Ponys statt Pokémon

Unser neues Zuhause ist ein Bauernhof. Vor 500 Jahren erstmals gegründet, kümmert man sich hier seit den 1960er Jahren nicht mehr nur noch um Tiere sondern auch um Kinder – und deren Eltern. Aktuell also auch um uns.

Benni findet man wie üblich irgendwo in der Nähe von Kaffee, Internet und Handyempfang, wobei hier die erfolgreiche Suche aller drei Arbeitsvoraussetzungen eine mittelgroße Herausforderung ist. Diejenigen von uns, die nichts weiter zu tun haben als die Moral hochhalten und Blödsinn machen, nehmen jede Bauernhofattraktion mit, die sie finden können.

Tierische Freude

Ponyreiten ist dabei ganz weit oben auf der Favoritenliste einer gewissen kleinen Dame. Ich staune nicht schlecht, kenne ich sie doch quasi von Geburt an eher als Tierverweigerer. Streichelzoo – auf gar keinen Fall, Hunde von weitem auf dem Bürgersteig zu sehen – bloß weg. Erst seit der Bube da ist und so überhaupt gar keine Angst vor Tieren zeigt, wird es besser. Man bürstet jetzt auch mal eine Ziege im Zoo oder schmeißt einem Braunbären eine Erdnuss vor die Füße („Aber nur eine Mama, mehr bekommt er nicht!“). Der kleine Bruder hingegen ist von schlichtweg jedem Tier hingerissen, das sich bewegt. Hingebungsvoll werden da Grashalme durch Käfigdraht geschoben, Rufe des Entzückens getan, um uns auf eine Stubenfliege aufmerksam zu machen, die Fingerchen in Kaninchenlöcher gesteckt oder von Spielwarenschaufenstern mit Plüschtieren nicht mehr abgelassen – könnte ja sein, dass die sich doch noch bewegen.

Kurzum: wir sind auf einem Bauernhof genau richtig. Leider ist er noch zu klein für die Ponys. So reitet also die kleine Dame jeden Morgen stolz ihre vier Runden.

 

Direkt im Anschluss findet das zweitliebste Schauspiel statt: Trecker fahren mit Bauer Johannes. Gutmütig tuckert der Bauer jeden Morgen mit den Kindern auf seinem kleinen roten Traktor eine Runde übers Feld. Nur so fängt hier der Tag anständig an. Ich habe mir schon eine Softshelljacke gekauft, ich hatte für feuchtwarme Luft gepackt, nicht für eine frische Sauerländer Feld-, Wald- und Wiesenbrise.

Tief Luft holen

Neben diesen beiden eventartigen Programmpunkten am Morgen, gibt es hier noch einiges mehr zu entdecken. Die Powerscheune beispielsweise. Eine große Kletteranlage, in der sich beide ordentlich – naja auspowern können.

Nicht zu vergessen ist natürlich auch noch das Schwimmbad. Seit drei Wochen gehen wir jeden Tag ins Schwimmbad. Unsere ohnehin schon wasserbegeisterten Kinder haben bald Schwimmhäute unterhalb der Schwimmflügel. Der Bube springt so unerschrocken in jedes Becken, dass er damit oft entsetzte Blicke anderer Mütter provoziert. Die treffen dann natürlich mich, weil ich das arme Kind ins Becken fallen lasse. Wenn er kurz darauf wie ein Korken wieder auftaucht und vor Vergnügen quietscht, ist die Verwirrung dann meist komplett. Und die kleine Dame – die taucht auf einmal ab. Als hätte es nie was anderes gegeben. Dazu muss man wissen, dass Benni und ich Monate im Schwimmkurs damit zugebracht haben, sie dazu zu bringen, wie vom Kursplan vorgesehen, ein doofes Tauchtier von einer Treppenstufe im Becken zu bergen. Hat sie auch – mit den Füßen. Es war nichts zu machen. Keine Kursleiterin, keiner von uns, kein gutes Vorbild durch andere Kinder konnten sie dazu bewegen. Und jetzt taucht sie einfach. Jeden Tag ein bisschen mehr und mit an Hohn grenzender Selbstverständlichkeit. Seitdem sie gestern auch noch eine Schwimmbrille gefunden hat – hatten wir auch schon im Schwimmkurs versucht – geht‘s erst richtig los. Durch das ganze kleine Becken wird jetzt nach selbst ausgeworfenen Schwimmringen und Eimerchen getaucht. Es waren also insgesamt nur 3 Wochen Schwimmbad täglich nötig. Wenn‘s sonst nichts ist.

Japan?

Wir haben übrigens immer noch keine Visa. Benni war am Montag auf dem Konsulat und zunächst einmal kann man festhalten, dass die sagenumwobenen bürokratischen Vorteile einer Ehe doch sehr zu wünschen übrig lassen. Wurde ich im beschaulichen Nieder-Ramstadt auf dem Amt noch ausgelacht, als ich vorsorglich fragte, ob wir beide zur Abmeldung zugegen sein müssen („Sie kenne Ihren Mann scho mit abmelde, Sie sinn jetz verheiert, da brauchen Sie ihn net mehr dazu.“), gilt da auf dem japanischen Konsulat ein anderes Regiment. Eine von mir unterschriebene Vollmacht ist erforderlich, sonst darf niemand, auch nicht mein Mann, ein Visum für mich beantragen. Aha, ich darf also meinen Ehepartner aus seinem Heimatland abmelden, aber eine Einreisegenehmigung für ihn beantragen, das geht zu weit. Notiert.

Wenigstens dürfen wir besagte Vollmacht auch bei Abholung der Visa noch vorlegen. Läuft. Drei bis fünf weitere Tage Bearbeitungszeit hatte man uns im Vorfeld angekündigt, wir hatten auch schon von Fällen gehört, wo das Visum nur einen Tag danach vorlag. Bei uns nicht. Uns konnte man nicht einmal sagen, ob es denn wohl bis zum nächsten Montag vorliegen würde, damit wir unsere Flüge buchen können. Wir dürfen also mal wieder einfach nur abwarten. Wann die Generalkonsulin die Dokumente unterschrieben hat, wird uns dann mitgeteilt. Ist fertig, wenn es fertig ist.

Ich habe erstmal eine Stunde Entspannungsyoga gebucht. Gibt‘s hier nämlich auch. Oooohhhhmmmmmm.

2 Gedanken zu “Ponys statt Pokémon

  1. samybee schreibt:

    Ich lese ja jetzt schon eine Weile bei Dir mit… und ich muss es einfach fragen… Wie hälst Du diesen Cliffhanger bloß aus? Wir haben auf unserem Weg nach Polen wegen des Arbeitgebers meines Mannes auch einen Cliffhanger gehabt, aber wir wohnten immerhin die ganze Zeit trotzdem in unserem Haus und trotzdem war ich ein Nervenbündel.
    Ich drücke Euch jedenfalls die Daumen, dass es bald ein Ende hat und Ihr in den Flieger steigen könnt!

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    • Simone schreibt:

      Hallo, schön, dass du ab und zu vorbei schaust. Ja, diese Warterei ohne Zuhause ist nicht so ohne, aber ich versuche es noch mit möglichst viel Humor zu nehmen und es für die Kinder zu einem unbeschwerten Zustand zu machen. Das hilft auch mir sehr. Du weißt ja sehr gut, wie viel einen ohnehin bei so einem Umzug beschäftigt. Lieben Dank fürs Daumen drücken, ich hoffe, ich schreibe bald aus dem Flieger.

      Gefällt 1 Person

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