Bekannte wieder getroffen: Maman. Wer mich kennt, weiß, wie mein Verhältnis zu Spinnen ist. Dementsprechend groß war meine Freude 2011 in Ottawa, als ich unerwartet vor der über neun Meter hohen Spinne aus Bronze von Louise Bourgeois stand, die zu allem Überfluss auch noch einen riesigen Eiersack besitzt, gut gefüllt mit riesigen Spinneneiern. Ich kann mich erinnern, damals auch nachgelesen zu haben, dass es noch weitere Güsse des Originals aus dem Tate Modern in London weltweit gibt. Nicht gemerkt habe ich mir, dass ein weiterer Ausstellungsort Tokio ist. Hachja, beim zweiten Mal ist es schon nicht mehr so erschreckend, es war fast ein bisschen Wiedersehensfreude dabei. Mit Maman ehrte die Künstlerin übrigens ihre Mutter, die als Restauratorin von Textilien wie eine Spinne Gewebe erneuerte. Ich hoffe inständig, meinen Kindern fällt etwas anderes ein, sollten sie jemals den Drang verspüren, mir ein Denkmal zu setzen.

Maman

A propos Kinder: Wir haben heute das Mamachari richtig eingeweiht, also in voller Besetzung, diesmal mit dem Buben.

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Honshiba Park

Honshiba Park liegt nicht nur in der Nähe unseres zukünftigen Wohnortes, er hat auch noch einen Spielplatz zu bieten und war mit seinen knapp drei Kilometern Entfernung von Roppongi ein gutes Einstiegsziel für unsere Fahrradaktivitäten. Fand ich und wagte mich todesmutig in den Verkehr auf Tokios Straßen. Ich habe es hierbei einfach den übrigen Radfahrern nachgemacht und je nach Laune und Verkehrssituation entweder die Straße oder den Gehweg benutzt. Das hat erstaunlich gut geklappt, auch wenn ich mich an den Linksverkehr noch ein wenig gewöhnen muss, aber das ist bei weitem nicht so ungewohnt wie gedacht. So konnten wir also einen neuen Spielplatz in unsere Liste aufnehmen und haben schonmal den neuen Dunstkreis abgecheckt. Direkt an der Tamachi-Station gelegen, kommen hier auch kleine Zugfans voll auf ihre Kosten. Der Bube brauchte jedenfalls ein paar Züge, um den Mund wieder zuzubekommen.

Nach 20 Minuten für eine Strecke kann übrigens festgehalten werden: mit den Rad wohnen wir tatsächlich nicht wirklich weit draußen. All good.

Tamachi-Station

 

 

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